Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes hat Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Donnerstag eine Überarbeitung des Verfassungsschutzgesetzes angekündigt. Aktuelle Gerichtsurteile sollten ausgewertet und in das Gesetz eingearbeitet werden.

Innenministerin Daniela Behrens stellt den Verfassungsschutzbericht vor. | Foto: Wallbaum

Bei der Gelegenheit will Behrens ihrer Behörde offenbar auch die Chance eröffnen, weitere technische Mittel zur Überwachung von Extremisten anzuwenden. Im Gespräch sind immer wieder die Online-Durchsuchung bei Computern und die Handy-Überwachung. Beide Varianten waren bei der Gesetzesnovelle 2021 zwar von der CDU verlangt worden, vom damaligen Koalitionspartner SPD aber abgebremst worden. Sie stehen daher noch nicht im Gesetz. Innenminister Boris Pistorius (SPD) war seinerzeit auch skeptisch geblieben. Behrens sagte jetzt: „Wenn die Extremisten verstärkt neue Techniken nutzen, muss die Demokratie auch wehrhaft sein.“



Zur Lage des Extremismus gaben die Ministerin und der Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril noch einige Einschätzungen ab:

Linksextremismus: Behrens forderte alle Klima-Aktivisten auf, sich klar von linksextremen Gruppen zu distanzieren. Linksextremisten versuchten verstärkt, eine Anbindung an Klima-Demonstranten zu finden. Dabei behaupteten sie, ein wirklicher Schutz der Umwelt sei nur möglich bei der Abschaffung des Kapitalismus und des Rechtsstaates. Weitere Felder, in denen sich Linksextremisten betätigen, seien Angriffe auf tatsächliche oder angebliche Rechtsextremisten – und das Thema Wohnungsnot. Wie Pejril erläuterte, sind die sogenannten „Klima-Kleber“ aus Sicht seiner Behörde „kein Beobachtungsobjekt“: Diese Gruppen setzten sich vehement für ihre Ziele ein, aber „extremistische Bestrebungen“ seien „nicht erkennbar“. Solche Bestrebungen wären gegeben, wenn sich das Wirken gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten würde. Zu den Linksextremisten in Niedersachsen werden rund 1200 Personen gerechnet.

Rechtsextremismus: Der Rechtsextremismus stellt aus Sicht von Behrens „nach wie vor die größte Gefahr dar“. Dazu zählten landesweit 1600 Personen, ein Bauernhof in Eschede (Kreis Celle) könne sich zum Anlaufpunkt völkischer Kräfte entwickeln. Was die AfD angeht, prüft das Landesamt eine mögliche Hochstufung vom bisherigen „Verdachtsobjekt“ zum „Beobachtungsobjekt“. Dazu müsste aber der Vorwurf, die AfD verfolge verfassungsfeindliche Ziele, mit klaren Fakten gerichtsfest belegt werden. 



Russische Propaganda: Zur Strategie der hybriden Kriegsführung gehören laut Pejril die Stiftung von Unruhe in Deutschland, die Spaltung der Gesellschaft und die Verharmlosung von Kriegsakten, sowie die Umkehrung der Kriegsschuldfrage. Spionage und Cyber-Angriffe seien an der Tagesordnung, gegen 13 Institutionen, teilweise staatliche, habe es solche Aktivitäten in Niedersachsen gegeben – so gegen Behörden, Wirtschaftsunternehmen (etwa im Bereich der Windenergie), Energieversorger, Universitäten oder auch Privatpersonen. Auch Landtagsabgeordnete seien Opfer von Angriffen auf ihre sozialen Netzwerke gewesen – mit dem Ziel, dort falsche Nachrichten zu platzieren.

Islamismus: In Niedersachsen werden 800 Salafisten gezählt, die Gefahr bestehe darin, dass ein Nährboden geschaffen werden könne für radikalisierte Einzeltäter. Die „Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft“ (DMG) in Braunschweig habe ihre Internetpräsenz massiv ausgeweitet, lade jede Woche salafistische Prediger ein und agiere mit einem Youtube-Kanal, der schon 70.000 Abonnenten zähle. Die DMG in Braunschweig könne „eine zentrale Rolle der überregionalen Vernetzung der islamistischen Szene“ übernehmen.

Ausländische Extremisten: Die kurdische PKK zählt in Niedersachsen 1600 Anhänger, die „grauen Wölfe“ als rechtsextreme türkische Organisation hat 700 Unterstützer in Niedersachsen, der türkische Linksextremismus wird auf 200 Anhänger geschätzt.