Auf einmal wiederentdeckt: Die Bedeutung der Parteiarbeit
Darum geht es: Während die SPD derzeit heftig streitet über die Erneuerung und Verbesserung der Parteiarbeit, schafft die CDU-Vorsitzende Angela Merkel Fakten: Sie schlägt Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin vor. Beides zeigt, wie sehr sich die politischen Gewichte in den beiden großen Volksparteien verschieben, meint Klaus Wallbaum.
Viel spricht dafür, dass Angela Merkel im fortgeschrittenen Stadium ihrer Karriere an die Zeiten zurückdenkt, die deren Anfang und Mitte markieren. Als sie 1998 neue CDU-Generalsekretärin wurde, blieb sie das gerade mal anderthalb Jahre – und stürmte dann an die Spitze, wurde Parteichefin. Nun ist bekannt, dass Annegret Kramp-Karrenbauer von Merkel sehr geschätzt wird, dass die Kanzlerin in ihr sogar eine Wunsch-Nachfolgerin sieht. Soll also die Kür der bisherigen saarländischen Ministerpräsidentin zur neuen CDU-Generalsekretärin den fließenden Übergang ebnen, ist Kramp-Karrenbauer dann vielleicht schon in wenigen Jahren die neue Parteivorsitzende, womöglich auch die nächste Kanzlerin?
Historische Vergleiche hinken oft, und hier gilt das besonders. Als Merkel Generalsekretärin wurde, war die CDU gerade nach 16 Regierungsjahren in die Opposition geschickt worden. Und als sie CDU-Chefin wurde, war der Höhepunkt der Parteispendenaffäre erreicht, ihr Vorgänger Wolfgang Schäuble musste wegen widriger Umstände seinen Platz räumen. Das heißt, die CDU lag seinerzeit orientierungslos und demotiviert am Boden.
Die derzeitige Lage ist eine ganz andere: Die CDU, die seit der Jahrtausendwende fast ausschließlich von Merkel repräsentiert wird, befindet sich seit 13 Jahren ununterbrochen an der Regierung, die Kanzlerin selbst deutet einen möglichen Abschied in absehbarer Zeit an, und in der Partei rühren sich Kritiker, die in der CDU mehr sehen wollen als einen Kanzlerwahlverein. Aber die Union ist immer noch mit Abstand die stärkste politische Gruppierung, und deshalb geht es für sie darum, möglichst viel von der führenden Position zu sichern. Es gibt in der CDU-Geschichte tatsächlich zwei ähnliche Situationen nach langjährigen Kanzlerschaften, in denen jeweils der Posten des Generalsekretärs eine wichtige Rolle spielte. In beiden Fällen endete das ganze jedoch für die Christdemokraten eher enttäuschend.
Kramp-Karrenbauers Nominierung ist ein Signal
Als die CDU Ende der achtziger Jahre in der Regierungsroutine zu erstarren drohte, wollte der machtbewusste Generalsekretär Heiner Geißler ihr mehr Selbstständigkeit verleihen – und die Übermacht von Helmut Kohl beschränken. Kohl fasste das als Kampfansage auf und löste Geißler ab. Ihm folgten Generalsekretäre, die sich mehr als Sekretäre denn als Generäle verstehen sollten. Es dauerte danach zwar noch zwei Wahlperioden, bis die CDU die Regierungsmacht verlor, aber der Niedergang der Partei hatte spürbar mit Geißlers Demontage begonnen.
Noch früher, 1962, sollte ein „geschäftsführender Vorsitzender“ die CDU beleben – es ging damals darum, der Partei nach der langen Kanzlerschaft Konrad Adenauers ein Eigengewicht zu geben. Doch der Amtsinhaber und heute längst vergessene Josef Hermann Dufhues konnte die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen, er scheiterte.
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Dufhues wurde gerufen, als der Kanzler Adenauer 13 Jahre im Amt war. Kramp-Karrenbauer tritt ihr Amt nun nach 13 Jahren Regierungsführung von Angela Merkel an. Sie muss aufpassen, dass sie nicht das Schicksal von Dufhues ereilt. Denn dass eine profilierte Ministerpräsidentin neue Generalsekretärin der CDU wird, nicht wie bisher ein aufstrebender jüngerer Politiker, ist zwar schon einen Signal, dem Amt mehr Gewicht zu verleihen. Aber umsetzen kann Kramp-Karrenbauer die Erwartungen nur, wenn sie eine größere Machtfülle erhält als einst Dufhues oder Geißler – oder als ihr Vorgänger Peter Tauber.
Die Kanzlerin und Parteichefin muss es auch erdulden, wenn die Generalsekretärin ihre eigenen Akzente so setzt, dass sie zu Merkels Positionen auch in Widerspruch geraten können. Anders ausgedrückt: Merkel zieht sich am besten auf die Repräsentationsrolle und die Außenpolitik zurück und überlässt, Schritt für Schritt, ihrer neuen Generalsekretärin das Feld zur Profilierung. Ob die Kanzlerin dazu die Weisheit besitzt?
Für die Demokratie ist das gar nicht schlecht, dass sich die Spitzenpolitiker künftig mehr um die Pflege der Parteiarbeit kümmern wollen.
Immerhin ist ja auch die SPD auf dem Weg, die Rolle der Parteiarbeit zu stärken. Die neue Vorsitzende, die wohl Andrea Nahles heißen wird, soll bei der angepeilten Großen Koalition nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden werden. Sie wird ihre ganze Kraft in die Aufgabe stecken, der SPD ein neues Profil zu geben und die inhaltlichen Debatten zu fördern und zu steuern. Genau das muss Kramp-Karrenbauer auch leisten.
Für die Demokratie ist das gar nicht schlecht, dass sich die Spitzenpolitiker künftig mehr um die Pflege der Parteiarbeit kümmern wollen. Auch wenn manche das bewährte politische System schon dem Untergang geweiht sehen – wie einst in Italien oder jetzt in Frankreich. Tatsächlich sind die Volksparteien wichtig für die parlamentarische Demokratie, weil sie verschiedene Ansprüche formulieren und Kompromisse schmieden können.
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