Der Niedersachse der Woche…
…ist einer breiteren Öffentlichkeit bisher nicht bekannt gewesen. Doch in der vergangenen Woche änderte sich das schlagartig. Es gelang dem 47-jährigen nämlich, plötzlich eine große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der parteilose Jurist, der sich bisher vor allem auf Wirtschafts- und Vertragsrecht spezialisiert hatte, schaffte plötzlich das, was viele Politiker vor ihm nicht geschafft hatten: Er bescherte Innenminister Boris Pistorius eine schmerzliche Niederlage. Der Niedersachse der Woche heißt…
…Arne Ritter, ist Rechtsanwalt in Laatzen (Region Hannover) und arbeitet seit 15 Jahren eher unauffällig in einer Kanzlei, die auf Verkehrs-, Steuer- und Wirtschaftsrecht spezialisiert hat.
Das Wort „unauffällig“ gilt allerdings nur eingeschränkt, denn in Kollegenkreisen genießt Ritter schon einen hervorragenden Ruf. Das hängt auch mit den ganz großen Rechtsstreitigkeiten zusammen, an denen die Kanzlei auch einen gewissen Anteil hatte. Vor gut zehn Jahren etwa, als die Pleite der Lehman-Bank international Furore machte, vertrat Ritter bis zu 150 Anleger, die sich falsch beraten und von ihrer Bank hintergangen fühlten. Mit ausgeklügelten Schriftsätzen verschaffte sich der Anwalt Respekt, zeigte sich vor Gericht konsequent und erreichte so nach und nach, dass die Banken in Vergleiche einwilligten, was sie anfangs gar nicht vorhatten.Der Fall, der den 47-Jährigen jetzt landesweit bekannt machte, hat auch mit Konsequenz und Zielstrebigkeit zu tun – aber auch mit besonderen Fügungen. Ritter, der in Hannover geboren und aufgewachsen ist, hat sein Büro in der Stadtmitte von Laatzen. Sein Vater lebt in Gleidingen, einem gut zehn Kilometer vom Büro entfernt liegenden Dorf. In der Mittagspause will Ritter seinen alten Herrn besuchen – und wenn er über die Hildesheimer Straße fahren würde, eine mit vielen Ampeln bestückte Strecke, würde er viel zu lange brauchen. Also nutzt Ritter die Bundesstraße 6. Der Zufall will es nun, dass seit Jahresbeginn dort die bisher bundesweit einzige Pilotanlage eines „Strecken-Radars“ in Betrieb ist, Innenminister Boris Pistorius ließ es sich im Januar nicht nehmen, diese aus seiner Sicht vorbildliche Anlage persönlich zu eröffnen. Hier gilt nun die Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern, und Ritter hat absolut nichts gegen Geschwindigkeitsmessungen, er will sich auch an die Obergrenze halten, wie er sagt. Aber die Art und Weise, wie dieser „Section Control“ genannte „Strecken-Radar“ funktioniert, hat Ritter dann schon stark irritiert, wie er sagt. Dort sind im Abstand von 2,2 Kilometern zwei Anlagen installiert. Jedes Auto, das die Strecke passiert (und es sollen 14.000 täglich sein) wird zweimal fotografiert. Die Wagen, die die zweite Station zu früh erreichen, also zu schnell unterwegs waren, werden ein drittes Mal fotografiert. Sie erhalten einen Bußgeldbescheid. Die Fotos der anderen, die sich ordnungsgemäß verhalten hatten, sollen zügig vernichtet werden. Ritter argumentierte nun, dass diese Fotos aber mindestens eine Minute lang in dem System gespeichert sind – und damit handele es sich um einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Autofahrer. Solche Eingriffe bräuchten aber eine klare Rechtsgrundlage. Das Problem ist nur: Bisher fehlt eine solche klare Grundlage, diese soll aber mit dem neuen Polizeigesetz, das gegenwärtig im Landtag beraten wird, geschaffen werden. Da es die Rechtsgrundlage jetzt aber nicht gebe, dürfe „Section Control“ nicht eingesetzt werden, meint der Anwalt. Das Verwaltungsgericht Hannover folgte ihm – und so muss Pistorius nun, wohl oder übel, die Geräte abschalten lassen.
Den Rechtsanwalt aus Laatzen bringt dieser Fall nun landesweite Bekanntheit. Dabei weiß man über ihn bisher nicht viel. Er ist verheiratet, lebt in Hannover, spielt gern Golf, beschäftigt sich zuhause gern mit seinem Computer und hört gern klassische Musik. Nach dem Abitur hatte er Jura in Hannover studiert, nebenher bei einer Computerfirma gearbeitet und dann im Institut für Rechtsinformatik gearbeitet – also einer Einrichtung, die sich mit den Grundlagen etwa für das Vertragsrecht beschäftigt. Damit kommen technisches und juristisches Interesse zusammen, wie auch in diesem Verfahren wieder deutlich wird. Ritter ist in einer Kanzlei zusammen mit Winfried Lippmann, Jörn Hennigs und Isabell Helms tätig.