Burgfrieden bei Volkswagen: Aufsichtsrat stärkt Konzernchef und Standort Niedersachsen
Der Machtkampf bei Volkswagen ist beendet. Der zuletzt ins Wackeln geratene Vorstandsvorsitzende Herbert Diess sitzt beim zweitgrößten Autobauer der Welt wieder fest im Satteln. Nach der gestrigen Aufsichtsratssitzung, bei der mehrere Umstrukturierungen in Vorstand und Konzern verkündet wurden, sagte Diess: „Ich fühle mich durch die Berufungen deutlich gestärkt und kann mich nicht über mangelnde Verantwortung beklagen.“ Der 63-Jährige gibt zwar die Zuständigkeit für das Ressort „China“ ab August an VW-Markenchef Ralf Brandstätter ab, gleichzeitig wird Diess aber die Automotive-Software-Sparte „Cariad“ zugeschlagen. „Wir stehen kurz davor, einen wichtigen Meilenstein bei der Einrichtung eines eigenen Betriebssystems zu verkünden“, kündigte Diess an und hob die Bedeutung der konzerneigenen Programmier-Schmiede hervor. Bis 2030 sollen die Software basierten Services (SaaS) bis zu 30 Prozent des Konzernumsatzes ausmachen. Außerdem konkretisiert Volkswagen das Ziel, bis 2025 zum Markführer bei der Elektromobilität zu werden.
Volkswagen plant in den nächsten fünf Jahren Investitionen in Milliardenhöhe
Niedersachsen wird gestärkt: Bei der mittlerweile 70. Planungsrunde gehören auch einige niedersächsische Standorte zu den Gewinnern. Hier will Volkswagen in den nächsten fünf Jahren rund 21 Milliarden Euro investieren. Der Großteil des Geldes fließt in die Produktions- und Komponentenstandorte. „Hannover wird Technologiestandort für den Konzern“, sagte Diess. Die Landeshauptstadt soll die „Speerspitze für das autonome Fahren“ bei VW bilden. Gefertigt werden hier künftig nicht nur der ID.Buzz, der ID.California und die Moia-Shuttles, sondern auch das neue Hightech-E-Auto „Artemis“. Die Karosseriefertigung für ein neues Bentley-Modell soll ebenfalls in Hannover stattfinden. In Hannover, Braunschweig und Salzgitter investiert der Konzern in die Teilefertigung für den Modularen E-Antriebsbaukasten (MEB) und bereitet die Produktion des neuen Baukastens „Scalable Systems Platform“ (SSP) vor. Der Standort Salzgitter soll darüber hinaus zum Batterie-Hub für Europa werden. VW investiert rund zwei Milliarden Euro, damit in der neuen Gigafabrik ab 2025 die ersten Batterie-Einheitszellen vom Band laufen können.
„Wir werden Wolfsburg in zehn Jahren nicht mehr wiedererkennen, wir geben dem Standort eine neue Identität.“
VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess
Neue Identität für Wolfsburg: „Wolfsburg war bisher weitgehend außen vor bei der Transformation“, räumte der Konzernchef ein. Das werde sich aber nun ändern. „Wir werden Wolfsburg in zehn Jahren nicht mehr wiedererkennen, wir geben dem Standort eine neue Identität“, sagte Diess. Der CEO bestätigte, dass die neue E-Limousine „Trinity“ in einer Fabrik außerhalb des heutigen Werksgeländes in Wolfsburg produziert werden soll. Auf Drängen des Betriebsrats verlagert VW auch die Fertigung des ID.3 ins Stammwerk. Das Elektrofahrzeug soll in Wolfsburg ab 2023 teilweise, ab 2024 vollständig gefertigt werden. Die künftige Rolle des Stammsitzes beschrieb Diess wie folgt: „Unser Ziel ist ein international zukunftsfähiger Standort mit effizienter Konzernsteuerung, zwei E-Fertigungen, einem hoch modernen Forschungs- und Entwicklungszentrum und dem Auf- und Ausbau weiterer Zukunftsfelder.“
„Wir lassen nicht zu, dass Umbau, Wandel und Transformation zu Lasten der Beschäftigten gehen oder Teile der Belegschaft abgehängt werden.“
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo
Betriebsrat zeigt Stärke: Im Gegensatz zum gut gelaunten Konzernchef trat Betriebsratschefin Daniela Cavallo bei der Pressekonferenz mit ernster Miene vor die Kamera. Dabei hatte sich die 46-Jährige in der Planungsrunde in wesentlichen Punkten durchgesetzt. „Wir haben einen soliden und robusten Plan, auf den wir alle stolz sein können“, sagte Cavallo und bezeichnete Volkswagen als ein „Paradebeispiel für fairen Wandel und Umbau“ in der Transformation. „Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherheit sind bei Volkswagen gleichwertige Ziele“, betonte die Betriebsratschefin und gab sich kämpferisch: „Wir lassen nicht zu, dass Umbau, Wandel und Transformation zu Lasten der Beschäftigten gehen oder Teile der Belegschaft abgehängt werden.“ Wolfsburg bleibe zwar das „Kraftzentrum des Konzerns“, der Chipmangel werde aber noch zu schweren Zeiten führen. „Die kommenden Monate werden hart, vor uns liegt eine echte Durststrecke“, sagte Cavallo und stimmte die Belegschaft auf weitere Schließtage und wegfallende Schichten ein.
Vorstand wächst auf 12 Mitglieder: Im Konzernvorstand von Volkswagen gibt es mehrere Änderungen und auch Neuzugänge. Ab Februar übernimmt Manfred Döss den Bereich „Integrität und Recht“ von Hiltrud Werner. Der Vertrag von Gunnar Kilian, der im Vorstand für die Bereiche Personal und Truck & Bus zuständig ist, wird vorzeitig bis 2026 verlängert. Die frühere Deutsche-Börse-Managerin Hauke Stars wird den IT-Bereich leiten. Der bisherige Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Rechtsressort von Hiltrud Werner. Die Audi-Managerin Hildegard Wortmann übernimmt im Vorstand den Konzernvertrieb. „Die Transformationen erfordert eine fundamentale Weiterentwicklung des Vertriebs“, erläuterte VW-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Pötsch diese Änderung. Pötsch sprach von einer „personellen und strukturellen Stärkung des Konzernvorstands“, der eine noch höhere Durchschlagskraft erhalte.
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