
Der Verband der Berufsschullehrer in Niedersachsen sieht eine schreiende Ungerechtigkeit bei einer relativ kleinen, überschaubaren Gruppe von Betroffenen: landesweit 1630 „Lehrkräfte für Fachpraxis“, die in den Berufsschulen arbeiten, würden immer noch enorm benachteiligt – im Vergleich zu allen anderen Lehrern in Niedersachsen, aber auch im Vergleich zu einer anderen, relativ größeren Gruppe von Lehrern in den Berufsschulen, den „Lehrkräften für Fachtheorie“. Mit einer Petition hat sich der Berufsschullehrerverband (BLVN) an den Landtag gewandt.
Der Vorsitzende Ralph Böse spitzte die Kritik zu: „In ihren Wahlprogrammen vertreten die Parteien die Forderung, 40.000 Lehrkräfte in der Sekundarstufe I von A12 auf A13 zu heben. Aber wenn es um die bessere Besoldung der Berufsschullehrer geht, dann wird gleich erklärt, dafür habe man kein Geld.“ Die Politiker müssten hier endlich erkennen, dass man sich in einer Wettbewerbssituation befinde: „Wenn wir die Guten für den Job begeistern wollen, müssen wir auch konkurrenzfähige Gehälter bezahlen.“

In den Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen arbeiten rund 10.700 Lehrkräfte für Fachtheorie, die im Einstiegsamt meistens mit A13 bezahlt werden. Daneben wirken noch 1630 Lehrkräfte für Fachpraxis, die mit A9 beginnen. Der Unterschied zwischen der Endstufe eines Lehrers für Fachpraxis und des Einstiegs eines Lehrers für Fachtheorie betrage monatlich 1920 Euro. Diese Schere klaffe dann im weiteren Verlauf der Tätigkeit immer weiter auseinander. Erschwerend komme hinzu, dass der Lehrer für Fachpraxis zwei Stunden in der Woche mehr unterrichten müsse als der Lehrer für Fachtheorie.
Der BLVN hält das für ungerecht, da es sich bei den Lehrern für Fachpraxis meistens um Handwerker handelt, die einen Meistertitel haben und vor dem Start in der Berufsschule zusätzlich eine zweijährige Zusatzausbildung absolvieren müssten, bevor sie dann im Unterricht eingesetzt werden. Es werde ihnen also neben der Meister-Qualifikation noch eine weitere Fortbildung abverlangt, ohne dass sich dieses entsprechend in der Eingangsbesoldung schon abzeichne. Der Verbandsvorsitzende Ralph Boese spricht von „erfahrenen Fachleuten in Führungspositionen“. Judith Wolff von der Sahl vom Berufsschullehrerverband stellt daher eine Forderung auf: Das Eingangsamt für die Lehrer für Fachpraxis solle bei A10 statt A9 liegen, die Spreizung für jene, die dann zusätzliche Funktionen übernehmen, solle bis A12 (statt bisher A11) reichen.
Nach Ansicht des Berufsschullehrerverbandes ist die aktuelle Situation auch deshalb ungerecht, weil das Land bereits nach Quereinsteigern für die allgemeinbildenden Schulen und auch die Berufsschulen suche, dort werde aber damit geworben, dass A13 gezahlt werden solle. Ein Quereinsteiger mit guten Aussichten auf A13 habe dann aber vielleicht eine schlechtere Vorbildung als der Handwerksmeister, der nach aufwändiger Zusatzausbildung zum Berufsschullehrer werde. Hinzu komme, dass ein Meister, der in der freien Wirtschaft bleibe, sehr viel höhere Aussichten auf eine Einkommenssteigerung habe als jemand, der mit Meister- und Zusatzausbildung zum Berufsschullehrer werde.
Dirk Blissenbach vom Finanzministerium, der für die Besoldungsfragen zuständig ist, hat dazu allerdings einen kritischen Einwand: Nach der Corona-Krise und angesichts der Ukraine-Krise sei der Spielraum für Besserstellungen von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eher gering, außerdem stehe ja das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Beamtenbesoldung noch aus. Cornelia Baden vom Kultusministerium ergänzte, es gebe ja auch Arbeitserleichterungen für die Lehrer für Fachpraxis, etwa kleinere Klassen als für Lehrer für Fachtheorie (22 Schüler). Gegenwärtig werden von den Lehrern für Fachpraxis 569 nach A9 bezahlt, rund 1000 nach A10 und 86, die besondere Funktionsstellen ausüben, nach A11. Die Forderung des Berufsschullehrerverbandes würde jährliche Kosten für den Landeshaushalt von 8,5 Millionen Euro erzeugen.