Ist Niedersachsens Landeshauptstadt keine Reise wert? Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe finden nur neun Prozent der Befragten Hannover attraktiv. Unbeliebter ist nur Saarbrücken. Dieses Ergebnis hat in Hannover für viel Verwunderung gesorgt. Deshalb blicken wir nun genauer hin auf die Baustellen dieser Stadt. Heute: Architektur und Stadtplanung.

Als Dilek Ruf 2006 nach Hannover gekommen ist, hat sich die Architektin über so manches gewundert. Vor allem der City-Ring sei in seiner Beschaffenheit etwas, das jemand, der von außen kommt, nicht sofort verstehe, sagt Ruf im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.


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Wie meint sie das? Auch ohne städtebauliches Fachwissen bekomme man bei der vielspurigen Straße, die den Innenstadtbereich umgibt, ein Störgefühl. Das hänge zusammen mit der Dichte der Bebauung, die an dieser Stelle vielfach nicht stimme, und mit den Proportionen: zu viel Straße, zu niedrige Gebäude drum herum.

Zur Person: Dilek Ruf

Dilek Ruf ist Architektin und leitet in Hannover ein Büro mit 17 Mitarbeitern. Seit 2019 ist sie Vorsitzende vom Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) im Bezirksverband Hannover. Sowohl im Zuge der Kulturhauptstadt-Bewerbung als auch im Innenstadt-Dialog bringt sie ihre Expertise in die Stadtpolitik mit ein. Bevor Ruf 2006 nach Hannover gezogen ist, lebte sie bereits in Gießen, Darmstadt, Los Angeles und Frankfurt am Main – sie kennt also durchaus noch andere Städte und deren Vor- und Nachteile.

An einer Stelle entlang des City-Rings sei die Architektur inzwischen aber deutlich besser geworden, sagt Ruf. Am Hohen Ufer, dem Abschnitt entlang der Leine vom Beginenturm bis zur Üstra-Zentrale, sei es gelungen „eine der besten städtebaulichen Reparaturen“ vorzunehmen, die sie kenne: „Wohnen, Bildung und Gastronomie sind dort zusammengebracht. Es wurde eine europäische Stadt im besten Sinne geschaffen, die 24/7 bevölkert ist, so wie man sich das wünscht.“

Fährt man den City-Ring weiter in Richtung Süden, vorbei am prunkvollen Neuen Rathaus, gelangt man an den Aegidientorplatz (in Hannover kurz: Aegi). Dieser Platz habe sich ebenfalls zum Positiven gewandelt, findet die Architektin. Geheilt werden konnte die große Leere durch den Glaspalast der Nord/LB und auch das Deloitte-Gebäude, die dem Platz nun Form und Kontur geben.

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Problematisch wird der City-Ring aus Rufs Sicht allerdings an der Raschplatzhochstraße. Was sie stört, ist aber gar nicht so sehr die Hochstraße an sich. Die sei städtebaulich zwar schwierig, weil sie die List von der Innenstadt abtrenne. Vor allem aber gehe es um den sozialen Aspekt, der an dieser Stelle mit dem Raschplatz, der B-Ebene und der dort verbreiteten Alkohol-, Drogen- und Obdachlosenszene relevant werde.

Investoren: Die Königin der B-Städte

Unter Investoren ist Hannover derweil gar nicht so unbeliebt wie bei den Deutschen, die eine Landeshauptstadt als Ausflugsziel auswählen sollten. Niedersachsens Landeshauptstadt gelte als „Königin der B-Städte“, erklärte Ruf im Rundblick-Gespräch. Das bedeute, nach den sieben A-Städten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) folge direkt Hannover als beliebtester Standort für Investitionen in Immobilien und Bauprojekte – an der Spitze der 14 B-Städte.

„Hannover ist eben nicht Berlin oder München – aber Berlin ist eben auch nicht New York.“

Ruf möchte damit ausdrücken, dass jede Stadt in ihrer jeweiligen Liga spielen sollte – „Hannover ist eben nicht Berlin oder München – aber Berlin ist eben auch nicht New York.“ Ein Problem ergibt sich allerdings auch aus der relativen Beliebtheit in Investorenkreisen. „Das zieht natürlich auch Investoren ohne lokale Verbundenheit an, deshalb dauern dann manche Dinge etwas länger. Das ist eine große Herausforderung für Städte.“

Ein Beispiel dafür ist das frühere Maritim-Hotel am Friedrichswall, an dem immer mal ein bisschen herumsaniert wird, das aber eigentlich schon seit längerem wie ein trauriges Gerippe in der Innenstadt steht. Für manche ist dieser Anblick schlicht schrecklich, Ruf plädiert aber dafür, die vermeintlichen Bausünden der 50er- oder 70er-Jahre nicht abzureißen.

Es gibt Architektur, die man aushalten muss – um sie dann weiterentwickeln zu können: Das ehemalige Maritim-Hotel am Friedrichswall wird entkernt und ganz langsam zu etwas Neuem | Foto: Link

Man müsse diese Gebäude „aushalten“, damit man irgendwann ihren Charme wiederentdecken könne, wie beispielsweise bei der alten Nord/LB-Zentrale am Georgsplatz. Bei anderen Gebäuden empfiehlt sie eine Weiterentwicklung, wie sie etwa bei dem heute keilförmigen „Peek-und-Cloppenburg“-Haus mitten auf dem Kröpcke sehr gut gelungen sei.

Fazit: verschlafene Schönheit, extrem robust

Die Beispiele machen deutlich: Niedersachsens Landeshauptstadt ist geprägt von Gegensätzlichkeiten. Die Architektin beschreibt Hannover als „verschlafene Schönheit“, wenn man sich in Richtung Maschsee und Neues Rathaus begibt. Oder eben als „extrem robust“, wenn man etwa den Raschplatz als erstes betrachtet. Diese gegensätzlichen Erscheinungsarten macht sie auch verantwortlich dafür, dass es im Rest der Republik kein einheitliches Bild gebe, das man mit Hannover verbinde. Es fehlt die klare Kontur, das Image jenseits des Mittelmäßigen, das Hannover gemeinhin nachgesagt wird. Aber Ruf glaubt fest daran, dass es das gibt.