Der Fluch der Vertraulichkeit
Darum geht es: Wöchentlich versucht der Islamismus-Untersuchungsausschuss, die Polizeiversäumnisse in diesem Bereich aufzuklären. Ein unbefriedigendes Gefühl bleibt. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum:
So richtig glücklich ist niemand mit dem Untersuchungsausschuss, der die Mängel der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Vorgehen gegen den Salafismus aufhellen soll. Die Opposition hat zwar herausgearbeitet, dass es vor allem in Hannover zu vielen Pannen und Versäumnissen kam. Viel deutet auf strukturelle Mängel hin – und das fällt letztlich in die politische Verantwortung von Innenminister Boris Pistorius. Aber CDU und FDP konnten diese parlamentarischen Aufklärungserfolge nicht richtig auskosten, denn bei diesem Untersuchungsausschuss erleben wir eine Besonderheit: Immer dann, wenn es wirklich interessant und konkret wird, verweisen die Zeugen auf die notwendige Vertraulichkeit – und die Journalisten müssen den Saal verlassen. Über das, was danach hinter verschlossenen Türen beraten wird, dürfen die Politiker nicht reden. Getuschelt wird trotzdem, aber eben nur getuschelt.
Hier stehen zwei fundamentale Interessen gegenüber: Die Parlamentarier wollen klären, wo die Verwaltung Fehler begangen hat und nachgebessert werden muss. Ein solcher Prozess kann nur öffentlich geschehen. Die Sicherheitsorgane, vor allem der Geheimdienst, meiden die Öffentlichkeit aus berechtigter Sorge, das Ausleuchten ihrer Schwachstellen helfe am Ende denen, die dem Staat schaden und die Defizite der Polizei für ihre Zwecke ausnutzen wollen. Im Landtag herrscht ein breites Verständnis für diese Befürchtung. Allerdings kann man manchmal auch den Eindruck haben, dass sich Bundesinnenministerium, Landesverfassungsschutz und Landesinnenministerium die Bälle gegenseitig zuspielen – der eine verweist auf den anderen, und so wird der Teil dessen, was irgendeine Sicherheitsbehörde als geheim einstuft, von Woche zu Woche größer. Da wird sehr schnell behauptet, jedes Wort zu viel schade dem Staat. Dabei ist doch sowieso längst bekannt, wie zögerlich, unentschlossen und lückenhaft die Behörden zur Stelle waren, wenn es darum ging, einem möglichen Terror-Netzwerk von einer Handvoll junger Leute in Hannover auf die Spur zu kommen. Die entscheidende Frage ist: Lag das auch an falschen politischen Vorgaben? Ist die rot-grüne Sicherheitspolitik, teilweise geprägt von grundsätzlichem Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz, ursächlich für die aufgetretenen Mängel?
Wie klärt man das, wenn sich die Sicherheitsorgane gleichzeitig abschotten? Ein unabhängiger Ermittlungsbeauftragter, der von Opposition wie Regierung respektiert wird, interne Akten einsehen und diese hinterher fachkundig beurteilen kann, wäre ein möglicher Weg. Darauf hatten sich Rot-Grün und Schwarz-Gelb schon verständigt, nun wird es allmählich Zeit, diese Person auch zu benennen und einzusetzen. Der Beauftragte kann die Probleme in der Polizeiarbeit herausarbeiten und öffentlich darstellen, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen und dem Sicherheitsinteresse des Staates tatsächlich zu schaden. Er muss eine Balance schaffen, zu der Untersuchungsausschüsse als politische Kampfinstrumente der Opposition nicht in der Lage sind – unter den gegebenen Umständen derzeit im niedersächsischen Landtag schon gar nicht. Eines jedenfalls ist auch klar: Das Thema, das der Untersuchungsausschuss bearbeitet, ist wichtig genug. Alle Parteien sollten ein großes Interesse an der Aufklärung haben.