31. März 2020 · 
Soziales

Ausgehverbot in Altenheimen? Noch belässt es die Regierung bei dringenden Mahnungen

Die schlimmen Vorfälle im Hanns-Lilje-Altenheim in Wolfsburg, in dem mindestens 17 Menschen mit nachgewiesener Corona-Infektion innerhalb weniger Tage gestorben sind, rütteln die Landespolitik auf. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) räumte gestern ein, dass es ein Fehlverhalten der Heimleitung gegeben haben könnte. Diese sei verpflichtet, schon beim ersten Auftreten eines Verdachtsfalls das Gesundheitsamt zu informieren. Dies sei hier möglicherweise nicht geschehen, denn es gibt Berichte, wonach erst am 26. März, also eine Woche nach dem Bekanntwerden des ersten Erkrankten, die anderen Bewohner getestet worden seien. Es sei noch „zu früh, hier eine Bewertung abzugeben“, sagte die Ministerin. Claudia Schröder, Leiterin der Gesundheitsabteilung des Sozialministeriums, schloss strafrechtliche Konsequenzen des Falles nicht aus. Auch in Wildeshausen (Kreis Oldenburg) gibt es eine Häufung von Infektionen unter den Bewohnern eines Altenheimes (23 Bewohner und 17 Pflegekräfte), aus dem Kreis Göttingen sei ebenfalls ein ähnlicher Fall gemeldet worden. https://www.youtube.com/watch?v=KjvHF_EErfU Reimann nahm auch zu Überlegungen Stellung, für Bewohner von Altenheimen eine Ausgangssperre zu verhängen – also das Verbot, das Heim zu verlassen. Eine solche Anweisung wolle man bisher nicht geben, man appelliere aber ausdrücklich an alle älteren Menschen in Alten- und Pflegeheimen, auf Kontakte zur Außenwelt weitgehend zu verzichten. Spaziergänge im Garten seien in Ordnung, solange nicht mehr als zwei Menschen sich zusammen bewegen. Von Ausflügen außerhalb des Geländes solle man aber absehen. Ab sofort gebe es zudem einen Aufnahmestopp in Pflegeheimen.

Heime müssten 14 Tage Quarantäne ermöglichen können

Neue Bewohner könnten nur dann einziehen, wenn in der Einrichtung eine Quarantäne-Möglichkeit bestehe – das heißt, wenn der Betreffende zwei Wochen lang isoliert von den anderen untergebracht und versorgt werden kann. Pflegebedürftige sollten derzeit in Kurzzeitpflege-Einrichtungen versorgt werden. Reimann zeigte sich verärgert über bekannt gewordene Vorfälle, in denen Angehörige die Altenheimbewohner abgeholt und sie zum Kaffeetrinken eingeladen hätten. Dies dürfe nicht geschehen, das verhängte Besuchsverbot müsse unbedingt eingehalten werden.
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Wer dagegen verstoße, könne und werde zu einer Bußgeldzahlung verpflichtet werden. Das Infektionsschutzgesetz gebe dazu eine Handhabe. Physiotherapeuten sollten nur die nötigsten Aufgaben versehen, die Lieferanten sollten Pflegeheime besser nicht betreten, sie dürften nur so wenig Kontakt wie möglich zu den Bewohnern haben. Als eine Folge der gehäuften Todes- und Krankenfälle in Wolfsburger Altenheimen ist auch die Klinik in der Stadt für neue Patienten geschlossen worden. Reimann erklärte, der Schritt sei vertretbar, da es im Raum Wolfsburg, Gifhorn und Braunschweig genügend alternative Angebote gebe. Die Stadt teilte gestern Abend mit, dass ein vorübergehendes Behelfskrankenhaus im Wolfsburger Hotel „Global Inn“ eingerichtet werde.

Mundschutz schützt nur die anderen

In der gestrigen Pressekonferenz nahm die Sozialministerin auch zur Entscheidung Österreichs Stellung, das Einkaufen künftig nur noch Kunden zu gestatten, die einen Mundschutz tragen. Dies könne nicht vor Ansteckung schützen, wohl aber verhindern, dass der Mundschutzträger selbst über eine feuchte Aussprache andere leicht infizieren kann. An dieser sachlichen Einschätzung habe sich nichts geändert, es gebe aber einige Virologen, die mittlerweile eine andere Meinung zu dieser Frage vertreten und von der bisherigen Linie der Weltgesundheitsorganisation WHO abweichen würden. Die WHO hatte den einfachen Mundschutz für Menschen, die sich auf der Straße und in Geschäften bewegen, als unnötig bezeichnet.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #062.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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