Der starke Anstieg der Corona-Neuinfektionen in der kreisfreien Stadt Delmenhorst führt dort zu drastischen Konsequenzen. Oberbürgermeister Axel Jahnz (SPD) kündigte am Montag an, dass öffentliche Veranstaltungen in der Stadt bis auf weiteres verboten sein werden. An privaten Feiern in privaten Räumen dürfen ab sofort nur noch maximal zehn Personen teilnehmen – und die dürfen nur aus dem eigenen und maximal noch aus einem weiteren Haushalt stammen. Die gleiche Regel – maximal zehn Personen aus zwei Haushalten – gilt als Obergrenze, wenn sich Menschen im Freien, etwa in Parks oder Fußgängerzonen, treffen wollen. „Ich habe eine eindringliche Bitte an alle Bürger: Bleibt bitte zuhause!“, sagte der Leiter des Fachbereichs Soziales, Rudolf Mattern.

468 Corona-Fälle in Delmenhorst

In Delmenhorst werden aktuell 468 Fälle von Covid19-Infizierten gemeldet, 13 von ihnen werden stationär behandelt. In den vergangenen sieben Tagen hat sich diese Zahl um 162 Fälle erhöht, damit vermeldet Delmenhorst eine Inzidenz von 197 und sticht auf diese Weise bundesweit negativ hervor. Laut niedersächsischer Landesverordnung sind strengere Auflagen zur Kontaktvermeidung schon dann zwingend, wenn die Inzidenz von 50 überschritten wird. Die Stadt Delmenhorst hat 82.000 Einwohner, das Gesundheitsamt ist über Abordnungen aus anderen Teilen der Stadtverwaltung so aufgerüstet worden, dass jetzt 50 Mitarbeiter dort bereit stehen. Auch fünf Soldaten helfen dabei mit.


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Wie der Oberbürgermeister betonte, sind die Nachverfolgungen der Kontakte dann problemlos möglich, wenn die Infizierten umfassend angeben, wo sie sich in den vergangenen Tagen aufgehalten haben. Es gebe aber „einige schwarze Schafe“, die den Sinn der Überprüfungen nicht hinnehmen wollten. Sie weigerten sich beispielsweise, die nötigen Angaben über ihre Aufenthalte zu machen. „Da brauchen wir dann kriminalistischen Spürsinn, um die nötigen Hinweise zu erhalten“, betonte Jahnz und fügte hinzu: „Das darf eigentlich nicht passieren“. Der Oberbürgermeister forderte die Bevölkerung auf, größere Menschenansammlungen und Feiern, die sie in ihrer Nachbarschaft beobachten, umgehend der Stadt zu melden: „Wir geben uns schon Mühe, aber wir können nicht um jede Hausecke gehen.“

Fünf Gaststätten wurden geschlossen

Die Delmenhorster Polizei hat am Wochenende 25 Gaststätten kontrolliert, in fünf Fällen sind keine Gästelisten geführt worden, sodass dort die Nachverfolgung möglicher Infektionen nicht möglich war. „Wir haben diese Gaststätten sofort geschlossen, der Weiterbetrieb wird vermutlich untersagt werden“, sagte der Einsatzleiter der Polizeiinspektion, Carsten Hoffmeyer. In Delmenhorst werden nun umgehend die Auflagen verschärft: Eine Sperrstunde gilt zwischen 23 und 6 Uhr, das heißt, in dieser Zeit müssen alle Gaststätten geschlossen haben. Gottesdienste finden nicht statt, alle anderen Veranstaltungen auch nicht. Bestimmte Plätze wie der vor dem Busbahnhof werden gesperrt, Menschen sollen sich dort nicht mehr versammeln. Hochzeits- und Beerdigungsfeiern in Gaststätten sind nur mit maximal 25 Gästen gestattet, auf Parkplätzen vor Einkaufszentren gilt die Pflicht, eine Maske zu tragen.

Wenn etwa ein Gastwirt gegen die Auflagen verstößt, will OB Jahnz Härte demonstrieren: „Wir werden dann Bußgeldbescheide verschicken, und die sollen auch weh tun. Einige Leute erreichst Du nur über das Portemonnaie – da bin ich nicht sehr geschmackvoll, es muss durchgegriffen werden.“ Dabei zeigt der OB durchaus Verständnis für die Menschen, die seit März Corona-bedingte Beschränkungen hinnehmen müssten und inzwischen „die Faxen dicke“ hätten. Gegenwärtig gehe es aber darum, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.

Warum das Corona-Virus gerade in Delmenhorst so stark grassiert, stellt auch die Stadtspitze vor Rätsel. Jahnz sagt, es lebten hier viele Pendler, die etwa in Bremen, Oldenburg oder in der Wesermarsch arbeiteten. Delmenhorst befinde sich hier „mittendrin“, das erhöhe offenbar die Ansteckungsgefahr. „Wir sind ganz offensichtlich kein gallisches Dorf“, betont der OB.

Sperrstunde landesweit geplant: Die Landesregierung plant, eine Sperrstunde für die Gastwirtschaften landesweit zwischen 23 und 6 Uhr vorzuschreiben, sofern die Inzidenz bei 50 liegt. Das ist das Resultat eines Gesprächs zwischen Landesregierung und Kommunalverbänden. Vorgesehen ist offenbar auch, die Bundeswehr verstärkt zur Unterstützung der Gesundheitsämter heranzuziehen. Die Polizei soll die Einhaltung der Sperrstunde zielgerichtet kontrollieren.

Maskenpflicht in Behörden: Hannovers Regionspräsident Hauke Jagau (SPD) hat wegen des Anstiegs der Inzidenz eine schärfere Maskenpflicht verfügt: „In Gebäuden, in denen Menschen arbeiten“ (ausgenommen Schulen und Kindergärten) müssen die Beschäftigten auf den Fluren einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Das betrifft auch alle Ministerien und Behörden in Hannover. Die Mitarbeiter dürfen ihre Maske nur abnehmen, wenn sie an ihrem Schreibtisch oder in der Kantine sitzen. Die Region prüfe darüber hinaus, „eine allgemeine Maskenpflicht im öffentlichen Raum einzuführen“.