Mehr als die Hälfte der Niedersachsen fürchten sich nachts in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Haltestellen. Zu diesem Ergebnis gelangt die jüngste Befragung zu Sicherheit und Kriminalität, die Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Montag vorgestellt hat. Signifikant gestiegen sei im Vergleich zum Jahr 2021 der Anteil der Befragten, die aus diesem Grund den öffentlichen Personennahverkehr oder bestimmte Straßen, Wege und Plätze nach eigenen Angaben häufig oder immer meiden würden.

Daniela Behrens (r.) und Axel Brockmann stellen die Kriminalstatistik vor. | Foto: Kleinwächter

Dieses Empfinden korreliert mit Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik, die ebenfalls am Montag vorgestellt wurde. Demnach nahm die Zahl der Rohheitsdelikte im Jahr 2023 das zweite Jahr in Folge erheblich zu, nachdem es während der Corona-Zeit einen spürbaren Rückgang gegeben hatte. Aber auch im Vergleich zum Vor-Corona-Zeitraum schnellte die Zahl der Rohheitsdelikte, die die Polizei aufgenommen hat, deutlich in die Höhe und erreichte zuletzt den Spitzenwert von 95.052 Fällen. Insbesondere die Rohheitsdelikte im öffentlichen Raum nahmen zu, erläuterte Polizeipräsident Axel Brockmann und führte dies darauf zurück, dass sich allgemein mehr Geschehen im öffentlichen Raum abspielte. Brockmann sprach in diesem Zusammenhang auch von „Nachholeffekten“, die allgemein mit jener Zielgruppe in Verbindung gebracht werden könnten, die für derartige Taten anfällig sei. So habe sich die Zahl der nicht-erwachsenen Mehrfachintensivtäter erhöht von 23 auf 74 Minderjährige und von 64 auf 121 Heranwachsende. Die für diese Altersgruppe typischen Normüberschreitungen würden nun verzögert ausgelebt.

Waffenverbotszone: enorme Mehrbelastung, aber notwendig

Zu den Taten, die von der Polizei mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet werden, zählen auch jene Fälle, in denen Menschen mit Messern bedroht oder verletzt wurden. Die Häufigkeit dieser Fälle nahm um mehr als 8 Prozent zu, 244 Vorkommnisse mehr als noch im Vorjahr wurden 2023 erfasst. Insgesamt über 3000 Messerstechereien führt die Polizei in ihrer Statistik auf, wobei gegen 2447 Tatverdächtige ermittelt wurde. In fast der Hälfte der Fälle kam das Messer letztlich gar nicht direkt zum Einsatz, in zehn Fällen wurde der Messerangriff aber als vollendetes vorsätzliches Tötungsdelikt registriert. Als wichtiges Instrument im Kampf gegen Messerangriffe bezeichnete Behrens sogenannte Waffenverbotszonen, wie es sie in Hannover bereits rund um den Hauptbahnhof und an anderen Stellen in der Innenstadt gibt. Sie halte es für notwendig, dass die Kommunen dies in Erwägung zögen. Auf Nachfrage nannte sie die Städte Braunschweig und Oldenburg, in denen darüber nachgedacht werden sollte. Die Waffenverbotszonen seien aufgrund der erhöhten Kontrolldichte für die Polizei zwar eine „enorme Mehrbelastung“, aber man müsse dem Phänomen etwas entgegenstellen.

Bemerkenswert ist, dass der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen im Bereich der Messerangriffe 41 Prozent ausmacht. Die Tatverdächtigen waren zudem zu einem Großteil männlich (87 Prozent) und älter als 21 Jahre (70 Prozent), wobei der Anteil der Jugendlichen um 12 Prozent und der Anteil der Heranwachsenden um 18 Prozent zugenommen habe, berichtete Brockmann. Er verwies auch darauf, dass sich die Taten in der Regel innerhalb der eigenen Gruppe ereigneten. Unter allen Tatverdächtigen ist der Anteil der Migranten laut Kriminalstatistik gestiegen. Von den fast 230.000 Tatverdächtigen im Jahr 2023 waren rund 74.000 ohne deutschen Pass, davon fast 19.000 Flüchtlinge. Innenministerin Behrens will in diesen Zahlen allerdings keinen Beleg dafür erkennen, dass Migranten per se zu kriminellen Handlungen neigten. Es sei lediglich festzustellen, dass mit einer wachsenden Zahl von Migranten auch der Anteil der Migranten an der Kriminalstatistik zunehme.



Insgesamt bezeichnet Behrens Niedersachsen als ein sicheres Bundesland. Zwar gebe es mehr Taten, aber auch die Aufklärungsquote sei gestiegen. Dies sei auch dem rund 25.000 Personen zählenden Polizeiapparat zu verdanken. Neben der neuen Häufigkeit bei den Rohheitsdelikten, den Messerstechereien und den nicht-deutschen Tatverdächtigen bereitet der Innenministerin vor allem die steigende Kinder- und Jugendkriminalität Sorgen. Im November sei eine Bund-Länder-Projektgruppe eingerichtet worden, um wissenschaftlich begleitet Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Im April soll es zudem eine ressortübergreifende Fachtagung zu diesem Thema geben.