In seinem Landkreis gibt es derzeit drei Krankenhäuser, berichtet Uwe Schwarz, SPD-Landtagsabgeordneter aus Südniedersachsen. Eines steht in Einbeck, das nächste in Northeim und das dritte in Bad Gandersheim. Wie die Lage in der Zukunft sein wird, kann sich Schwarz nach eigenen Worten schon ausmalen – eine Klinik gehöre zur Grundversorgung, die nächste werde geschlossen und die dritte könne vielleicht noch als Pflegeheim überleben. „Eines aber möchte ich sicher nicht – derjenige sein, der die Entscheidung trifft, welches Haus bestehen bleibt und welches nicht.“

Das wird Schwarz auch nicht müssen, denn im Herbst endet seine Zeit als Abgeordneter. Bevor er geht, hat er jedoch, gemeinsam mit den Kollegen der anderen Parteien, ein fortschrittliches „Krankenhausgesetz“ hinterlassen. Dieses schreibt nun zwar nicht vor, welche der gegenwärtig 168 niedersächsischen Kliniken bestehen bleiben kann und welche nicht, aber es gibt dem Land immerhin ein paar Steuerungsmöglichkeiten für die Reform. Bisher war das nicht so. Schwarz erinnert sich: „Immer wieder sind kleine Krankenhäuser in Schwierigkeiten gekommen. Dann haben sich die Betreiber auf die Hinterbeine gestellt und die Politik mobilisiert, es wurden private Investoren für Quer-Subventionen gesucht – oder Nischen für Spezialversorgungen definiert.“ Oft genug habe sich ein Prozess über viele Jahre hingezogen, währenddessen die Leistungen in der Klinik sich immer weiter ausdünnten und oft nur eine Hülle übrig blieb, das Personal war schon abgeworben. Das Land konnte dem bisher oft nur tatenlos zusehen, denn die Herausnahme einer Klinik aus dem Krankenhausplan war faktisch unmöglich. Das wird mit dem neuen Gesetz jetzt anders, das Land muss dem Siechtum kleiner Kliniken nicht mehr tatenlos zusehen.
In einer Fach-Diskussion der „Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen“ (ASG) wurde das neue, seit wenigen Wochen geltende Krankenhausgesetz jetzt kritisch beleuchtet. Das Regelwerk sieht zunächst einmal vor, Niedersachsen in acht Gesundheitsregionen zu unterteilen. In jeder dieser Einheiten soll es mindestens einen „Maximalversorger“ geben – also etwa die MHH in Hannover oder das neue Zentralkrankenhaus Georgsheil in Ostfriesland. Darunter ist die Ebene der „Schwerpunktversorger“, das sind die mittelgroßen Krankenhäuser. Auch von diesen soll je Gesundheitsregion mindestens eines existieren. Alle übrigen Kliniken, und das werden die mit Abstand meisten sein, können dann als „Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung“ bestehen bleiben – oder eben auch nicht.

"Ich rechne damit, dass auf dem Weg dahin mehrere Krankenhäuser von sich aus fusionieren werden.“
Uwe Schwarz
Hier beginnt jetzt eine spannende Planungsphase, denn einerseits legt das Land im neuen Gesetz Mindeststandards an, was für jede Stufe, also für Maximal-, Schwerpunktkliniken und Grundversorger, mindestens angeboten werden muss. Andererseits werden nicht alle kleinen Kliniken diese Mindeststandards erfüllen können. „Ich rechne damit, dass auf dem Weg dahin mehrere Krankenhäuser von sich aus fusionieren werden“, schätzt Schwarz. Neu ist das nicht, in den vergangenen 40 Jahren sind immerhin 70 Kliniken vom Markt verschwunden. Nur: Das neue Gesetz soll diesen Prozess nicht allein den Marktkräften überlassen, sondern steuern. So soll vermieden werden, dass in einer Region alle Kliniken sterben, während sich in einer anderen zu viele kleine Häuser über Wasser halten können. „Weiße Flecken in der Gesundheitsversorgung dürfen auf keinen Fall entstehen“, betont Heiger Scholz, als Staatssekretär im Sozialministerium einer der maßgeblichen Leute für die Krankenhausplanung.
Soweit nun die Theorie, doch die Praxis ist schwierig. Gegenwärtig stehen rund zehn Kliniken auf der Kippe, berichtet Sabine Nowack-Schwonbeck von der AOK Niedersachsen – drei in Ostfriesland, drei im Raum Diepholz (Sulingen, Twistringen, Bassum), zwei im Raum Walsrode und drei im Osnabrücker Raum. Das gehe mal mehr und mal weniger geordnet voran. Die SPD-Landtagskandidatin Andrea Prell aus dem Leinebergland, die als Pflegerin arbeitet, wünscht sich entschlossene Ansagen der Politik. Bei ihr zuhause gibt es die Kliniken in Alfeld und Gronau, beide würden auf Dauer nicht parallel bestehen können. „Das müssen wir auch so sagen“, betont Prell.

"Die Leute wollen ihr Krankenhaus vor Ort erhalten. Sie wollen nicht hingehen, aber sie wollen es behalten."
Heiger Scholz
Sozial-Staatssekretär Scholz widerspricht: Es sei erwiesen, dass beispielsweise bei Schlaganfällen die Überlebenschance in einem größeren, routinierten Krankenhaus um 40 Prozent höher sei als in einer kleinen Klinik, in die Ärzte nur wenige solcher Fälle behandeln. „Trotzdem wollen die Leute ihr Krankenhaus vor Ort erhalten. Sie wollen nicht hingehen, aber sie wollen es behalten – allein aus dem Gefühl der Sicherheit, in Notfällen um die Ecke aufgefangen werden zu können.“ Das führe dann zuweilen zu absurden Situationen. In Brake und Nordenham gebe es je eine Klinik, eine der beiden werde gerade noch von 40 Prozent der Menschen aus der Region angesteuert – und trotzdem wollten die Kommunalpolitiker verbissen an dem Haus festhalten. „Im Stadtrat von Nordenham wäre ich fast verprügelt worden“, berichtet Scholz.
Allerdings sieht das neue Krankenhausgesetz nun eine – zugegeben ehrgeizige – Auffanglösung für jene Krankenhäuser vor, die womöglich durch das Rost fallen und zu schwach sind für den Status als „Grundversorger“. Sie sollen ein „Regionales Gesundheitszentrum“ (RGZ) werden dürfen. Das Problem ist nur, dass hier Neuland betreten wird und im komplizierten System der Abrechnungen stationäre und ambulante Angebote miteinander verwoben werden sollen. „Das ist eine gute Idee – aber wer wird denn dort am Ende arbeiten?“, fragt sich Prof. Frank Lammert, MHH-Vizepräsident. Sabine Nowack-Schwonbeck von der AOK beschreibt das Modell so: Im aufgelösten Krankenhaus sollen sich ein paar Haus- und Fachärzte niederlassen, es soll dort wenige Betten geben, damit Patienten nach einer ambulanten OP auch mal für ein paar Tage dort bleiben können. Über Tele-Medizin soll gewährleistet werden, dass jederzeit medizinischer Rat von einem Arzt in einem fernen Krankenhaus hinzugezogen werden kann.
Schwarz nennt diese RGZ „Mini-Krankenhäuser“ und formuliert damit eine strategische Erwartung – dass nämlich der Krankenhaus-Planungsausschuss solche Einrichtungen unterstützt und eine Kassen-Finanzierung dafür ebnen kann. „Das kann aber sehr schnell kritisch werden, wenn nicht genug Personal da ist“, meint Lammert. „Da es um einen Ausweg aus zuvor aufgelösten Kliniken geht, dürfte zunächst genügend Personal da sein“, widerspricht Schwarz.
Wie schwer ein solcher Weg sein kann, wird in der Diskussion der SPD-Gesundheitspolitiker dann auch noch deutlich. Erwähnt wird der Fall des Kreiskrankenhauses Springe in der Region Hannover. Das wurde geschlossen, zumal das Klinikum der Region hoch verschuldet war und eine Strukturreform unausweichlich erschien. Im Springer Krankenhaus selbst entstand der Wunsch, daraus ein Ärztehaus zu formen. „Doch dann weigerten sich die niedergelassenen Ärzte in der Region, dort mitzumachen – und eine angebotene Notfallambulanz zeigte, wie gering tatsächlich die Nachfrage war. Das ist ja auch kein Wunder, da zwei gute Krankenhäuser in Gehrden und Hameln nicht weit entfernt liegen“, erläutert Sabine Nowack-Schwonbeck von der AOK. Das Ergebnis war: Das gewünschte Gesundheitszentrum kam nicht zustande.