
Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover ist und bleibt hoffnungslos überlastet. Die geplante Generalsanierung der Strecke wird nach Angaben der Deutschen Bahn (DB) zwar wieder für mehr Pünktlichkeit sorgen – die Zahl der Verspätungen wird dadurch aber nur reduziert und nicht auf null zurückgefahren. Mehr Zugverkehr auf der zentralen Gleisachse zwischen den Nordseehäfen und Südeuropa wird es durch die Runderneuerung ebenfalls nicht geben. „Wir sind bei einer Auslastung von 147 Prozent – da wird nicht mehr viel gehen“, sagt Lars Lücking, Projektleiter für die Generalsanierungen in Niedersachsen. Bei einer Veranstaltung des Presseclubs Hannover machte der Bauingenieur im Dienst der DB-Schienennetztochter Infra GO deutlich, dass es letztlich nur einen Weg gibt, um den Zugverkehr zwischen den beiden größten Städten in Norddeutschland nachhaltig zu verbessern: eine Neubaustrecke. „Für uns ist das Thema nicht vom Tisch“, bekräftigte Lücking. Grundsätzlich hält er zwar auch eine Erweiterung um ein drittes Gleis für möglich, aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit werde diese Variante aber niemals vom Bund genehmigt werden. „Eine Neubaustrecke auf der grünen Wiese zu bauen, ist immer leichter als eine Bestandssanierung, bei der ich jeden Quadratmeter neu verhandeln muss“, erklärte der Infrastrukturexperte. Allerdings würden auch unter den mehr als 20 Varianten für eine Neubaustrecke, die von der Bahn geprüft wurden, nur sehr wenige die Mindestanforderungen an die Wirtschaftlichkeit erfüllen.
Während man ein Glas nur zu 100 Prozent befüllen kann, verhält es sich bei einer Bahnstrecke anders. „Bei 100 Prozent Auslastung können Sie 100 Prozent Qualität und Pünktlichkeit erwarten“, erklärte Lücking. Bei einer Auslastung von 147 Prozent, wie sie derzeit auf der Strecke Hamburg-Hannover zu finden ist, sei unter optimalen Bedingungen bestenfalls eine Pünktlichkeitsquote von 81 Prozent möglich. Das bedeutet: Selbst ohne Störungen und Baustellen wird auch nach der Generalsanierung der Strecke Hamburg-Hannover jeder fünfte Güter- oder Personenzug (19 Prozent) mit einer Verspätung von sechs Minuten oder mehr ankommen. In Bahnkreisen spricht man hier von der „betrieblichen Pünktlichkeit“, während die „Reisenden-Pünktlichkeit“ sogar noch bei einer Verspätung von unter fünf Minuten erreicht wird. Weil der überalterte Streckenzustand derzeit weit vom Optimum entfernt ist, lag die tatsächliche Pünktlichkeitsrate für Hamburg-Hannover im Juli 2024 sogar nur bei 56 Prozent – und damit sechs Prozentpunkte unter dem bundesweiten Durchschnittswert im Fernverkehr.

Maximal 25 Prozentpunkte mehr Pünktlichkeit – das klingt zwar nicht gerade ambitioniert. Lücking betonte aber, dass eine zügige Kompletterneuerung der 163 Kilometer langen Strecke unumgänglich sei. „Irgendwann ist ein Bauteil einfach am Ende, und dann haben wir das, was wir heute zwischen Hamburg und Hannover vorfinden: Es gibt Weichen, die nicht umlaufen. Signale, die nicht mehr auf Grün springen. Schranken, die nicht mehr hochgehen“, schilderte Lücking. Gefährlich sei das zwar nicht. „Wir sind bei der Bahn immer sehr sicher – da würde ich meine Hand für ins Feuer legen“, so der Ingenieur. Um die Lebensdauer einiger Anlagen zu verlängern, könnten diese aber nur noch unter eingeschränkter Belastung verwendet werden.
Insgesamt 41 Generalsanierungen sind geplant, um 4000 von 9200 Streckenkilometern im Hochleistungsnetz der DB zu erneuern. 15 Generalsanierungen betreffen Niedersachsen direkt. Den Auftakt macht die Strecke Hamburg-Berlin von August 2025 bis Mai 2026, die sich vor allem auf den Raum Braunschweig auswirken wird. Die Generalsanierung Hamburg-Hannover ist von Februar bis September 2029 geplant und wird mit einer Vollsperrung der Strecke verbunden sein. Weil die Bauarbeiten allein für diesen Zeitraum zu umfangreich wären, wird die Strecke zwischen Hannover-Buchholz und Maschen bereits ab dem 1. Mai 2026 für zehn Wochen gesperrt. Als Teil einer „Qualitätsoffensive“ will die DB Infra GO unter anderem schon einmal 100 Kilometer Gleis und 70 Weichen erneuern sowie das Stellwerk Uelzen neu bauen. Auch die Bahnhöfe Stelle, Suderburg, Großburgwedel und Langenhagen-Mitte werden modernisiert. „Das wird ein Riesenkraftakt“, so Lücking. Dass die Bahn in dieser kurzen Zeit alle Ausbauziele zu 100 Prozent erreichen wird, kann er nicht versprechen. Sicher ist jedoch: „Am 10. Juli 2026 um 21 Uhr muss der nächste Zug gehen. Da gibt es keine Alternative, das muss klappen.“