Was braucht unser Gesundheitssystem mehr als alles andere? Richtig: noch ein bisschen mehr Zwei-Klassen-Medizin. Während kleine Kliniken ums Überleben kämpfen, Pflegekräfte am Limit arbeiten und gesetzlich Versicherte monatelang auf Facharzttermine warten, entstehen andernorts sogenannte Komfortstationen. Jüngstes Beispiel ist das Klinikum Region Hannover. Im Nordstadtkrankenhaus gibt es nun sechs „Comfort“-Zimmer mit Echtholzmöbeln, Regendusche, Safe und Minibar. „Wir haben eine Wohlfühlatmosphäre mit Hotelstandard geschaffen, die es den Patientinnen und Patienten ermöglicht, unsere pflegerische, therapeutische und medizinische Behandlung nach neuesten Unterbringungsstandards zu genießen“, sagt Projektleiterin Luise Andrée.
Wer sich jetzt denkt: „Na, da fehlt ja nur noch der Zimmerservice mit Prosecco und das Betthupferl“, liegt nicht verkehrt. Zur Begrüßung gibt es einen sorgfältig gefalteten Bademantel, ein Handtuch, eine Schlafmaske und ein kleines Willkommenspaket. Wellnessresort trifft Premiumairline im Krankenzimmer. Man möchte fast fragen, ob sich der nächste chirurgische Eingriff auch mit Bonusmeilen buchen lässt.

Und es ist kein Einzelfall. Ein paar Beispiele aus dem Land: Das Klinikum Osnabrück wirbt für seine Patientenzimmer mit Vier-Sterne-Hotelstandard inklusive Fußbodenheizung, Klimaanlage und Privatreinigung. Im Städtischen Klinikum Braunschweig können Wahlleistungspatienten Sky schauen und bekommen „im Rahmen einer Servicerunde“ vom Team Snacks und Getränke serviert. Das Evangelische Krankenhaus Göttingen-Weende wirbt mit beheiztem Handtuchhalter, Full-HD-Flachbildfernseher und einer „exklusiven Speisekarte“. Und das St. Marienhospital Vechta protzt mit Komfortleistungen wie Kühlschrank, Infrarot-Wärmestrahler im Bad und Bettwäschewechsel an jedem zweiten Tag.

Doch zurück nach Hannover: Sechs Komfortzimmer bei 18.500 stationären Fällen im Jahr – das ist fast so, als hätte ein Großraumflugzeug genau zwei Business-Class-Sitze mit Massagesessel und Champagnerglas, während der Rest sich in der Holzklasse ohne Beinfreiheit drängt. Wer da rein möchte, braucht entweder Glück, eine großzügige Zuzahlung oder einen guten Draht zum Krankenhausmanagement.
Natürlich dürfen Kliniken zusätzliche Einnahmen erschließen – das System lässt ihnen ja kaum eine Wahl. Aber man sollte dabei nicht vergessen, dass mit jedem Echtholz-Nachttisch die Distanz wächst zwischen den Privatpatienten in ihren Loungemöbeln und den Kassenpatienten, die auch gerne mal auf dem Flur zwischengeparkt werden.
Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch der Schockraum in Komfort- und Basisversion angeboten wird. Die Notfallversorgung gibt es dann mit oder ohne Lavendelkissen – je nach Versicherungsstatus. Und wer das volle Programm bucht, darf vielleicht sogar wählen, welche Musik während der Reanimation läuft.
Für alle Privat- und Kassenpatienten bieten wir in der heutigen Rundblick-Ausgabe folgende Themen als Wahlleistungen an:
Bauen & Wohnen: Sprunghafte Erhöhungen der Erbbauzinsen sorgen landesweit für Empörung und Proteste. Nun diskutiert der Landtag, ob die starre Fünf-Prozent-Regel noch zeitgemäß ist.
Inneres: Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte soll kommen – allerdings erst einmal nur in einem Pilotverfahren. Rot-Grün richtet Erwartungen an die Landes-Innenministerin.
Justiz: Geheime Vorbereitung, Wahl ohne große Debatte – so werden Verfassungsrichter und Rechnungsprüfer gewählt. Das Regelwerk wird aber umso brüchiger, je stärker die AfD wird.
AfD: Die AfD will verhindern, dass kommunale Wahlausschüsse missliebige Bewerber für Bürgermeister- und Landratswahlen einfach ausschließen können. Dazu solle die Kommunalverfassung geändert werden.
Personen und Positionen: Björn Försterling (FDP), Lars Gorissen (Nordzucker), Rebecca Kleinheitz (Alma), Sven Vogt (ADK).
Bleiben Sie gesund!
Ihr Christian Wilhelm Link