Innenministerin Daniela Behrens hält die Kriminalität, die unter dem Begriff „Cybercrime“ zusammengefasst wird, für eine „ernsthafte Gefahr“. 2022 habe die Polizei in Niedersachsen 12.197 solcher Fälle registriert, das sei ein Zuwachs von 45 Prozent in den vergangenen fünf Jahren gewesen. Lediglich 19,5 Prozent dieser computerbezogenen Straftaten seien aber tatsächlich angezeigt worden. Als weiteres Problem komme hinzu, dass die polizeiliche Kriminalstatistik große Teile dieses Bereichs gar nicht abbilden kann – da sie am Tatortprinzip orientiert ist. Die Täter bei Cybercrime würden aber größtenteils aus dem Ausland agieren.

Daniela Behrens und Axel Brockmann stellen das aktuelle Lagebild zur Cyberkriminalität in Niedersachsen vor. | Foto: Wallbaum

Mehrere Erscheinungsformen von Cybercrime werden auffälliger:

Schadprogramme: Beobachtet wird der Angriff von Schadsoftware auf IT-Systeme von Firmen, Kommunen und Behörden. Oft geschieht dies, indem der Empfänger einen Mail-Anhang öffnet, die Viren in die IT-Systeme gelangen und dort den Zugriff auf Daten blockieren. Die Täter melden sich dann bei den Behörden und stellen Lösegeldforderungen. Oft wird das mit Erpressung verknüpft – nämlich mit der Drohung, interne Daten zu veröffentlichen, falls das Opfer auf die Lösegeldforderung nicht eingehen sollte. Vor vier Jahren war die Stadt Neustadt am Rübenberge betroffen, ebenso berichtet die Polizei von landesweit 55 Unternehmen, die bereits angegriffen worden waren. Ermittlungsgruppen des Landeskriminalamtes gelingt es zuweilen, zu den Verursacher-Systemen vorzudringen und diese Verursacher abzuschalten.

Die Täter dingfest zu machen, klappt indes weniger. Nach Mitteilung der Polizei agieren die Täter wie große Unternehmen, die solche Erpressungen wie ein Geschäftsmodell nutzen. Beobachtet wird zudem, dass mehrere osteuropäische Gruppen aktiv sind und behaupteten, sie würden prorussisch agieren, also politische Ziele verfolgen. Da die Kooperation mit russischen Behörden gerade nicht möglich sei, könne man diesem Verdacht nur begrenzt nachgehen.

Online-Banking-Angriffe: Tätergruppen versuchen, an die Online-Konto-Daten von Bürgern zu gelangen – beispielsweise, indem sie gefälschte Mails verschicken und die Betroffenen dazu verleiten, ihre Zugangsdaten weiterzugeben. In den vergangenen Jahren habe es hier einen starken Anstieg der Fallzahlen gegeben, 2022 sei in Niedersachsen eine Schadenssumme von 13,5 Millionen Euro entstanden, es gab landesweit 2687 Fälle.

Auch andere Varianten werden immer wieder genutzt, um an Computer-Zugangsdaten von Bürgern zu kommen. Beim Öffnen des Anhangs einer – unverfänglich formulierten – Mail kann das Ausspähen aktiviert werden. Auch die Teilnahme an Internet-Spielen bietet solche Gefahren. Eine andere Form der Cyber-Kriminalität sind die sogenannten DoS-Attacken: Ein Server bombardiert ein elektronisches Auskunftssystem mit tausenden Anfragen und legt es somit lahm. Ebay und Amazon waren davon bereits betroffen.

Viermal so viel Kinderpornographie wie noch 2018

Kinderpornographie: Die Fallzahlen in Niedersachsen haben sich zwischen 2018 und 2022 um 415 Prozent gesteigert, 2022 waren es 6111 Fälle. Sowohl Innenministerin Daniela Behrens als auch Landespolizeipräsident Axel Brockmann vermuten aber nicht, dass es wesentlich mehr Taten gibt als zu früheren Zeiten. Vor allem steige die Aufklärung, und wesentlich dafür seien die Erfolge der amerikanischen Ermittler, vor allem der sogenannten NCMEC-Verfahren. Die Künstliche Intelligenz werde schon bei der Aufklärung von riesigen Mengen an Datenmaterial eingesetzt.

Behrens begrüßt Überlegungen, nicht mehr zwingend jeden Besitz und jede Weitergabe von kinderpornographischem Material als Verbrechen anzusehen und die Strafverfolgung damit zwingend vorzuschreiben. Als „Vergehen“ könne man es bewerten, wenn etwa besorgte Eltern solche Bilder, die sie auf Handys ihrer Kinder finden, an die Lehrer weitersenden. „Das würde es erleichtern, sich strafrechtlich auf die wesentlichen Taten des Kindesmissbrauchs zu konzentrieren.“ Der CDU-Innenpolitiker André Bock sagte, nötig sei die in Deutschland immer noch nicht eingesetzte Vorratsdatenspeicherung, damit man den Tätern schneller auf die Schliche kommen könne. In Niedersachsen werde zudem KI noch zu zurückhaltend bei der Aufklärung eingesetzt, man arbeite hier „immer noch mit steinzeitlichen Methoden“.