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Im zweiten Quartal des vergangenen Jahres, unmittelbar nach der Schock-Nachricht über Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, wurde ein seit mindestens elf Jahren beständiger Trend gebrochen – der Handel mit Immobilien stagnierte. Das hat Auswirkungen auf die Jahresbilanz, und so gab es im Jahr 2022 in Niedersachsen nur noch 97.500 Verkäufe von Grundstücken, Wohnungen und Häusern. Im Jahr zuvor waren es noch 112.600 gewesen. Das war eine Rekordzahl. Die Corona-Zeit konnte dieser Sparte nichts anhaben, wohl aber wirken die Folgen des Krieges. Spürbar sind steigende Zinsen, höhere Preise, knappere Verfügbarkeit an Baudienstleistungen und eine allgemeine Verunsicherung, die jeden Kaufwillen lähmen kann. Der Rückgang bei den Immobilien beträgt 13,3 Prozent, der Rückgang bei Verkäufen von unbebauten Grundstücken beträgt sogar 25,8 Prozent. Und das, obwohl der Bedarf an neuen Wohnungen weiter ungebrochen ist. 

Innenministerin Daniela Behrens (SPD), die für die Gutachterausschüsse und die Überwachung der Grundstücksmarktdaten zuständig ist, hat den aktuellen Bericht für 2022 am Donnerstag vorgelegt. Besonders stark sei der Neubau von Geschosswohnungen zurückgegangen – in den Städten Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück, Wolfsburg und Göttingen betrug der Verlust sogar 44 Prozent (gemessen am Mittelwert der Jahre 2018 bis 2021). Was allerdings auch auffällt, ist die Stabilität bei den Preisen. Obwohl es wesentlich weniger Kaufverträge gab, wurden 2022 noch 28,5 Milliarden Euro für die geschehenen Transaktionen aufgewendet – das sind nur knapp 400 Millionen Euro weniger als im Jahr 2021. Bei den bebauten Immobilien ist sogar eine Steigerung der Erlöse um 1,6 Prozent festzustellen gewesen – und das trotz Rückgang der Zahl der Verträge um 10,7 Prozent. Es gibt nun durchaus regionale Unterschiede. In den Kreisen Aurich, Gifhorn und Holzminden seien 2022 sogar mehr Bauplätze verkauft worden als im Vorjahr. In neun Landkreisen hingegen habe der Rückgang in dieser Sparte im Schnitt mehr als 50 Prozent betragen. Ausreißer sind der Kreis Goslar mit einem Rückgang von 71 Prozent und der Kreis Wesermarsch mit minus 84 Prozent. Auch in den Kreisen Emsland und Osnabrück, sowie in der Region Hannover, die bisher zu den Boom-Regionen gehörten, sind Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich zu vermelden. 

Der durchschnittliche Preis eines Einfamilienhauses im Kreis Holzminden betrug 2022 rund 160.000 Euro – während in der Region Hannover das gleiche Gebäude 3,5mal so teuer war, nämlich 572.000 Euro. Ein Jahr zuvor hingegen war das Haus in Hannover noch fünfmal so teuer wie das in Holzminden. Der Vorsitzende des Oberen Gutachterausschusses in Niedersachsen, Andreas Teuber, sieht darin einen Trend der Angleichung: „Die ländlichen Gegenden holen tatsächlich etwas auf.“ Begünstigt werde das durch die wachsende Beliebtheit von Homeoffice, die auch vom Breitbandausbau und den verstärkten Angeboten der Telearbeit begünstigt werde. 

„Der Bauminister schaut sich das an“: Ministerin Behrens sagte, die Daten des Grundstücksmarktberichts seien eine wichtige Unterlage für die Landesregierung. „Bauminister Olaf Lies wird sich das genau ansehen“, betonte sie. Eine Möglichkeit für stärkeres Landes-Engagement im sozialen Wohnungsbau sei die Unterstützung für Investoren über verbilligte Zinssätze. Hier könne die N-Bank aktiv werden. Das spiele jetzt, da die Zinsen gestiegen seien, vermutlich eine wichtigere Rolle als vorher. Eine Antwort auf die steigenden Baukostenpreise könne sein, die Bauvorschriften zu entwirren. Einen guten Aspekt leitet Behrens aus der Tatsache ab, dass die Immobilienpreise nicht eingebrochen sind und sich der Markt offenbar „in einer abwartenden Phase befindet“: Die Vermutung, die bisherigen hohen Preise beruhten auf einer „Immobilienblase“, könne damit widerlegt werden. Die Nachfrage bleibe konstant hoch.