
Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat nach dem Regierungswechsel von Rot-Schwarz zu Rot-Grün offenbar nicht vor, in der Führung der Landespolizei größere Veränderungen vorzunehmen. Die acht Polizeipräsidenten (je einer in den sechs Polizeidirektionen, dazu der Landespolizeipräsident und der Präsident der Direktion für Zentrale Dienste) sind zwar politische Beamte, die jederzeit ohne Angaben von Gründen auch abgelöst werden können. Aus dem Umfeld von Pistorius verlautet aber, dass eine größere personelle Erneuerung nicht vorgesehen ist. Allgemein gerechnet wird mit einem Wechsel an der Spitze der Polizeidirektion in Hannover, da Polizeipräsident Volker Kluwe im kommenden Jahr das 67. Lebensjahr vollendet.
Spekuliert wird zuweilen, dann könne die derzeitige Polizeipräsidentin aus Göttingen, Gwendolin von der Osten, in die Landeshauptstadt zurückkehren und in Hannover neue Polizeipräsidentin werden. Aus anderen Quellen heißt es indes, von der Osten fühle sich in Göttingen wohl, Pistorius erwäge eine alternative Lösung. Wie es heißt, ist damit wohl frühestens Anfang oder Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Was die Person des nächsten hannoverschen Polizeipräsidenten angeht, dürften die Grünen ein gewichtiges Wort mitreden – denn gemeinhin muss die Person einen guten Draht auch zur Stadtverwaltung haben, die von Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) geführt wird.
Die Sache mit den Polizeipräsidenten hat allerdings noch einen Haken: Das Bundesverfassungsgericht wird sich in den kommenden Monaten mit der heiklen Frage beschäftigen, ob das Amt eines Polizeipräsidenten überhaupt als „politischer Beamter“ eingestuft werden darf. In Nordrhein-Westfalen hatte es einen Rechtsstreit über diese Frage gegeben, in der Folge ist das Bundesverfassungsgericht in die Prüfung einbezogen worden – und in Karlsruhe muss demnächst eine Entscheidung fallen. Es könnte sein, dass das höchste Gericht der Auffassung ist, der Status des „politischen Beamten“ dürfe nur auf Funktionen bezogen werden, die im engeren Sinne mit politischen Entscheidungen zu tun haben.
Das klassische Beispiel dafür sind die Staatssekretäre, die als rechte Hand der jeweiligen Minister wichtige politische Weichenstellungen vorbereiten, begleiten und umsetzen. Das Oberverwaltungsgericht in Münster aber meint, dass dies für Polizeipräsidenten eben nicht gilt, da sie mit klassischen Verwaltungsaufgaben (Planung von Polizeistärken, Organisation der Polizei, Planung und Begleitung von größeren Polizeieinsätzen) zu tun haben, die sich einer politisch inhaltlichen Gewichtung entziehen. Sie hätten sogar eine politische Unabhängigkeit in ihrer Aufgabenwahrnehmung und stünden typisch für die Grundsätze des Berufsbeamtentums, denen zufolge die Besetzung an den Kriterien von Eignung, Befähigung und Leistung gemessen werden muss – und nicht an politischer Nähe zur jeweiligen Führung. „Politische Beamte“ können vom jeweiligen Minister jederzeit ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Das ist bei Laufbahnbeamten, die gemeinhin weniger gut besoldet werden, nicht der Fall – sie genießen damit einen höheren Schutz vor spontanen Versetzungsplänen der jeweiligen Landesregierung.
In Niedersachsen ist neben den Polizeipräsidenten auch der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz bisher ein politischer Beamter. Amtsinhaber Bernhard Witthaut hatte sich Ende Oktober in den Ruhestand verabschiedet, das Amt wird gerade von seiner Stellvertreterin ausgeübt, der promovierten Juristin Martina Oelkers, die zeitweise in Osnabrück das Rechtsreferat der dortigen Polizeidirektion geleitet hat. Oelkers ist allerdings derzeit keine politische Beamte, sondern hat den üblichen beamtenrechtlichen Weg beschritten. Gut möglich wäre, dass der Innenminister sie demnächst formell als Nachfolgerin von Witthaut beruft. Dann wäre sie allerdings wieder eine politische Beamtin – und nach der Logik der Argumentation im Rechtsstreit, der vom OVG Münster ausgeht und demnächst das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird, könnte auch das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten schlecht mit dem Status des politischen Beamten vereinbar sein. Gerade dort könnte politische Unabhängigkeit ein wichtiger Faktor werden.

Martina Oelkers kommissarisch die Behörde. | Fotos: Verfassungsschutz Niedersachsen, Montage: Rundblick