Darum geht es: Am 6. September beginnen die Verhandlungen für den Tarifvertrag der Diakonie in Niedersachsen. Die Gewerkschaft Ver.di hat am Mittwoch ihre Forderungen präsentiert. Ein Kommentar von Martin Brüning:

Sechs Prozent mehr Gehalt, ein deutlich höherer Nachtzuschlag, 80 Euro mehr für Auszubildende. Das fordert Ver.di für die mehr als 32.000 Diakonie-Beschäftigten in Niedersachsen. Ist das zu viel, ist das zu wenig? Wo früher noch eine klare Trennung in schwarz und weiß, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie in zu hoch und zu niedrig stattfand, sind diese klaren Grenzen heute nicht mehr so deutlich auszumachen.

Einige Zitate von Ver.di-Verhandlungsführerin Annette Klausing könnte man auch der Arbeitgeberseite zuordnen: „Wir wollen eine attraktive Entgeltstruktur, die junge Leute anzieht und sie dann auch zum Bleiben bewegt“, sagte Klausing. Genau darum geht es: Die Diakonie befindet sich nicht vor einem Tarifkampf mit der Gewerkschaft, sondern inmitten eines heftigen Wettbewerbs um die wenigen Fachkräfte. Allein in der Altenpflege fehlen in Niedersachsen in den kommenden vier Jahren rund 6500 von ihnen.

Dabei muss die Diakonie nicht mehr nur im Kampf gegen die private Konkurrenz bestehen. Auch hier gilt das Schwarz-Weiß-Schema nicht mehr. Viele Privaten zahlen inzwischen nicht weniger. Auch sie suchen händeringend nach Fachkräften und versuchen, mit intelligenten Zulagensystemen den Beruf finanziell interessant zu machen. Das wird voraussichtlich dazu führen, dass auch bei den anstehenden Tarifverhandlungen der Fokus auf die Zulagen der Diakonie gerichtet werden könnte. Es geht eben nicht mehr nur um die Prozentzahl beim Grundgehalt.

Zum Wettbewerb mit den privaten Anbieten kommt noch die Kannibalisierung innerhalb der Pflegeberufe hinzu. Wenn, wie kürzlich zu lesen, der Krankenpfleger pro Jahr 6000 Euro brutto mehr verdient als der Altenpfleger, haben die Unternehmen in der Altenpflege oft das Nachsehen.

Auch die Politik ist in der Pflicht. Die geplante Zusammenlegung bei der Ausbildung zum Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger könnte die Probleme in der Altenpflege sogar noch vergrößern.

Und die geplante Pflegekammer wird wohl vor allem Geld kosten statt mehr Fachkräfte bringen. Das Geld könnte man gerade in der Pflege gut gebrauchen, nicht nur in der Diakonie. Nötig wären stattdessen bessere und unkomplizierte Aufstiegsmöglichkeiten für Pflegehelfer und weniger Bürokratie.

Mehr Geld und attraktive Zulagen könnten aber schon einmal ein wichtiger Schlüssel für mehr Attraktivität der betroffenen Berufe in der Diakonie sein. Vielleicht fragt hier ja der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen zum ersten Mal: „Darf‘s ein bisschen mehr sein?“

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