Brauchen wir auch künftig noch Großspenden von Unternehmen für die Parteien?
Die Entscheidung des Daimler-Konzerns, künftig keine großen Spenden mehr an Parteien zu geben, hat zu heftigen Protesten geführt. Viele Schatzmeister der Parteien sehen darin ein falsches Signal – weil der Konzern den Eindruck erwecke, die Parteien seien seiner Spenden nicht würdig oder würden mit dem Geld nicht richtig umgehen. Soll es überhaupt noch Parteispenden von Großunternehmen geben? Die Rundblick-Redaktion beleuchtet das Thema in einem Pro und Contra.
PRO: Es braucht weiterhin ein gesundes Gleichgewicht in der Parteienfinanzierung. Kippt das System in Richtung einer immer größer werdenden staatlichen Finanzierung, wird es die Parteien weiter von Wirtschaft und Gesellschaft entfernen, meint Martin Brüning.
Für die Schatzmeister der Parteien ist die Ankündigung des Autobauers Daimler, auf Parteispenden künftig zu verzichten, zunächst einmal kein Grund zur Aufregung. Der materielle Verlust ist nicht besonders groß. In der Bilanz der CDU macht der Spendenanteil von Unternehmen gerade einmal rund acht Prozent aus, bei der SPD noch weniger. Die 100.000 Daimler-Euro, die künftig nicht mehr direkt in der CDU-Kasse landen werden, sind daher vernachlässigbar. Die Kritiker der Parteispenden von Unternehmen müssten sich schon einmal fragen, wieviel Einfluss man sich mit 100.000 Euro bei einem CDU-Gesamtbudget von fast 160 Millionen Euro kaufen kann. Aber das nur nebenbei.
Viel problematischer ist das Signal, das der Daimler-Konzern, der damit ein bisschen wie ein trotziges Kind wirkt, mit der Entscheidung sendet. Die triviale PR-Ankündigung des Konzerns, man wolle das Geld künftig in Bildung, Naturschutz, Wissenschaft, Kunst und Kultur investieren, reiht sich ein in die Verunglimpfung der Parteien in Wirtschaft, Medien und Gesellschaft. Daimler unterstützt damit das Parteien-Bashing, das seit Jahren aus unterschiedlichen Interessen heraus betrieben wird – und schadet der Demokratie. Aus der Ankündigung ist auch die einfache Formel herauszulesen: Kunst + Kultur = gut, Politik + Parteien = schlecht. Die Entscheidung ist die Folge einer katastrophalen Politikferne zahlreicher Unternehmer, die sich nicht einmal mehr darum bemühen, politische Entscheidungsprozesse zu verstehen, und denen oftmals nicht zu erklären ist, warum eine Partei nun einmal nicht wie ein Unternehmen geführt werden kann. Nur noch selten liest man Sätze von Vorstandsvorsitzenden, die authentisch an der Lebenswirklichkeit orientiert wirken. Weitaus häufiger sind es die Sprechblasen aus der Marketingabteilung, deren gesellschaftliche Relevanz irgendwo zwischen Mikro- und Nano-Größe pendelt. Mit solchen Konzernen ist kein Staat zu machen.
Wie sollen sich unsere Parteien finanzieren?
Wie sollen sich unsere Parteien finanzieren? Die Mitgliederzahlen gehen zurück, die Unternehmen wenden sich immer stärker von den Parteien ab. Infolgedessen werden diese immer stärker vom Staat abhängig. Eine ungute Entwicklung. Als der Bundestag im Juni eine deutliche Erhöhung der Parteienfinanzierung beschloss, gab es (zu Recht) einen Aufschrei der Empörung. Gerade dieser Prozess der Willensbildung machte deutlich, dass die Finanzierung der Parteien nicht zu stark vom Staat abhängig sein sollte. Die SPD hatte durch die heftigen Wahlniederlagen der vergangenen Zeit massive finanzielle Verluste hinnehmen müssen und füllte sich im Zusammenspiel mit der Union nun die Kasse für künftige Wahlkämpfe wieder auf. Wenn sich eine Partei aber nicht mehr um Spendengelder und Mitgliedsbeiträge bemühen muss, weil notfalls mit Staatsgeldern Verluste ausgeglichen werden, ist das keine Stärkung der Demokratie und ihrer Parteien. Die Grünen, die sich gerne als besonders unabhängig und unternehmensfern darstellen, schröpfen den Staat gleich doppelt. Neben der staatlichen Parteienfinanzierung fordern sie von ihren Mandatsträgern im Vergleich zu anderen Parteien einfach deutlich höhere Abgaben. Auch wer bei der letzten Wahl nicht die Grünen gewählt hat, finanziert über seine Steuergelder, die an die Grünen-Abgeordneten gehen, in nicht unmaßgeblicher Höhe auch die Partei mit.
Aus der Ankündigung ist auch die einfache Formel herauszulesen: Kunst + Kultur = gut, Politik + Parteien = schlecht.
Parteien brauchen viel Geld. Strukturen sind aufrecht zu erhalten, Wahlkämpfe zu finanzieren. Wer sich die schöne neue Online-Welt ansieht und genauer beobachtet, wie Wahlkämpfe in den USA inzwischen davon dominiert werden, der weiß, dass dafür weitere Investitionen nötig sein werden. Die deutschen Parteien sind nicht einmal im Ansatz da, wo sie einmal hinmüssen. Dafür braucht es aber eine Gesellschaft, die die Parteien unterstützt – und dazu gehören auch die Unternehmen. Wer die Parteien als Schmuddelkinder brandmarkt und ihnen die Finanzierung entzieht, der schwächt die Parteiendemokratie und schadet dem gesamten System. Es braucht weiterhin ein gesundes Gleichgewicht in der Parteienfinanzierung. Dazu gehören die Mitgliedsbeiträge genauso wie Kleinspenden sowie Zuwendungen von Großunternehmen. Um alle müssen sich sämtliche Vertreter der Parteien bemühen. Kippt das System in Richtung einer immer größer werdenden staatlichen Finanzierung, wird es die Parteien weiter von Wirtschaft und Gesellschaft entfernen. Das wird beiden Seiten nicht gut tun, der Demokratie in Deutschland schon gar nicht.
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CONTRA: Wir sollten uns Gedanken über eine völlige Neuordnung der Parteienfinanzierung machen, meint Klaus Wallbaum.
Der Schritt des Daimler-Konzerns, aus der Parteienfinanzierung auszusteigen, hat die Schatzmeister aller politischen Lager ins Schwitzen gebracht. Die Sache kommt just in einem Wahlkampf, dem zur Europawahl, und jede Partei weiß: Wahlkämpfe kosten Geld, das meiste Geld kommt von Leuten, die viel Geld übrig haben und spenden. Nicht selten kommt es vor, dass Kandidaten für wichtige Ämter, etwa Bürgermeisterposten, noch während der Wahlkämpfe den Kontakt zu potenziellen Spendern suchen und auf eine großzügige Gabe hoffen – weil anders beispielsweise eine Anzeigenkampagne in den letzten Tagen vor der Wahl kaum zu bezahlen wäre. Soll all das jetzt der Vergangenheit angehören?
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Dazu ist zunächst mehrere Dinge festzuhalten: Erstens sind Wahlkämpfe nichts Schmutziges, sondern etwas zutiefst Sinnvolles. Plakate, Info-Stände, Werbematerialien und Veranstaltungen sind nicht nur ein notwendiges Übel vor jeder Wahl, sondern sie dienen der Information über die Ziele und das Auftreten der jeweiligen Parteien. Die Wähler sollen wissen, wie sich die Kandidaten präsentieren – denn sie sollen die Chance erhalten, sich vor ihrer Wahlentscheidung möglichst gut zu informieren. Deshalb kann kein Vorteil in Spar-Wahlkämpfen oder dem oft bekundeten „Verzicht auf Materialschlachten“ gesehen werden. Materialschlachten sind gut und richtig, denn mit jeder Informationsbroschüre zeigt sich eine Partei so, wie sie gesehen werden will. Die Wahlberechtigten sollen möglichst gut erkennen, wie sich die Parteien ihnen gegenüber präsentieren. Deshalb ist eine neue Parteienfinanzierung nicht so zu verstehen, dass den Parteien weniger Geld als bisher zur Verfügung stehen soll. Eher müsste es mehr sein, denn Wahlkämpfe sind auch demokratiestärkende Elemente.
Das Problem ist nämlich, dass die Parteispenden ungleich verteilt sind, bestimmte Gruppen bevorzugt werden.
Zweitens darf es in Deutschland nicht zu amerikanischen Verhältnissen kommen. Der Erfolg eines Kandidaten in dem Sinne, dass er genügend Kraft für eine Kandidatur und für die Finanzierung eines Wahlkampfes aufbringt, darf nicht von reichen Unterstützern abhängen. Wenn der Eindruck aufkommt, dass sich finanzkräftige Gruppierungen wie etwa die Waffenindustrie in den USA ihre Kandidaten „kauft“, indem sie als Gegenleistung für finanzielle Hilfen im Wahlkampf ein ihr genehmes Abstimmungsverhalten des Kandidaten bekommt, wird die Brüchigkeit des Systems offenkundig. In Deutschland ist diese Gefahr so nicht gegeben, denn der Grundsatz der Transparenz ist sehr hilfreich. Dass die Parteien belegen müssen, von wem sie Unterstützung erhalten haben, ist ein gutes und wichtiges Prinzip. So sind bei einer kritischen Überprüfung immer Rückschlüsse auf mögliche Interessenssteuerungen erkennbar. Eine Garantie für das Vermeiden von unwillkommenen Einflüssen der Spender ist die Transparenz freilich nicht. Wo finanzkräftige Gruppen nur mit bestimmten Zielen verbunden sind, nicht aber mit den entgegengesetzten Zielen, kann die Vielfalt leiden. Um beim Beispiel Waffen zu bleiben: Wo einer finanzkräftigen Waffenindustrie keine finanzkräftige Gruppierung gegen den übermäßigen Gebrauch von Schusswaffen gegenübergestellt ist, droht ein einseitiger Lobbyismus die Politik in eine ungünstige Richtung zu lenken.
Man sollte über Reformen diskutieren
Drittens ist deshalb auch die staatliche Parteienfinanzierung, wie wir sie in Deutschland kennen, ein gutes Modell. Für jede Stimme, die eine Partei erhält, bekommt sie staatliche Unterstützung – außerdem wird jede Spendeneinnahme noch mit einem Zuschuss verstärkt. Staatliche Parteienfinanzierung macht die Parteien unabhängiger von anderen Einnahmen, sei es über Spenden oder – wie bei der SPD – über die Beteiligung an Medienunternehmen.
Viertens sollte trotz der Vorzüge des deutschen Systems über Änderungen diskutiert werden. Das Problem ist nämlich, dass die Parteispenden ungleich verteilt sind, bestimmte Gruppen bevorzugt werden. Bislang spielt sich das alles im demokratischen Spektrum ab, es gibt keine finanzkräftigen Unternehmer wie einst in der Weimarer Republik, die ihr Geld zur Unterstützung einer umstürzlerischen Organisation ausgeben. Was aber geschieht, wenn das irgendwann doch noch einmal so kommen sollte? Wie wäre es zur Vermeidung dieser Gefahr, wenn alle Parteispenden in einen großen Topf kämen und ein Verteilerschlüssel entwickelt wird – nach Wahlergebnissen und Mitgliederzahlen? Auch ein solches Modell hat Schwächen und Nachteile, es würde womöglich auch die Spendenbereitschaft derer einschränken, die gezielt eine bestimmte Partei unterstützen wollen. Aber diskutieren sollte man über derartige Reformen schon, denn natürlich geht jede Großspende an einer Partei mit dem unangenehmen Beigeschmack einher, hier wolle jemand bestimmte politische Entscheidungen gezielt beeinflussen.