27. Nov. 2019 · Finanzen

Billigt die EU die Nord/LB-Rettung? „Ich bin von Natur aus ein Optimist“, sagt Minister Hilbers

Eigentlich hätte noch die alte EU-Kommission die heikle Frage beantworten sollen, ob der Rettungsplan für die kapitalbedürftige Nord/LB dem EU-Beihilferecht entspricht oder nicht. Auf der „Arbeitsebene“, wie es heißt, sind alle Detailfragen auch schon besprochen. Es fehlt nur noch das abschließende Votum der politischen Spitze in der EU. Doch gestern hat das EU-Parlament die neue Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen gewählt, bis deren offiziellen Amtsantritt dürfte nicht mehr viel Zeit vergehen. Gut möglich also, dass anstelle der alten die neue Führung der EU das Votum absegnen muss. Die Fachkommissarin Margrethe Vestager für Wettbewerbsfragen bleibt immerhin im Amt. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers, der Aufsichtsratschef der Nord/LB, hat gestern auch keinen Hehl aus seiner Erwartung gemacht, von Brüssel grünes Licht zu bekommen. „Ich bin von Natur aus Optimist“, sagte er. Auf die Frage, was geschähe, sollte die EU am Ende doch die staatlichen Finanzhilfen für die Landesbank untersagen, verweigerte Hilbers die Antwort. Seine Mitarbeiter und er konzentrierten sich auf die vielen Details zum Gelingen ihres Plans – und verwendeten keine Zeit für die Frage, was beim Scheitern nötig wäre. In der Tat drängt die Zeit: Die Bankenaufsicht der EZB fordert eine Stärkung der Eigenkapitalbasis der angeschlagenen Nord/LB. Inoffiziell hieß es, bis Jahresende müsse das unter Dach und Fach sein. Seit Monaten hatten Nord/LB und die Brüsseler EU-Kommission verhandelt über die Frage, wie das Rettungsmodell so gestrickt werden kann, dass kein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht entsteht – dass also Bedingungen geschaffen werden, die auch ein privater Kapitalgeber einzugehen bereit gewesen wäre. Die Details wurden in einem „informellen Verfahren“ geprüft, diskutiert und nachgebessert, bis die EU dann das Signal gab, jetzt sei das Vorbesprochene so abgeklärt, dass man einen formellen Antrag stellen könne. Daraus leitet man in Hannover die Hoffnung ab, Brüssel werde schon grünes Licht geben. Zumindest aus fachlicher Sicht bestehen wohl keine ernsten Einwände mehr. Aber wenn die EU-Kommission entscheidet, spielt womöglich nicht nur das Fachlich eine entscheidende Rolle. Das parlamentarische Verfahren für den Staatsvertrag und das Nord/LB-Gesetz läuft nun davon ungeachtet schon einmal an. Das endgültige Landtagsvotum (geplant für den 19. Dezember) kann aber erst fallen, wenn Brüssel bis dahin ja zu dem Plan gesagt hat.
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Der Rettungsplan sieht so aus: Die Sparkassen geben, in unterschiedlicher Ausprägung, rund 1,2 Milliarden Euro. Das Land Niedersachsen steuert direkt 1,5 Milliarden hinzu, das Land Sachsen-Anhalt 198 Millionen Euro. Daneben leistet das Land Garantien im Kapitalwert von 800 Millionen Euro – das sind tatsächlich Garantien von gut 5 Milliarden Euro. Sie betreffen die Flugzeug- und Schiffssparte, die „faulen“ Schiffskredite und 200 Millionen Euro für Teile der Pension für frühere Nord/LB-Mitarbeiter, nämlich die Gesundheitsbeihilfen. Hilbers sagt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass die Garantien in der vollen Höhe wirksam werden. Denn beispielsweise der Abbau der „faulen Schiffskredite“ sei ja längst im Gange, die Einnahmen seien sogar leicht besser als geplant. Das Land wolle keinen eiligen, sondern einen wertschonenden Verkauf, die Einnahmen sollten möglichst hoch sein. Als Garantiegeber bekommt das Land Gebühren von der Nord/LB im Umfang von 300 Millionen Euro. Wenn die faulen Kredite schneller abgewickelt werden, laufen die Garantien schneller aus und das Land erzielt nicht so hohe Einnahmen. Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung einen „Mediator“ an die Seite gestellt, der den Prozess betreuen und zwischen den widerstreitenden Interessen vermitteln soll. Auch das war wohl ein Wunsch aus Brüssel. Ursprünglich war geplant, dass das Land die 800 Millionen Euro als Einlage in die Nord/LB gibt und nicht in Form von Garantien. So hätte es auch die Sparkassenseite gern gesehen. Aber die Garantie-Lösung mit den damit verbundenen hohen Einnahmen für Niedersachsen ist ein Weg, der wohl auch für Privatinvestoren lohnend gewesen wäre – und damit ein Argument dafür, dass die Investition unterm Strich nicht gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Folge des Rettungsplans ist auch, dass die Mitarbeiterzahl der Landesbank auf etwa 2800 halbiert wird – und dass die Fürstenberg-Porzellanmanufaktur und die Toto-Lotto-Gesellschaft von der Nord/LB in den Landesbesitz wandern.

Opposition pocht auf Expertenanhörung

Im Haushaltsausschuss des Landtags warben Hilbers und Nord/LB-Vorstandssprecher Thomas Bürkle gestern dafür, das Konzept zu billigen. Das Modell über die landeseigene „Niedersachsen Invest GmbH“ (NIG), die den Großteil des Landesanteils hält, sei „transparent und nicht verschleiernd“. Die Ausgliederung der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) und der Investitionsbank Sachsen-Anhalt seien möglich, auch eine Verschmelzung der Nord/LB mit anderen Landesbanken wird, ebenso wie eine Rechtsformänderung, prinzipiell erlaubt. Christian Grascha (FDP) und Stefan Wenzel (Grüne) pochten auf eine Expertenanhörung und beklagten, für die Gesetzesberatung bleibe zu wenig Zeit. Hilbers meinte, für den Zeitdruck nichts zu können. Vor Journalisten ging der Minister noch einmal auf die Ursachen der Nord/LB-Krise ein: Bis zur Finanzmarktkrise habe die Bank zu stark auf die Unterstützung einer bestimmten Kategorie von Schiffen konzentriert, dann sei der Markt abrupt stark eingebrochen. Da die Bank sowieso schon mit nur schwachem Eigenkapital ausgestattet gewesen sei, hätten die Probleme dann besonders durchgeschlagen. Dies könne man keinem einzelnen als Versagen zuschreiben, es betreffe den Vorstand und Aufsichtsrat insgesamt. „Die Verantwortlichen sind größtenteils auch nicht mehr in der Bank tätig“, sagt Hilbers.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #211.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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