Die Inflation treibt auch den Niedersächsischen Beamtenbund (NBB) um. Die Landesseniorenvertretung des NBB, die landesweit rund 140.000 Pensionäre des Landesdienstes vertritt, hat jetzt einen empörten Brief an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geschickt. Darin fordern der Vorsitzende Jürgen Hüper und seine vier Stellvertreter eine „Anpassung“ der Versorgungsbezüge. „Man hat das bisher vermieden – und für Niedersachsen ist die Lage deshalb so schlimm, weil auch die Besoldungstabelle am unteren Ende der Skala im bundesweiten Vergleich rangiert“, sagt Hüper im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Die prekäre Situation werde jetzt für viele Betroffene spürbar, da die Preise in die Höhe schnellen und die Geldentwertung sich deutlich bemerkbar mache. Das Schreiben an Weil hat die NBB-Seniorenvertretung auch an die Fraktionsvorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien gesendet.
Hüper bezieht sich auf die im vergangenen Jahr abgeschlossene Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder, die dann auf sämtliche Staatsdiener des Landes ausgeweitet wurde. Sie sah für den 1. März 2021 eine Anhebung um 1,4 Prozent vor, ein Schritt, der dann auch auf alle aktiven Landesbeamten und auch die Pensionäre übertragen worden war. Die nächste Erhöhung von 2,8 Prozent ist dann für den 1. Dezember dieses Jahres vorgesehen, auch davon sollen die Pensionäre wieder profitieren. Es sei aber falsch zu vermuten, dass die Pensionen dann um 2,8 Prozent real steigen würden, erklärt der Vorsitzende der Seniorenvertretung. Die Erhöhung geschehe nämlich nur in dem Maße, in dem sich die Höhe der Pension am Anteil der vorherigen Bezüge bemisst, also maximal 71,75 Prozent der letzten Gehaltsstufe. „Das sind dann de facto weniger als 2 Prozent“, sagt Hüper.
Die zentrale Argumentation der NBB-Pensionäre bezieht sich aber auf etwas anderes, nämlich die sogenannte „Corona-Sonderzahlung“ von 1300 Euro für jeden aktiven Beamten, die im März dieses Jahres ausgezahlt wurde. Sie war anteilig geringer für jene, die nur als Teilzeitbeamte aktiv sind – aber sie bezog sich ausdrücklich nur auf die aktiven Beamten, nicht auch auf die Ruheständler. Mit der Definition als „Corona-Zulage“ war es möglich, den Betrag steuer- und sozialabgabenfrei an die Beschäftigten zu überweisen. Wie Hüper nun an Weil schreibt, war die Einmalzahlung auch deshalb so geplant, damit der lange Zeitraum ohne Erhöhungen (zwischen März 2021 und Dezember 2022) angemessen mit einer Gehaltsaufbesserung überbrückt werden konnte.
Das Problem dabei sei aber gewesen, so meint Hüper, dass die Pensionäre von der Sonderzahlung ausgespart wurden. „Diese Form der Schlechterstellung bringt nun ein Fass zum Überlaufen“, betont der Vorsitzende der NBB-Landesseniorenvertretung und erinnert den Regierungschef an die „Fürsorgepflicht“ des Landes nicht nur für seine aktiven, sondern auch für seine ehemaligen Beschäftigten. Dabei dürfe man bei Ruhestandsbeamten nicht Ministerialdirigenten und -räte vor Augen haben, sondern auch viele einstige Bedienstete des einfachen und mittleren Dienstes, die teilweise fast 50 Dienstjahre auf dem Buckel gehabt haben, aber heute eine Pension haben, die nur knapp über der Armutsgrenze liege. „Sollen diese Kollegen künftig ständig bei der Tafel für ihr Essen anstehen?“, fragt Hüper.
„Anscheinend ist es ein Prinzip des Landes, die Versorgungsbezüge von den Entgeltzahlungen für die aktiven Bediensteten abzukoppeln.“
Der Ausschluss der Pensionäre aus der Sonderzahlung sei nicht der erste Fall, in dem diese Gruppe sich von der niedersächsischen Politik benachteiligt sieht. Auch die 2019 von der Großen Koalition im Landtag beschlossene und im Folgejahr eingeführte Rückkehr zu einem Weihnachtsgeld für Beamte (ab A9 aufwärts 300 Euro) sparte die Pensionäre aus. Verärgert schreibt Hüper dazu: „Anscheinend ist es ein Prinzip des Landes, die Versorgungsbezüge von den Entgeltzahlungen für die aktiven Bediensteten abzukoppeln.“ Die damit verbundene Wertschätzung beziehe sich also nicht auf die Pensionäre, und das stoße bei denen bitter auf.
Es gibt noch ein weiteres Detail, das zur Verstimmung der niedersächsischen Pensionäre beiträgt. Für die Corona-Zulage von 1300 Euro war als Stichtag der 29. November 2021 eingeführt worden – empfangsberechtigt waren also nur jene Beamte, die zu diesem Zeitpunkt noch im aktiven Dienst waren. Hüper sagt: „Die schlimmsten Corona-Auswirkungen waren aber im Jahr 2020. Aber wer vor dem Herbst 2021 pensioniert wurde, geht leer aus. Das ist nicht gerecht.“