4. Mai 2020 · 
Inneres

„Corona-Gesetz“: Der Landtag soll einen „Notstand“ erklären können

In einigen Ländern wie Nordrhein-Westfalen gibt es so etwas bereits, nun will auch Niedersachsen folgen: Die Landesregierung arbeitet intern mit Hochdruck an einer Vorlage für ein sogenanntes „Corona-Gesetz“, das viele Sonderregelungen per Gesetz rechtlich verbindlich machen soll, die derzeit über Rechtsverordnungen der Landesregierung festgelegt worden sind. Eine besondere Eilbedürftigkeit gibt es nicht, denn in der aktuellen Krise sind die Zuständigkeiten und Rechtsänderungen klar definiert. Es geht vor allem um Vorbereitungen für einen nächsten Fall, womöglich eine „zweite Welle“. Die Überlegungen dafür sehen so aus: Der Landtag würde per Beschluss feststellen, dass es in Teilen Niedersachsens oder über das ganze Land erstreckt eine besondere Lage gibt – etwa wegen einer Virus-Epidemie wie gegenwärtig oder auch wegen eines Hochwassers oder einer anderen Naturkatastrophe. Eine solche Feststellung würde dann eine gesetzlich verbriefte Möglichkeit eröffnen, von bestimmten vorgeschriebenen Verfahrenswegen für die Zeit dieser Notlage abweichen zu können.
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Dafür gibt es nun mehrere Beispiele: Im Krankenhausgesetz könnten die Rechte des Landes gegenüber denen der Betreiber ausgeweitet werden. Im Baurecht könnten Beteiligungsfristen abgekürzt werden, damit etwa zügig neue Behelfskrankenhäuser errichtet und ausgewiesen werden. Im Kommunalrecht könnten Rechte der Vertretungen auf die Verwaltungsspitze übertragen werden – und es wäre möglich, bei nötigen neuen kommunalen Kreditaufnahmen die strengen Prüfungsvorgaben auszusetzen. Im Wahlrecht könnten Direktwahlen von Bürgermeistern verschoben oder ausdrücklich als reine Briefwahlen erlaubt werden. Ein großer Bereich betrifft das Katastrophenschutzrecht. Wenn ein sogenannter „Voralarm“ eingeführt wird, könnten Kreise und kreisfreie Städte auch schon vor der ausdrücklichen Feststellung eines Katastrophenfalls die ehrenamtlichen Helfer von Rettungsdiensten und Feuerwehr verpflichten (und damit die Voraussetzungen für die Entschädigung an die Arbeitgeber schaffen). Das Brandschutzgesetz müsste entsprechend ergänzt werden, damit Freistellung, Lohnfortzahlung und Haftung klar geregelt sind. Im Beamtenrecht könnten Gesundheitsüberprüfungen bei allen Neueinstellungen ausgesetzt werden, damit die Gesundheitsämter, die in Krisen wie derzeit stark gefordert sind, hier entlastet werden.

Zum Corona-Geschehen hat Sozialministerin Carola Reimann aktuelle Einschätzungen abgegeben:

Menschen meiden Krankenhäuser: Als „besorgniserregend“ schätzt Reimann ein, dass viele Menschen aus Angst vor Ansteckungen die Kliniken und auch die Hausarztpraxen meiden. Nur noch ein Viertel der Herzinfarkte, die üblicherweise in Krankenhäusern behandelt werden, fielen aktuell dort an. Vom 6. Mai an wolle man neben den planbaren Behandlungen in Kliniken auch die ambulanten Angebote wieder verstärkt zulassen. Wenn Erkrankungen verschleppt würden, weil die Betroffenen nicht zum Arzt gehen, könnten diese Leiden chronisch werden. Keine Tests bei Veterinären: Niedersachsen wirbt im Bund massiv dafür, dass auch tierärztliche Labore und Praxen die Corona-Tests bearbeiten können. Reimann sieht aber, dass sich die Bundesregierung dazu bisher noch nicht durchgerungen habe. Das sei schade, da in Niedersachsen eine gute Infrastruktur in diesem Bereich zur Verfügung stehe und aus Sicht der Landesregierung auch genutzt werden solle. Skepsis bei der App: Die Handy-App, mit der es möglich sein soll, Kontakte zu Corona-infizierten Personen bis zu zwei Wochen lang zurückzuverfolgen, sieht Reimann skeptisch. Wegen technischer Schwierigkeiten rechne sie „nicht vor dem Sommer“ mit einer möglichen Einführung. Besser sei es daher, die Gesundheitsämter mit ausreichend Personal auszustatten, die in Befragung von Infizierten versuchen, die Kontakte aufzuspüren und dann eine Quarantäne anordnen können. Streit mit Bund um Beatmungsgeräte: Reimann sagte, die Bundesregierung habe dem Land neun Beatmungsgeräte versprochen, keines davon sei bisher geliefert worden. In Osnabrück habe man eine neue Intensivstation aufbauen wollen und dafür neue Geräte bestellt – doch die Lieferung sei nicht gekommen, da der Bund die gesamte Jahresproduktion für sich beansprucht habe. „Das treibt schon seltsame Blüten“, sagte Reimann. Debatte um Pflege-Bonus: Ein einmaliger Bonus von 1500 Euro für Vollzeit-Altenpfleger ist vereinbart, Reimann erklärte, die Einbeziehung von Krankenpflegern sei bisher nicht vorgesehen. Teilzeit-Altenpfleger mit mehr als 25 Prozent Arbeitszeit sollten 1000 Euro erhalten. Die Bundesminister für Arbeit und Gesundheit verständigten sich, dass die Pflegeversicherung zwei Drittel übernimmt. Die Ministerin wirbt dafür, dass das Land das restliche Drittel finanziert. Zahlen nannte sie nicht, nach Schätzungen könnten das aber bis zu 12 Millionen Euro sein. Uwe Schwarz (SPD) regt an, man solle doch Krankenpfleger dazu bringen, in Altenheimen das Pflegepersonal zu verstärken – etwa in der Hygiene. Reimann begrüßte das und reagierte skeptisch darauf, dass manche ambulanten Pflegedienste inzwischen Kurzarbeit beantragt hätten. „Es ist doch immer von der Überlastung der Branche die Rede gewesen“, sagte sie.  Die Präsidentin der Pflegekammer warnte derweil davor, die ambulante Pflege beim Pflege-Bonus leer ausgehen zu lassen. „Man kann sich schon jetzt den Sturm vorstellen, der uns erwartet, wenn die ambulante Pflege leer ausgeht. Die Mitarbeiter gehen ohne Schutzkleidung los, gefährden die eigene Familie und bekommen am Ende nichts. Das geht nicht“, meinte Klarmann im Sozialausschuss. Millionenbeträge beantragt: Ministerin Reimann hat beantragt, aus dem geplanten Corona-Sondervermögen der Landesregierung weitere 400 Millionen Euro für Schutzkleidung und Masken zu bekommen – und 500 Millionen Euro für die Entschädigung der Eltern, die wegen der Schließung von Kindergärten und Schulen ihre Söhne und Töchter zuhause betreuen müssen. Nach Infektionsschutzgesetz haben sie Anspruch auf Verdienstausfall, wenn sie nachweislich keine andere Betreuung organisieren konnten.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #083.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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