15. Dez. 2019 · 
Soziales

Das Interesse an der Pflegehelfer-Ausbildung sinkt

Von Martin Brüning Sie sind im Pflegealltag unverzichtbar. Sie waschen Bewohner von Pflegeheimen, helfen ihnen beim Essen, dürfen teilweise auch Blut abnehmen und Medikamente verabreichen. Über 20.000 Pflegeassistenten arbeiten in niedersächsischen Heimen und Pflegediensten. Aber während die Zahl derjenigen, die sich in den vergangenen Jahren zur Pflegefachkraft haben ausbilden lassen, leicht gestiegen ist, geht die Zahl der Pflegeassistenzausbildungen nahezu kontinuierlich zurück. Das geht aus der Antwort des Sozialministeriums auf eine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Stephan Bothe hervor. Demnach gab es vor fünf Jahren noch mehr als 3000 Pflegeassistenz-Auszubildenden, im vergangenen Jahr lag deren Zahl nur noch bei 2544. [caption id="attachment_15448" align="alignnone" width="780"] Für CDA-Chef Max Matthiesen sind mehr Pflegehelfer ein Schlüssel für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege insgesamt - Foto: CDU-Fraktion Nds.[/caption] Max Matthiesen, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft in Niedersachsen (CDA), hält das aus gleich zwei Gründen für eine äußerst schlechte Entwicklung. Zum einen schaffe man es an der Stelle, zum Beispiel junge Menschen mit Hauptschulabschluss in den Pflegeberuf zu führen. Sie hätten dann im Anschluss die Möglichkeit, sich zur Fachkraft ausbilden zu lassen. Zum anderen seien genügend Pflegehelfer ein wichtiger Schlüssel für die Arbeitsbedingungen in der Pflege insgesamt. Der Beruf sei mit den vielen Schichtdiensten und der Arbeit am Wochenende belastend. „Hier können Pflegehelfer ein wichtiger Faktor sein, die Arbeit in der Pflege zu erleichtern. Dafür muss es aber auch genügend von ihnen geben“, sagt Matthiesen im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick, der darauf verweist, das 80 Prozent aller Tätigkeiten in der Pflege von Pflegeassistenten erfüllt werden könnten. Vielen Abteilungen stehe bei der Personalausstattung das Wasser bis zum Hals. Durch mehr Personal werde der Pflegeberuf insgesamt attraktiver. „Man muss jetzt keine super Papiere schreiben, sondern an den Stellen anpacken,  an denen man konkret Arbeitsbedingungen verbessern kann.“ Die Einstellung von mehr Pflegeassistenten gehöre dazu.

"Die Pflege darf nicht von der übrigen Wirtschaft abgehängt werden"

"Wenn frei ist, dann muss auch frei sein": Franz Loth, Caritas-Direktor in der Diözese Osnabrück, mahnt im Rundblick-Podcast faire Arbeitsbedingungen in der Pflege an. Außerdem hat er eine klare Meinung zur überbordenden Bürokratie in der Pflege. "Die Bürokratie ist ein weiterer Beitrag zur Demotivation der Pflegekräfte", sagt Loth im Gespräch mit Martin Brüning. https://soundcloud.com/user-59368422/caritas-chef-die-pflege-darf-nicht-von-der-ubrigen-wirtschaft-abgehangt-werden Podcast hier auf spotify oder auf Apple Podcasts hören.
Der CDA-Landesvorsitzende räumt ein, dass die Assistenten als nicht examinierte Pflegekräfte bei den Berufsverbänden umstritten seien. Und in der Tat schauen Gewerkschaften und Pflegekammer argwöhnisch auf die 50 Prozent-Quote für Pflegeeinrichtungen, die vorschreibt, dass jeder zweite Beschäftigte eine Fachkraft sein muss. Mit der Quote soll unterbunden werden, dass Heime und Pflegedienste die Personallücken nur noch mit günstigeren Pflegehelfern auffüllen. Die Pflegekammer befürchtet allerdings, dass das Land die Quote mit einer Verordnung durch die Hintertür aufweicht. Durch die Anrechnung von Sozialarbeitern oder Physiotherapeuten auf die Fachkraftquote steige der Anteil der Fachkräfte auf dem Papier, wodurch mehr Pflegeassistenten eingestellt werden könnten. Eine Logopädin sei aber nun einmal keine Pflegefachkraft, heißt es bei der Kammer, für die in der Pflege ein Mindestmaß an vollständig ausgebildeten Fachpersonen nötig ist.

Für die AfD gehört der Pflegeschlüssel auf den Prüfstand

Aber wie sinnvoll ist die starre 50 Prozent-Quote eigentlich noch? Der AfD-Sozialpolitiker Stephan Bothe ruft im Rundblick-Gespräch dazu auf, den Pflegeschlüssel auf den Prüfstand zu stellen. „Je mehr Helfer eingestellt werden, desto mehr Fachpersonal muss eingestellt werden, was auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht zu bekommen ist.“ Seiner Meinung nach sollte der Bedarf an Pflegepersonal pro Patient beziehungsweise Bewohner überhaupt erst einmal fachgerecht ermittelt werden. „Die aktuellen Pflegeschlüssel sind willkürlich festgelegt und mit keinerlei pflegewissenschaftlicher Expertise unterlegt“, meint Bothe. https://www.youtube.com/watch?v=jbTvt3v_plE&t=6s Der Pflegefachbedarf müsse erst einmal wissenschaftlich festgestellt werden, um daraus dann eine gesetzliche Untergrenze von Pflegefachpersonal abzuleiten. Bothe hält Verbesserungen in der Pflegequalität für möglich, wenn pflegefremde Tätigkeiten dauerhaft und konsequent von Helfern übernommen werden und die Fachkräfte dadurch mehr Zeit für die Patienten gewönnen. Pflegefachkraft oder Pfleghelfer? In der Frage geht es nicht zuletzt auch um viel Geld. Bei den Fachkräften könne man aufgrund deren Knappheit auf dem Markt, ob mit oder ohne Tarifvertrag, inzwischen nicht mehr zu wenig Gehalt bezahlen, erklärte Franz Loth, Caritas-Direktor in der Diözese Osnabrück, kürzlich im Rundblick-Interview. Bei den unterstützenden Prozessen, also zum Beispiel Pflegehilfskräften oder den Raumpflegern, nutzen einige aber noch den möglichen Spielraum. „Da wissen wir durch Einsicht in verschlüsselte Lohnabrechnungen, dass man in Teilen um 25 bis 30 Prozent unter den üblichen Margen liegen kann“, erklärte Loth.
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Für ihn ist diese Frage „hochgradig eine Politikum“. Man müsse die Pflege als Gesamtkomplex sehen, wenn man über allgemeinverbindliche Tarifverträge spreche. „Menschen sollten gleichwertig und gleichberechtigt behandelt werden.“ Auch der CDA-Vorsitzende Max Matthiesen meint, es sei wichtig, dass der Tarifvertrag Soziales nun endlich auch einmal komme. Die faire Bezahlung sei ein wichtiger Punkt, bessere Bedingungen im Arbeitsalltag aber seien mindestens genauso wichtig.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #223.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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