Der Autoindustrie drohen Arbeitsplatzabbau und Kurzarbeit
Die Autoindustrie in Niedersachsen schleudert nahezu ungebremst in die Krise. Das geht es einer Umfrage des Verbands Niedersachsenmetall hervor, an der sich mehr als 560 Unternehmen im Land beteiligt haben. Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt sprach am Dienstag in Hannover von einer grassierenden Unsicherheit und einer Erosion des Vertrauens in die Politik. „Die Lage ist in Teilen dramatisch und wird von Woche zu Woche problematischer. Wir sehen kein Licht am Ende des Tunnels und gehen davon aus, dass der Schrumpfungsprozess weiter geht“, sagte Schmidt.
Er forderte die Politik dazu auf, schnell zu handeln und unter anderem die Kurzarbeitergeldregelung aus der Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren pragmatisch wiedereinzuführen. Zustimmung kam dazu von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Die Unternehmen befänden sich in einem Transformationsprozess, die mit tiefen Einschnitten in den jeweiligen Betrieben verbunden sei.
Gleichzeitig gebe es eine Delle in der Automobilkonjunktur. „Wir müssen jetzt das größte Interesse daran haben, dass es Beschäftigungsbrücken gibt. Das ist eine Frage der Vernunft“, sagte Weil. Auch er sieht die Möglichkeit als sinnvoll an, die Kurzarbeitergeldregelung von 2009 in einzelnen Unternehmensbereichen möglich zu machen. Zudem sprach Weil von Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen. „Da sind in Berlin Entscheidungen fällig. Inzwischen wird auch schon wieder seit einem halben Jahr darüber geredet“, ärgerte sich Weil. Auch Schmidt fragte sich, was eigentlich noch passieren müsse, bis Botschaft und Lage im „Raumschiff Berlin-Mitte“ verstanden werde.
Die Leichtfertigkeit, mit der die Politik mit der Autobranche seit geraumer Zeit Roulette spielt, zeugt von einer erstaunlichen Gleichgültigkeit gegenüber der Branche und deren Arbeitnehmern.
„Die Krise frisst sich durch die Industrie durch“, sagte Schmidt bei der Vorstellung der Umfragezahlen aus der Metall- und Elektroindustrie. Entsprechend düster sind die Erwartungen in der Branche, wobei sich die Autoindustrie noch einmal negativ abhebt. Hier bewerten 71 Prozent der Unternehmen ihre Lage als schlecht. Zum Vergleich: Im Maschinenbau sind es 59, in der Metall- und Elektroindustrie 54 Prozent. Kein Wunder, schon im vergangenen Jahr hat die deutsche Autoindustrie 20 Prozent weniger produziert als im Vorjahr. Für 2020 gehen nun fast zwei Drittel der Unternehmen in der Autoindustrie davon aus, dass sich die Auftragslage schlecht entwickelt. Das wirkt sich auch auf Investitionen und Beschäftigung aus. Über die Hälfte der Betriebe will in diesem Jahr weniger investieren, ein Viertel sogar gar nicht. Und wenn investiert wird, dann in den allermeisten Fällen nur in den Bestand. Die Entwicklung wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus.
Die Zahl der Arbeitslosen steigt in der gesamten Metall- und Elektroindustrie wieder leicht an. Die Unternehmen gehen davon aus, dass Arbeitsplätze abgebaut werden, sie setzen verstärkt auf Kurzarbeit. Schmidt sprach von einer Kombination aus Nachfragerückgang und Strukturbruch. „Dadurch gehen viele Unternehmen den Weg der Entlassung von Mitarbeitern. 60 Prozent planen das. Das sind Werte, die wir lange nicht mehr gesehen haben“, erklärte Schmidt. „Wir gehen davon aus, dass die Autoindustrie erst am Anfang einer schweren Zeit steht. Die Zeiten, in denen aus Sorge vor dem demographischen Wandel jede Fachkraft eingestellt wurde, sind vorbei.“
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Zugleich hadert gerade die Autobranche mit der Politik. Auch das geht aus der Umfrage hervor. Fast ein Viertel der Befragten in der Autoindustrie sieht bei keiner Partei mehr wirtschaftspolitische Kompetenz. Bei den übrigen Parteien trauen den meisten noch FDP und Union die größte Kompetenz zu. Die FDP liegt bei 39, die CDU 34 Prozent. Die SPD stürzt im Vergleich zum Vorjahr von 15 auf drei Prozent ab. Bei Grünen, AfD und Linken sehen die Befragten keinerlei wirtschaftspolitische Kompetenz. „Die Leichtfertigkeit, mit der die Politik mit der Autobranche seit geraumer Zeit Roulette spielt, zeugt von einer erstaunlichen Gleichgültigkeit gegenüber der Branche und deren Arbeitnehmern“, kritisierte Schmidt. Über die Werte zur wirtschaftspolitischen Kompetenz wunderte er sich nicht, schließlich gebe es eine große Unzufriedenheit mit der Wirtschafts- und Standortpolitik.