Die Bauherren müssen wissen, dass es fatal sein kann, wenn man bei der Planung und Gestaltung eines Vorhabens spart.
Was hätte das nun für Folgen? Die Architektenkammer Niedersachsen teilt auf Anfrage des Politikjournals Rundblick mit, ein Wegfall der Mindestsätze werde „einen stärkeren Preiswettbewerb verursachen“. Es könnten dann auch Planer auftreten, die ihre Leistungen für sehr viel weniger Geld bereitstellen wollen. Doch die Architektenkammer warnt: „Die Bauherren müssen wissen, dass es fatal sein kann, wenn man bei der Planung und Gestaltung eines Vorhabens spart.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass Billig-Anbieter Vorschläge unterbreiten, die den Vorgaben der Funktionalität und Qualität außer Acht lassen. „Der Bauherr muss dann noch intensiver als bisher nachschauen, was der Planer tatsächlich anbietet – und welche Teile er womöglich weggelassen hat.“ Auch für die Architekten würde die neue Situation angesichts einer dann womöglich schlagartig wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland eine neue Herausforderung bedeuten. Nach Ansicht der Architektenkammer müssten sie „ihr Profil schärfen“, ihre Stärken nach außen sichtbar machen und verdeutlichen, zu welchen Leistungen sie imstande sind.
Mehrere Juristen schlagen intern bereits Alarm, sie sind gespannt, wie genau die EU-Richter urteilen werden. In Luxemburg liegen nämlich zwei ähnliche Verfahren vor. Im ersten Fall geht es um die Klage der EU gegen die Bundesrepublik, hier spielt die HOAI grundsätzlich eine Rolle. Ein zweiter Fall betrifft eine Beschwerde eines Bauherrn gegen einen Architekten, und dort steht die eine Seite auf dem Standpunkt, der Planer dürfe nur die vertraglich vereinbarten Kosten berechnen, nicht aber die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsätze. Sollte sich der EU-Gerichtshof dem anschließen, so droht womöglich auch eine rückwirkende Korrektur all jener Verträge, die noch nicht abgewickelt und vollständig ausgeführt worden sind. Sämtliche Honorarrechnungen, die einen Bezug zu dem in der HOAI genannten Mindestsatz aufweisen, könnten ihre rechtliche Grundlage verlieren.
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Für die niedersächsische Architektenkammer ist diese drohende Kulisse ein weiterer Beleg für die Besorgnis, durch politische und juristische Entscheidungen könne die Qualität der Architektentätigkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Nachdrücklich wirbt die Architektenkammer daher auch bei der Landesregierung dafür, die Ausbildungsgänge auszuweiten. Ein dreijähriges Bachelorstudium reiche dafür keineswegs aus, betont die Kammer. Die Absolventen seien nicht umfänglich genug ausgebildet, um später als Stadtplaner, Innen- oder Landschaftsarchitekten tätig werden zu können. Im Vergleich zu anderen Bundesländern biete Niedersachsen hier nur ein „Schmalspurstudium“ – das müsse geändert werden. Beim zuständigen Wissenschaftsministerium habe man allerdings noch keine Unterstützung erhalten.