CDU will neue Richter auf Verfassungstreue prüfen – SPD ist nicht begeistert
Die Spitze der niedersächsischen CDU hat am Wochenende, wenige Tage vor einer Fachanhörung im Landtags-Innenausschuss, einen Vorstoß für eine weitere Reform des Beamten- und Richtergesetzes gestartet. Nicht nur für angehende Polizisten soll es künftig eine „Regelabfrage“ beim Verfassungsschutz geben, sondern auch für all jene, die Richter und Staatsanwälte werden wollen. Dieses Mittel, das auch „Regelanfrage“ genannt wird, war vor ziemlich genau 50 Jahren zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und den damals zwölf Ministerpräsidenten vereinbart worden – es ermöglichte das vorsorgliche Herausfiltern von Bewerbern, die extremistischen Organisationen angehören. Dies war der Kern des „Radikalenerlasses“, der später vor allem von SPD, Grünen und Linkspartei als „schwerer Fehler“ bezeichnet worden war und aufgehoben wurde.
Entsprechend kritisch sieht die aktuelle CDU-Initiative, die vor allem auf Bewerber der AfD zielt, der gegenwärtige Koalitionspartner SPD. „Dass man Polizei-Bewerber mit einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz überprüft, halte ich für richtig. Das jetzt auch auf Richter und Staatsanwälte zu übertragen, finde ich aber überzogen, es zeugt von ziemlich viel Aktionismus“, sagte der SPD-Fraktionsvize und Innenexperte Ulrich Watermann dem Politikjournal Rundblick.
„Ich hoffe, die Zeit der pauschalen Regelabfrage ist überwunden“
Die niedersächsische CDU setzt sich schon seit Jahren dafür ein, mit der Regelabfrage beim Verfassungsschutz die Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst zu verschärfen. Sie ist damit im Grunde einig mit Innenminister Boris Pistorius, der wiederholt eine härtere Praxis bei der Neueinstellung angekündigt hat. Der CDU-Innenpolitiker Uwe Schünemann hatte 2020 und 2021 in mehreren Einlassungen gefordert, auch angehende Richter, Staatsanwälte und Lehrer auf diese Weise zu prüfen – denn jeder Beamte müsse jederzeit Gewähr für Verfassungstreue bieten können. Im aktuellen Entwurf zur Änderung des Beamtengesetzes, zu dem in dieser Woche Interessensverbände im Innenausschuss Stellung nehmen, wird die Regel-Überprüfung indes nur auf Polizisten beschränkt. In der SPD gibt es gleichwohl Vorbehalte gegen diesen Schritt, so erklärte 2020 der damalige Innenexperte Bernd Lynack: „Ich hoffe, die Zeit der pauschalen Regelabfrage ist überwunden.“
Althusmann prescht bei Regelabfrage vor
Am Sonnabend sagte CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, auch angehende Richter und Staatsanwälte sollten mit dem Instrument der Regelabfrage überzogen werden, das Richtergesetz solle zügig geändert werden. Justizministerin Barbara Havliza (CDU) erklärte kurz danach per Pressemitteilung am Wochenende, sie bereite eine entsprechende Gesetzesänderung vor. Richter müssten nicht nur wie alle Beamten auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, ihnen sei das Grundgesetz sogar „anvertraut“.
Das Justizministerium teilt mit, bisher werde für jeden Bewerber eine Registerauskunft verlangt, das reiche aber nicht aus. Was die Anfrage beim Verfassungsschutz angeht, müsse jeder Bewerber bisher sein vorheriges Einverständnis erklären. 2021 wurden in Niedersachsen 98 Staatsanwälte und Richter neu eingestellt.
Greift die Regelabfrage auch bei Rückkehr ins Amt?
Althusmann erwähnte zur Begründung den Fall des früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier, der dem rechtsextremen „Flügel“ nahe steht und nun in den Richterdienst zurückkehren wolle. Derartiges solle verhindert werden. Auch im niedersächsischen Landtag sitzt ein früherer Richter, Christopher Emden, der ebenfalls jüngst mit Protagonisten des früheren „Flügels“ kooperiert hatte. Diese Begründung überzeugt aber nur eingeschränkt, da die Regelabfrage beim Verfassungsschutz im Fall der Rückkehr früherer Richter, die zwischenzeitlich ein Parlamentsmandat übernommen hatten, vermutlich gar nicht greift. In diesen Fällen ist die politische Prägung der Betreffenden meistens allgemein bekannt.
SPD will nur Polizisten überprüfen lassen
Der SPD-Innenpolitiker Watermann meinte gegenüber dem Politikjournal Rundblick, bei Polizisten, die als unmittelbare Träger der staatlichen Gewalt auftreten, sei die strenge Überprüfung angebracht. Davon sei er inzwischen überzeugt. Was Richter und Staatsanwälte angehe, gebe es „andere Mittel“, gegen jene vorzugehen, die den Boden des Grundgesetzes verließen – dafür sei das Disziplinarrecht spezialisiert.
FDP-Justizexperte Genthe ist gegen „Gewissensprüfung“
Althusmanns Zitat, „enttarnte Extremisten sollen so schnell wie möglich eine Entlassungsurkunde bekommen“, nennt Watermann „einen Verbalradikalismus“, der einer notwendigen sachlichen Debatte abträglich sei. Der FDP-Justizexperte Marco Genthe meinte, er könne sich „eine allgemeine Abfrage für Richter und Staatsanwälte vorstellen“, betone aber, dass es eine „Gewissensprüfung“ nicht geben dürfe.
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