Der Umweltverband BUND will seiner Forderung, die geplante Küstenautobahn A20 zwischen Westerstede, Bremerhaven, Bremervörde und Drochtersen nördlich von Stade aufzugeben, in den kommenden Wochen und Monaten mehr Nachdruck verleihen. Der BUND-Bundesvorsitzende Olaf Bandt und der niedersächsische Landesvorsitzende Heiner Baumgarten haben am Dienstag noch einmal nachdrücklich ihre Argumente unterstrichen. So drohten die Kosten der geplante Trasse zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die bis zu 227 Kilometer lang sein soll, aus dem Ruder zu laufen. Das liege nicht bloß an den üblichen Baukostensteigerungen, die zwischen der Schätzung von 2014 und heute bei einem Zuwachs von 19,5 Prozent lägen, sondern auch am schwierigen Untergrund, der besondere Baumaßnahmen erforderlich mache. Die BUND-Planerin Kirsten Ewertraut hat die Konzeption unter die Lupe genommen und rechnet nach eigener Darstellung damit, dass die Kosten der neuen Autobahn am Ende bei sieben Milliarden Euro liegen werden. Das entspreche einem Zuwachs von mehr als 55 Prozent. Ob das nach den Kriterien des Bundesrechnungshofes noch wirtschaftlich sei, stehe doch sehr in Frage.
Der BUND argumentiert nun in zwei Richtungen. Zunächst geht es um die Kosten, die doch erheblich von den Schätzungen abweichen würden, die 2014 bei der Aufnahme des Projektes in den Bundesverkehrswegeplan erhoben wurden. Die Trasse führe durch Moorgebiete, damit sei der Untergrund vielerorts nicht so tragfähig wie erhofft, Verstärkungen müssten eingebaut werden. Auf niedersächsischer Seite seien allein 145 Brücken notwendig. Zweifel habe der BUND auch am „vordringlichen Bedarf“, der auch immer wieder von der Großen Koalition in Niedersachsen vorgetragen worden sei und in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde. Das betreffe die Anbindung der Seehäfen in Hamburg, Bremerhaven, vor allem aber des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven. Wie Ewerttraut berichtet, könne von einem Anstieg der Umsätze in den Seehäfen derzeit keine Rede sein, die Zahlen stagnierten vielmehr. Daher entfalle die Begründung, gerade hierfür die neue Autobahn zu benötigen. Der BUND-Landesvorsitzende Baumgarten ergänzt die Kritik mit einem Hinweis auf den befürchteten Flächenverbrauch: „Das Vorhaben zwischen Westerstede und Bad Segeberg würde mehr als 4000 Hektar Fläche beanspruchen, mehr als die Hälfte der Strecke verläuft durch Moorgebiete. Zahlreiche wertvolle nationale und europäische Schutzgebiete würden stark beeinträchtigt und gefährdet. Ein solches Vorhaben widerspricht dem selbst gesetzten Ziel des Landes, den Flächenverbrauch bis 2030 auf unter vier Hektar zu verringern.“
Der BUND-Bundessprecher Bandt ergänzt, jede neue Autobahn ziehe neue Verkehre an, das aber widerspreche den Klimaschutzzielen. Wichtiger sei es, das Geld in den Ausbau des ÖPNV zu stecken – etwa in die Strecke zwischen Cuxhaven und Stade oder zwischen Stade und Bremen. „Niedersachsen ist im Ländervergleich Schlusslicht bei der Reaktivierung von Bahnstrecken“, betont Baumgarten. Der Vorstoß des BUND wird nach den Worten von Bandt gezielt im Jahr des Bundestagswahlkampfes vorgetragen. Die nächste Bundesregierung solle die Autobahnpläne mit Blick auf die Kostensteigerung und den Nutzen kritisch überprüfen. Am 6. Januar begann die öffentliche Auslegung der Planfeststellungsunterlagen für den Abschnitt 5b der A26, die auch zu der Küstenautobahn zählt. Mit dem Erlass des geänderten Planfeststellungsbeschlusses zu Abschnitt 1 der A 20 sei in Kürze zu rechnen. Für fünf der 18 Bauabschnitte der Trasse liegen Planfeststellungsbeschlüsse vor, nur einer von ihnen – den Elbtunnel betreffend – ist bereits rechtskräftig. Die Autobahnpläne beschäftigen intensiv auch die Verwaltungsgerichte.