28. Juni 2023 · 
Finanzen

Der erste Schritt zur großen Reform der Nord/LB ist getan, weitere folgen

Die am gestrigen späten Nachmittag verschickte Pressemitteilung der Norddeutschen Landesbank ist auf den ersten Blick unspektakulär: Es steht ein Führungswechsel an.

Foto: NORD/LB

Christoph Schulz, bisher Vorstandsmitglied der Nord/LB und gleichzeitig Chef der Nord/LB-eigenen „Braunschweigischen Landessparkasse“ (BLSK), geht zum Jahresende in den Ruhestand. Einen Nachfolger für Schulz im Führungsgremium der Landesbank soll es nicht geben, und wer immer später an die Spitze der BLSK rückt, wird nicht mehr zugleich in der Nord/LB-Spitze tätig sein. Beide, Landesbank und Landessparkasse, werden „entzerrt“ – obwohl es vorläufig dabei bleibt, dass die BLSK eine hundertprozentige Tochter der Nord/LB ist. Vorläufig jedenfalls.

Geteilte Meinung zur Zukunft der Nord/LB

Für Außenstehende mag das alles wie eine unspektakuläre Verschiebung in einem komplizierten Bankgeflecht klingen, politisch aber hat der Vorgang eine enorme Brisanz. Seit Wochen herrscht in der Nord/LB Krisenstimmung, da ein Teil der Eigentümer – die in den „Fides“-Gesellschaften gebündelten Landesbanken und Sparkassen außerhalb Niedersachsens – die notwendige Anschaffung einer neuen, 500 Millionen Euro teuren IT zur Banksteuerung blockieren. Der Streit eskalierte so sehr, dass Ministerpräsident Stephan Weil Ende Mai beim Deutschen Sparkassentag offen davon sprach, man könne auch „die Zusammenarbeit beenden“.

Das Vorstandsteam der BLSK (von links): Lars Dannheim, Tanja Dresselmann, Christoph Schulz, Dr. Ingo Lippmann. Ende des Jahres verabschiedet sich Schulz in den Ruhestand. | Foto: Andreas Rudolph/BLSK

Denn seit der Rettung der Nord/LB 2019 herrscht eine seltsame Konstruktion: Das Land Niedersachsen und die niedersächsischen Sparkassen sind zwar die größten Eigentümer der Landesbank, aber eine 24-prozentige Sperrminorität wird vom Club aller übrigen deutschen Sparkassen und Landesbanken gehalten. Gerade die Sparkassen und Landesbanken aus West-, Süd- und Ostdeutschland möchten aber eigentlich gar keine erstarkende Nord/LB als möglichen Wettbewerber. Sie dringen auf ein Schrumpfen der Bank, während die Niedersachsen auf ihre Stärkung zielen. Dieses Gezerre ist geeignet, den Ruf der Landesbank enorm zu schädigen.

Mehrere Städte wollen mehr Einfluss auf BLSK

In den internen Planspielen zur Lösung des Konflikts spielte die BLSK in den vergangenen Wochen eine bedeutsame Rolle. Aus Westfalen, Hessen und Bayern kamen im Frühjahr Signale, die Nord/LB könne ja die BLSK abspalten, die Nord/LB würde mit diesem Schritt kleiner – und die „Fides“-Gesellschaften könnten in der Folge ihre Blockadehaltung gegenüber Investitionen in der Nord/LB aufgeben. „Fides“ könnte gar die BLSK selbst übernehmen. Dieser Weg würde sich mit den Interessen der Städte Braunschweig und Salzgitter, sowie der Kreise Wolfenbüttel, Helmstedt und Holzminden kreuzen, die seit vielen Jahren dafür kämpfen, auf die BLSK mehr Einfluss zu haben. Perspektivisch wollen diese Kommunen gar selbst Träger der BLSK werden, doch dazu müssten sie die Bank den bisherigen oder den möglichen neuen Eigentümern abkaufen. Wie das angesichts leerer kommunaler Kassen klappen soll, ist aber bisher ein Rätsel. Vielleicht gestreckt über zehn Jahre? Ohne kommunale Kreditaufnahmen wäre das wohl kaum möglich, und eine solche Verschuldung wäre an strenge Regeln der Kommunalaufsicht geknüpft. Aus anderen Teilen Niedersachsens werden solche Überlegungen mit skeptischen Blicken verfolgt.



In diese Gemengelage platzt jetzt die Nachricht aus der Nord/LB: Wenn nach Schulz‘ Abgang Anfang 2024 ein neuer BLSK-Vorstand antritt, soll dieser weit mehr Entscheidungsfreiheit haben als in der bisherigen Konstruktion. Wenn es um Budget- und Personalfragen geht, soll der nächste BLSK-Chef selbst entscheiden können, und nicht – wie bisher – die Rückkopplung des Nord/LB-Vorstandes benötigen. Der Verwaltungsrat, ein Gremium mit Kommunalpolitikern der Region, wird „in die Planung stärker eingebunden“.

„Unser Ziel bleibt die vollständige Herauslösung der BLSK aus der Nord/LB.“

Thorsten Kornblum

Der Braunschweiger Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), einer der vehementen Streiter für eine eigenständige BLSK, ist mit diesem Vorgehen höchst zufrieden: „Damit wird ein schnelleres Agieren der BLSK vor Ort sichergestellt.“ Kornblum und seine Mitstreiter Frank Klingebiel (OB von Salzgitter), Christiana Steinbrügge (Landrätin Wolfenbüttel), Gerhard Radeck (Landrat Helmstedt) und Michael Schünemann (Landrat Holzminden) hatten schon vor ziemlich genau zwei Jahren erklärt, eine „stärkere organisatorische und rechtliche Verselbstständigung der BLSK“ als Zwischenziel anzustreben. Die Eigentümerschaft der Nord/LB wurde schon 2021 von ihnen nicht mehr direkt in Frage gestellt. Nun, zwei Jahre später, haben sie mit den von der Landesbank mitgeteilten Veränderungen das Zwischenziel erreicht.

Foto: NORD/LB

Wie geht es nun weiter? Die Zeit drängt offenbar, denn die Nord/LB muss ziemlich bald signalisieren, dass eine neue IT angeschafft wird – auch zur Beruhigung der Bankenaufsicht. Jeder Tag ohne Entscheidung schwächt die Bank. Über zwei mögliche Wege wird derzeit diskutiert:

Die BLSK-Neuorganisation ist ein Zwischenschritt

Einige sehen die Stärkung des BLSK-Vorstandes und die Entkoppelung von der Nord/LB-Führung als ersten von mehreren Schritten. Schon bald könnten die „Fides“-Gesellschaften die BLSK übernehmen und ein Konzept entwickeln, wie diese dann schrittweise den Kommunen übereignet wird. Dagegen spricht, dass Kornblum, Klingebiel und die drei Landräte ja jetzt schon ihr Zwischenziel feiern können. Den Druck, die BLSK selbst zu erwerben, spüren sie momentan nicht mehr. Die neue BLSK-Konstruktion könnte sich, wenn sie Anfang 2024 zu wirken beginnt, als segensreich und womöglich schon ausreichend erweisen. Zwar sagte Braunschweigs OB gestern: „Unser Ziel bleibt die vollständige Herauslösung der BLSK aus der Nord/LB“, aber das klang dann eher pflichtschuldig.

Das Land Niedersachsen kauft „Fides“ die Anteile ab

Man kann die BLSK-Neuorganisation auch so verstehen, dass damit nun die Bedürfnisse der Braunschweiger Kommunalpolitiker erst einmal befriedigt sind. Für die Lösung des viel größeren Problems, der gegenwärtigen Selbstblockade der Nord/LB, wäre die BLSK dann gar kein Spielball mehr. Als Alternative käme dann wohl in Betracht, dass das Land Niedersachsen den „Fides“-Gesellschaften den 24-prozentigen Anteil an der Nord/LB abkauft. Dieser Schritt könnte das Land eine Milliarde Euro kosten, damit wäre dann am Ende der Weg frei für die Anschaffung der IT und für die weitere Aufwärtsentwicklung der Nord/LB. Es gäbe keine lästigen Bremser mehr in der Eigentümerfamilie. Zwar lägen zwischen Ankündigung und Vollzug eines solchen Anteilskaufs mehrere Monate, es müssten Staatsverträge geändert und Landtagsbeschlüsse herbeigeführt werden.

Doch schon die kurzfristige Ankündigung der Absicht des Landes, in dieser Weise aktiv zu werden, könnte von der Bankenaufsicht als Beruhigung gewertet werden. Die Haushaltsklausurtagung der Landesregierung am Sonntag und Montag, bei der die Grundzüge für den Landesetat 2024 beschlossen werden sollen, gäbe dafür vielleicht die geeignete Kulisse. Allerdings ist es wohl unwahrscheinlich, dass das Land Niedersachsen aus seinen Steuereinnahmen diesen Anteilskauf bestreiten würde. Näher liegt der Weg über die landeseigene Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HannBG), in der die Landesbeteiligungen gehalten werden. Nützlich ist in diesem Fall auch, dass der Porsche-Börsengang im vergangenen Jahr einen ansehnlichen Betrag in die Kasse der HannBG gespült hat, spekuliert wurde damals über einen Umfang von einer Milliarde Euro. Womöglich wäre dieses Geld jetzt für die Stärkung der eigenen Landesbank gut angelegt.

Dieser Artikel erschien am 29.6.2023 in Ausgabe #119.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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