„Body Cam“: Datenschutzbeauftrage droht Innenminister mit Kontaktsperre
Der Konflikt um die Frage, ob der Testbetrieb der „Body Cam“ illegal ist oder nicht, spitzt sich zu. Die Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel drohte gestern im Innenausschuss sogar damit, ihre Behörde werde auf der Arbeitsebene die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium verweigern, sollte das „kurzfristige und handstreichartige Vorgehen“ in diesem Fall Schule machen. „Eine Kontaktsperre ist die letzte Konsequenz, und das kann nicht gewollt sein“, sagte sie. Hintergrund ist das im Dezember gestartete Pilotprojekt, in dem das Innenministerium in den sechs Polizeidirektionen den Einsatz der Minikameras erproben lässt. Die an die Uniform angebrachten Kameras sollen Polizisten im Einsatz vor Übergriffen besser schützen. Aus der Sicht von Opposition und Datenschutzbehörde ist dieses Projekt überraschend gestartet worden, ohne eine gesetzliche Grundlage zu haben. Das Innenministerium wiederum beruft sich auf den Paragraphen 32 des Polizeigesetzes, demzufolge Polizisten bei Kontrollen zum Selbstschutz filmen dürfen.
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Tatsächlich hat sich das Innenministerium mit dem Start des Projekts sehr beeilt. Der Beschluss, die Kameras in den Testbetrieb zu nehmen, ist Anfang Dezember vergangenen Jahres gefallen, sagte Gerd Lewin gestern im Ausschuss, der Leiter des Referats für Einsatz- und Verkehrsangelegenheiten im Landespolizeipräsidium. Am 8. Dezember verkündete Innenminister Boris Pistorius auf einem Presseabend den geplanten Einsatz der „Body Cam“. An diesem Tag soll auch die Datenschutzbeauftragte über das geplante Projekt informiert worden sein. Jan-Christoph Oetjen mutmaßt, das Ministerium habe sich deshalb so kurzfristig festgelegt, „weil Herr Pistorius sonst kein Thema für seinen Presseabend gehabt hätte“. Schon am 12. Dezember nahmen die Polizeidirektionen die Minikameras dann in Betrieb. „Eigentlich sollten die Kameras erst nach der ohnehin geplanten Gesetzesänderung getestet werden, damit dann auch Tonaufzeichnungen möglich sind“, sagte Lewin. Doch die ansteigende Gewalt gegen Polizisten habe die Behörde gezwungen, schneller zu handeln. Und der Betrieb der Kameras ohne Ton sei durch das gegenwärtige Gesetz gedeckt. Daher müsse die Datenschutzbehörde auch keine Vorabkontrolle vornehmen.
Das sieht die Datenschutzbeauftragte ganz anders. Das Ministerium habe „überfallartig reagiert“, als es sie kurz vor der Entscheidung informierte. „Offenbar, um eine Abstimmung mit meiner Behörde zu suggerieren“, sagte Thiel. Doch Gesetzesverstöße ließen sich dadurch nicht kaschieren. Denn die „Body Cam“ werde zwar von Hand eingeschaltet, doch die Aufzeichnung sei automatisiert. In diesem Fall müsse laut Datenschutzgesetz eine Kontrolle gemacht werden, bevor der Einsatz beginnt. Hätte sich das Ministerium daran gehalten, wäre die „Body Cam“ wohl noch nicht im Betrieb. Denn für die Datenschutzbeauftrage reicht der Paragraph 32 des Polizeigesetzes nicht als Grundlage aus. „Der Paragraph gibt der Polizei eine Befugnis. Weil sie aber mit der ,Body Cam‘ in Grundrechte eingreift, muss klar formuliert sein, wofür die Daten aufgenommen, gespeichert und verwendet werden“, sagt Thiel. Das sei bei der gegenwärtigen Rechtsgrundlage nicht der Fall.
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Der FDP-Innenpolitiker Oetjen forderte deshalb den sofortigen Stopp des Testprogramms. Sein CDU-Kollege Thomas Adasch sieht die Polizisten in der Zwickmühle, weil sie ohne eine gültige Rechtsgrundlage mit der „Body Cam“ arbeiten müssten. Auch bei SPD und Grünen ist man sich einig, dass der Einsatz der „Body Cam“ schnell auf juristisch sicheren Boden gestellt werden muss. „Die politische Entwicklung hat deutlich gemacht, dass wir jetzt handeln müssen“, sagt Grünen-Abgeordnete Meta Janssen-Kucz. Daher sei es gut, dass es den Testlauf gebe. Jetzt den Abbruch zu diskutieren, sei aber falsch. „Wir müssen in der Sache weiterkommen.“Dieser Artikel erschien in Ausgabe #52.