„Das neue Modell der Grundsteuer muss einfach sein und darf Gemeinden nicht überfordern“
Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB), blickt erwartungsvoll auf das neue Jahr: Er wünscht sich neue Regeln für den Bau von Windkraftanlagen, eine bessere finanzielle Ausstattung der Kindergärten und eine Krankenhausplanung mit Augenmaß. Die Vorschläge des Bundes für den Umgang mit den Altschulden der Städte sieht er kritisch. Trips äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.
Rundblick: Welches sind die wichtigsten Anliegen, die Sie vom Land 2020 erwarten?
Trips: Da gibt es mehreres. Beginnen wir mit der Grundsteuer: Hier sollte die Landesregierung schnell Klarheit schaffen, was sie möchte. Der Finanzminister hat offenbar ein Modell im Kopf, das die Gebiete der Gemeinde in bis zu sieben verschiedene Lagen einstuft – von hervorragend bis schlecht. Wenn die Gemeinden nachher gezwungen werden sollten, in ihren Flächen solche Lagen einzuteilen, wären sie damit überfordert. Es drohen dann auch heftige Konflikte. Auch müssen die Auswirkungen eines neuen niedersächsischen Modells im Finanzausgleich sorgfältig geprüft werden. Weiter: Bei der EU-Förderung gibt es Anzeichen, dass die Gebiete der „Integrierten ländlichen Entwicklung“ womöglich aus dem ELER-Programm nicht mehr unterstützt werden. Diese bewährte Förderkulisse muss das Land erhalten. Und dann gibt es noch den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschulbetreuung, den der Bund bis 2025 durchsetzen will. Bisher ist die Finanzierung noch unklar – und wir wollen nicht, dass die Kommunen am Ende auf den Kosten sitzen bleiben. Viele Themen also.
Man müsste genau klären, wer noch zu den Betroffenen gehört und wer nicht mehr, und das kann nur eine Quelle von Streit sein.
Rundblick: Ein großes Thema ist auch die Förderung der Windenergie. In vielen Kommunen gibt es große Vorbehalte gegen den Bau neuer Anlagen – andererseits kommt die angestrebte Energiewende, die auch für den Klimaschutz unerlässlich ist, ohne mehr Windkraft nicht voran. Was soll man tun?
Trips: Der NSGB fordert den Weg, den auch Brandenburg eingeschlagen hat: Für jedes neue Windrad, das im Gebiet der Gemeinde gebaut wird, erhält die betroffene Gemeinde vom Betreiber eine „Wertschöpfungsabgabe“, beispielsweise mindestens 10.000 Euro im Jahr. Ein solcher Weg kann zwar die radikalen Windkraftgegner nicht befrieden, aber viele andere, die bisher nicht erkennen, welchen Vorteil sie und ihre Gemeinde von den neuen Anlagen hat, wenn der vor Ort produzierte Strom doch größtenteils woanders benötigt wird. Mit den Einnahmen könnte die Gemeinde ihre Aufgaben besser erfüllen – und die Akzeptanz in den Räten und in der Bürgerschaft insgesamt würde steigen. Das ist allemal besser als das „Windbürgergeld“, das der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch unlängst vorgeschlagen hat. Denn was hieße es, die „direkt Betroffenen“ mit Geldzahlungen für ihre Toleranz der neuen Windräder zu belohnen? Man müsste genau klären, wer noch zu den Betroffenen gehört und wer nicht mehr, und das kann nur eine Quelle von Streit sein. Außerdem werden andere Schlange stehen, beispielsweise Anwohner von Kraftwerken, lauten Straßen oder Fabriken. Da wäre es doch besser, die Gemeinde und damit die in diesen Gemeinden lebenden Bürger insgesamt von neuen Planungen profitieren zu lassen.
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Rundblick: Zur medizinischen Versorgung tagt derzeit eine Enquete-Kommission. Bisher wurden Sie immer als diejenigen wahrgenommen, die an der Struktur der Krankenhäuser, wir haben 172 in Niedersachsen, möglichst nichts ändern wollen. Stimmt dieser Eindruck?
Trips: Das trifft es nicht. Wir pochen auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages, der eine flächendeckende und gut erreichbare Krankenhausversorgung vorsieht. Diese Aussage muss Handlungsmaxime bei Strukturveränderungen sein. Was wir befürchten, ist eine Verschiebung der Verantwortung. Wenn Krankenhäuser geschlossen werden und sich das Land zurückzieht, dürfen es nicht am Ende die Kommunen sein, die den Aufbau von lokalen Gesundheitszentren bezahlen müssen. Es geht hier eben nicht allein und nicht vorrangig um die Wirtschaftlichkeit, sondern um die Versorgungssicherheit: Die Menschen müssen in Notfällen auf kurzem Weg eine Krankenstation erreichen können, in der auch Operationen stattfinden. Sicher ist es richtig, dass Spezialoperationen nicht zwingend wohnortnah angeboten werden müssen – aber darum geht es auch gar nicht. Gern sind wir bereit, darüber zu reden, was genau in den Krankenhäusern gemacht werden soll, welche Angebote zwingend sind und welche nicht. Aber klar muss sein: Das Land, die Kassen und die Kassenärztliche Vereinigung für die Hausarztversorgung sind in der Pflicht, Angebote sicherzustellen. Manchmal habe ich den Eindruck, wir reden nur noch über Krankenhausschließungen, anstatt uns mit der wichtigen Frage der nötigen Versorgung zu befassen. Gut finde ich, dass sich auch unser Ministerpräsident in diesem Sinne positioniert hat.
Die Menschen müssen in Notfällen auf kurzem Weg eine Krankenstation erreichen können, in der auch Operationen stattfinden.
Rundblick: Noch einmal zum Geld: Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant, den unter besonders hohen Kassenkrediten leidenden Städten die Altschulden abzunehmen. Ist das eine gute Idee?
Trips: Kommunale Solidarität gibt es, klar. Aber eine zu starke Ungleichbehandlung wäre verkehrt. In Niedersachsen und auch in Hessen haben die Landesregierungen schon vor längerer Zeit begonnen, den Kommunen die Altschulen abzunehmen. In Niedersachsen leisten das Land und die kommunale Familie nun das Abtragen von Zinsen und Tilgung in Höhe von jeweils 35 Millionen Euro jährlich. Sollte der Scholz-Vorschlag zum Tragen kommen, wäre es nur recht und billig, wenn der Bund auch Zins- und Tilgungsleistung des niedersächsischen „Zukunftsvertrages“ übernehmen würde. Bisher profitieren in dem Scholz-Modell vor allem Großstädte in NRW, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Die Frage ist, ob der Bund bereit ist, daraus ein bundesweites Investitionsprogramm für Kommunen zu machen – oder ob der Topf, den der Bund bereitstellen würde, dafür nicht zu klein sein wird. Aber das muss der Bund beantworten.
Rundblick: Im öffentlichen Fokus steht derzeit auch der Klimaschutz. Ein Thema für die Städte und Gemeinden?
Trips: Ja, ein wichtiges Thema. Derzeit plant das Land neben seinem Klimaschutzgesetz ein Maßnahmenprogramm für die kommunale Ebene. Wir freuen uns, dass wir hier sehr intensiv in die Abstimmung mit dem Umweltministerium einbezogen sind. Ich gehe davon aus, dass uns der Klimaschutz und die Nachhaltigkeit in den nächsten Jahrzehnten massiv beschäftigen werden. Wir planen ein eigenes Projekt, um in unseren Städten und Gemeinden zu schauen, was wir vor Ort für die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz tun können.
Es gibt einige Kommunen, die wirklich erhebliche Einbußen durch die Beitragsfreiheit hinnehmen müssen.
Rundblick: Zum Abschluss: Die Beitragsfreiheit für Kindergärten ist umgesetzt, der von den Kommunen erstrittene Härtefallfonds läuft. Ist jetzt alles gut?
Trips: Der Härtefallfonds ist zunächst einmal im ersten Jahr überzeichnet. Er ist jedoch nur eine Übergangsregel. Die Frage wird sein, ob die Städte und Gemeinden die am Ende auf 58 Prozent erhöhten Personalkostenförderung vom Land hinkommen. Das versuchen derzeit alle Beteiligten zu fassen. Fakt ist jedoch: Es gibt einige Kommunen, die wirklich erhebliche Einbußen durch die Beitragsfreiheit hinnehmen müssen. Und da trifft es ausgerechnet die Kommunen, die mit den Elternbeiträgen einen wichtigen Teil zur Finanzierung ihres Haushalts erbracht haben. Unbestritten ist jedoch ein nach wie vor hoher Finanzbedarf in der investiven Krippen- und Kindergartenförderung und ein immer schärfer werdender Personalmangel. Hier weise ich immer wieder auf die kommunale Forderung nach einer dualen Erzieherausbildung hin.