Das werden die Minister der Großen Koalition
Zwei bekannte und acht neue Gesichter wird es im neuen Landeskabinett geben. Das Politikjournal Rundblick stellt die neuen Amtsinhaber vor.
Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD)
Der neue Kultusminister Grant Hendrik Tonne hatte die Schulpolitik bisher zwar nicht schwerpunktmäßig bearbeitet – aber als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion in der vergangenen Wahlperiode kannte er die Schwächen und Versäumnisse seiner Vorgängerin Frauke Heiligenstadt gut. In manchen internen Runden sprach er auch offen über Wege und Möglichkeiten, etwa auf den Unterrichtsausfall an den Schulen besser zu reagieren. Der 41-Jährige ist Jurist und Anwalt in einer Kanzlei, die Straf- und Bußgeldrecht betreut. Er hat einen Sohn und drei Töchter, von denen die jüngste noch nicht in der Schule ist, gilt als bekennender Frühaufsteher und lebt mit seiner Familie in Leese, einer kleinen Gemeinde im Kreis Nienburg.
Tonne hatte bisher die Aufgabe, in Landtagsdebatten der wichtigste Verteidiger der rot-grünen Regierung zu sein. Da sein Wahlkreis eine CDU-Hochburg ist und die Landesliste nicht zog, kam er am 15. Oktober nicht wieder in den Landtag, verhandelte aber die Justiz- und Innenpolitik in den Koalitionsverhandlungen – und wurde dort von der CDU-Seite als sehr kooperativ und pragmatisch wahrgenommen. Geboren ist er in Bad Oeynhausen an der Landesgrenze, aufgewachsen und geprägt im Kreis Nienburg, wo er 1996 den Jusos beitrat und im gleichen Jahr auch in der Kommunalpolitik mitwirkte, zeitweise auch als ehrenamtlicher Bürgermeister und Vize-Landrat.
Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU)
Manche beschreiben Björn Thümler als typischen Oldenburger – wie ein Fels in der Brandung, manchmal dickköpfig und oft auch sehr direkt in seiner Wortwahl. Thümler ist in seiner Heimat, der Wesermarsch, fest verwurzelt. Der Vater einer kleinen Tochter hat Politik und Geschichte in Hannover und Oldenburg studiert, wurde nach dem Magisterabschluss Geschäftsführer einer Sozialstation und danach Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten. Ehrenamtlich führte er die Geschäfte des CDU-Landesverbandes Oldenburg. Neben der Kommunalpolitik wurde von 2003 an die Landespolitik für ihn wichtig, er wurde Vize-Fraktionsvorsitzender der CDU und war von 2010 bis vor wenigen Wochen Chef der CDU-Fraktion.
Der 46-Jährige ist für seine ruhige, unaufgeregte und ausgleichende Art der Sitzungsleitung bekannt. Im Wahlkampf hatte Althusmann ihn als Schatten-Finanzminister präsentiert, kurzfristig hatte der CDU-Chef ihn jetzt aber gebeten, in diesem Amt dem in der Finanzpolitik profilierten Reinhold Hilbers den Vortritt zu lassen. Thümler, der in der evangelischen Kirche engagiert ist, legt als Wissenschaftsminister vermutlich auch großen Wert auf die Kulturpflege und -förderung.
Europaministerin Birgit Honé (SPD)
Schon seit einem Vierteljahrhundert zählt die Verwaltungsjuristin, die im Kreis Harburg aufwuchs, zur Führungsreserve der SPD. Sie startete als Geschäftsführerin der SPD im Landtag und Büroleiterin des früheren Sozialministers Walter Hiller, wechselte dann in die Staatskanzlei, wurde Regierungspräsidentin in Lüneburg und 2003, nach dem Wechsel zur CDU/FDP-Regierung, Senatsmitglied im Rechnungshof. 2013 sollte Honé eigentlich Agrarministerin werden, doch in den Koalitionsverhandlungen fiel das Ressort am Ende an die Grünen – sie wurde daher Staatssekretärin in der Staatskanzlei, zuständig für Regionalpolitik und EU-Förderung.
Diese Aufgaben werden auch künftig in ihrem Bereich bleiben. Die 57-jährige Sozialdemokratin, die schon vom früheren SPD-Spitzenkandidatin Wolfgang Jüttner 2008 als Staatskanzleichefin vorgesehen war, fällt zwar nicht als leidenschaftliche Debattenrednerin auf, wohl aber durch ihre Fähigkeit zu konzeptionellem Denken und Planen. Gerade im Bereich der Regionalpolitik werden von ihr Reformanstöße erwartet.
Justizministerin Brigitte Havliza (CDU)
Der Antrieb dafür, dass Barbara Havliza in die aktive Politik wechselt, liegt womöglich schon in einer gewissen Gewöhnung an das Schreckliche. Seit zehn Jahren ist die 59-Jährige jetzt am sechsten Strafsenat für Staatsschutz des Oberlandesgerichts Düsseldorf tätig, seit 2010 arbeitet sie dort sogar als Vorsitzende – und blickt regelmäßig in menschliche Abgründe, wenn sie mutmaßliche Terroristen vor sich hat, etwa die Mitglieder der „Düsseldorfer Terrorzelle“ oder einst den Attentäter auf die Kölner Oberbürgermeisterin.
Vor wenigen Wochen sprach sie über ein „Ausmaß an Grauen“ und darüber, als Ministerin bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen für die Justiz mitwirken zu wollen. Havliza, die in Dortmund geboren wurde und in Osnabrück lebt, war am dortigen Landgericht und als Direktorin am Amtsgericht Bersenbrück tätig, sie engagierte sich auch im Niedersächsischen Richterbund.
Innenminister Boris Pistorius (SPD)
Der alte Innenminister bleibt der neue – obwohl Boris Pistorius in den zurückliegenden Jahren der rot-grünen Koalition oft mit den Vertretern der CDU aneinandergeraten war. Kritiker hatten ihm den Hang zu Alleingängen und Schnellschüssen vorgehalten, erst jüngst wieder überraschte der 57-Jährige mit seiner Ankündigung, 500 Body-Cams für Polizisten anzuschaffen, obwohl die für deren Einsatz nötige Rechtsgrundlage noch nicht vorhanden ist. Pistorius ist Jurist, hatte vor einem Vierteljahrhundert als Büroleiter des damaligen Innenministers Gerhard Glogowski gearbeitet und wechselte dann in seine Heimatstadt Osnabrück, er wurde Mitarbeiter der dortigen Landesschulbehörde. Später wurde der Sozialdemokrat, dessen Mutter schon im Landtag saß, zum Oberbürgermeister von Osnabrück gewählt – bis ihn Stephan Weil 2013 als neuen Innenminister holte.
https://twitter.com/borispistorius/status/919544756174229505
Mittlerweile gilt er als profiliertester Innenpolitiker der SPD bundesweit, und schon vor der Landtagswahl hatte der Vater zweier erwachsener Töchter erklärt, eigentlich nur das Innenressort weiterhin leiten zu wollen. Wenn er 2006 nicht OB geworden wäre, hätte er sich bei den UN beworben, erklärte Pistorius einmal – er beherrscht neben der englischen und französischen auch die russische Sprache.
Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU)
Es ist der Traumjob, der nun auf Reinhold Hilbers zukommt. Der 53-jährige Katholik, Vater von vier noch schulpflichtigen Kindern, hat nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert, dann die Fachhochschulreife erlangt und Betriebswirtschaft studiert. Er war danach Kundenberater bei der Volksbank in Lingen und Verwaltungsleiter der Lebenshilfe in Nordhorn. Der Katholik Hilbers ist im Emsland geboren und jetzt in der benachbarten Grafschaft Bentheim zuhause.
In der CDU-Landtagsfraktion gilt er, der schon seit vielen Jahren den Finanzbereich betreut, als einer der fleißigsten Abgeordneten, der regelmäßig auch für kleinere Anlässe den großen Aufwand auf sich genommen hat, aus seiner 200 Kilometer entfernten Heimat in die Landeshauptstadt zu kommen. Wenn er sich etwa im Landtag richtig in Rage redet, spricht er sehr schnell, sodass ihm nur wenige noch folgen können. Aber Hilbers, der auch Vize-Landesvorsitzender der CDU ist, hat den Ruf, ein eifriger und engagierter Politiker zu sein, der sich in der Finanzpolitik gut auskennt.
Sozialministerin Carola Reimann (SPD)
Über einen Wechsel der Braunschweiger Bundestagsabgeordneten Carola Reimann in die Landespolitik ist in den zurückliegenden Jahren immer wieder mal spekuliert worden. Jetzt geschieht es tatsächlich. Die 50-jährige promovierte Biologin, die an der TU Braunschweig studiert hatte und seit dieser Zeit in der Stadt wohnt, ist seit vielen Jahren eine profilierte Gesundheitspolitikerin im Bundestag. Vor 30 Jahren trat sie der SPD bei, engagierte sich dann in den neunziger Jahren bei den Jusos in Braunschweig und war von 2002 bis 2011 auch Vorsitzende des SPD-Unterbezirks. Während die bisherige Sozialministerin Cornelia Rundt vor allem von der Arbeit für die Wohlfahrtsverbände geprägt war, dürfte sich mit Reimann der Schwerpunkt in Richtung Gesundheitspolitik verlagern.
Für das Vorhaben der neuen Koalition, die Investitionen in den Kliniken erheblich zu verbessern und die Krankenhausstruktur auf den Prüfstand zu stellen, kann das eine große Chance sein. Reimann, die unverheiratet ist, war bei der Bundestagswahl 2009 die Schattenministerin des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier für Hochschule und Forschung. Nun opfert sie für Hannover eine wichtige Position in Berlin, denn seit 2013 war sie eine der Vize-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. Reimann vertritt den SPD-Bezirk Braunschweig im Kabinett, dem personell wahrscheinlich ein Umbruch bevorsteht.
Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU)
Als Barbara Otte-Kinast im August als erstes Mitglied für das Kompetenzteam von Bernd Althusmann präsentiert wurde, fragten viele noch: Barbara wer? Doch die 53-Jährige Vorsitzende des niedersächsischen Landfrauenverbandes, die gemeinsam mit ihrem Mann in Beber bei Bad Münder einen Milchvieh-, Ackerbau- und Biogasbetrieb leitet, gewann in den Wochen danach stark an Profil. Die Frau, die ihre politischen Aktivitäten bisher auf die Gemeinde- und Kreisebene beschränkt hatte, wirkte kompetent, sympathisch und streitbar. Wohl auch deshalb hat die CDU-Spitze Überlegungen, vielleicht jemand anders an ihrer Stelle für das wichtige Landwirtschaftsministerium auszuwählen, wieder fallen lassen.
Barbara Otte-Kinast hat drei Kinder, stammt aus Wolfsburg, wo sie auch aufgewachsen ist – und kann daher auch die Aufgabe bekommen, die sonst bei der Verteilung wichtiger Positionen leer ausgegangene Braunschweiger CDU zu betreuen. Dabei gehört sie, als Mitglied des Kreistages Hameln-Pyrmont, eigentlich zum Bezirksverband Hannover.
Umweltminister Olaf Lies (SPD)
Der neue Umweltminister Olaf Lies war selbst mal Vorsitzender der niedersächsischen SPD, er folgte 2010 in diesem Amt auf den Ostfriesen Garrelt Duin. Ein Jahr später kündigte der Elektrotechniker und ehemalige Mitarbeiter der Fachhochschule Wilhelmshaven an, die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2013 anzustreben. Es kam zum Mitgliederentscheid zwischen ihm und Stephan Weil, den Weil damals mit 53,3 gegen 46,1 Prozent gewann. Nach der Wahl wurde der mit seiner Familie im friesischen Sande lebende Lies neuer Wirtschaftsminister – und er gilt in diesem Amt als ausgesprochen kommunikativ und umgänglich, parteiübergreifend genießt er einen guten Ruf im Landtag. Als in diesem Jahr die Vergabeaffäre um dubiose Aufträge in seinem Ministerium öffentlich wurde und die Staatssekretärin und der Pressesprecher gehen mussten, hat das den Minister nicht wirklich geschwächt.
Trotzdem muss er jetzt mit dem Wechsel ins Umweltministerium, das vom Sozialministerium die Zuständigkeit für Städtebau und Wohnraumförderung erhält (aber nicht vom Finanzministerium die Staatshochbauverwaltung), umschalten: Bisher hatte Lies Pläne des Umweltministeriums zu Unterschutzstellungen etwa an der Elbmündung scharf kritisiert, künftig wird er diese wohl mitverantworten müssen.
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU)
Lange war spekuliert worden, welches Ministerium Bernd Althusmann wohl übernehmen würde – und er hat sich dann für das Wirtschaftsressort entschieden. Die Zuständigkeit für Verkehr bleibt erhalten, als Mammut-Aufgabe kommt aber noch die Digitalisierung hinzu, das entsprechende Sondervermögen für diesen Bereich von 500 Millionen Euro wird bei ihm angesiedelt. Auch der Sonder-Staatssekretär für Digitales, der vereinbart wurde, wird im Ressort von Althusmann ansässig werden. Der 50-Jährige hat Pädagogik und Betriebswirtschaft studiert, kam 1994 erstmals in den Landtag und gewann Profil zwischen 2003 und 2009 als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion an der Seite des Vorsitzenden David McAllister. Dann wurde er in einer für die Kultusministerin schwierigen Zeit 2009 zum Kultus-Staatssekretär berufen, ein Jahr später dann zum Kultusminister.
https://soundcloud.com/user-385595761/weil-althusmann-so-liefen-die-groko-verhandlungen
2013 verpasste er den Wiedereinzug in den Landtag, ging für die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Namibia. Im vergangenen Jahr dann kehrte er zurück, wurde Landesvorsitzender der CDU und dann Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Althusmann kennt alle Details und Akteure der Landespolitik, gleichwohl gilt er – ebenso wie Stephan Weil bei der SPD – nicht als jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt. Beide Politiker haben eher den Ruf, viele wichtige Entscheidungen nur mit sich selbst – oder wie jetzt miteinander – auszumachen.