14. Apr. 2021 · 
Bildung

Arbeitgeberverband: Macht die Schulen wieder auf!

Die Arbeitgeber in Niedersachsen appellieren an die Politik, die Schulen wieder zu öffnen und Präsenzunterricht zu ermöglichen. „Wir bekommen es zunehmend mit einer Corona-Generation zu tun. Die Defizite werden größer, der Distanzunterricht führt zu Lernrückständen", stellte Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt am Mittwoch in Hannover fest und sprach von einer „explosiven Situation". Die Lage sei angesichts der Diskussion um das Bundesinfektionsschutzgesetz brisant, die Politik kümmere sich viel zu wenig um die Belange der jungen Menschen. „Wo bleiben die grassierenden Zukunftsängste junger Menschen in der politischen Debatte", fragte Schmidt. Er warnte die Länder, sich über das Bundesinfektionsschutzgesetz die Bildungspolitik tatenlos an dieser Stelle aus der Hand nehmen zu lassen. „Ich würde mir hier eine starke Stimme aus Niedersachsen wünschen“, erklärte Schmidt

Den Bildungsnotstand sieht er als Ergebnis der bisherigen Art und Weise der Pandemiebekämpfung. Der Arbeitgeber-Chef warnte davor, die Schließung der Schulen allein an Inzidenzwerte zu koppeln, weil dies in die Irre führe. Es werde viel mehr Tests geben und diese würden bewirken, dass man demnächst vielleicht auch über Inzidenzwerte von 300, 400 oder 500 sprechen werde. Das allein sage aber nichts über die Krankheitslast aus.

Es erfüllt uns mit großer Sorge, dass nach faktisch einem Jahr ohne regulären Unterricht die Kompetenzentwicklung in einer wichtigen Phase vielfach auf der Strecke bleibt oder beschädigt wird.

Sein Verband und die Stiftung Niedersachsenmetall, die sich in der Bildungsförderung engagiert, haben rund 300 Unternehmen zur aktuellen Situation befragt. Ein Ergebnis: Jedes dritte Unternehmen stellt bei den Bewerbern inzwischen Lern- und Entwicklungsdefizite fest. Das betrifft den Zahlen zufolge sowohl die sogenannten MINT-Fächer als auch Sozialkompetenzen. Jedes fünfte Unternehmen konstatierte bei den Bewerbern weniger Kenntnisse über den Beruf. „Es gab einfach weniger Berufsorientierung, die jungen Menschen konnten eine viel schlechtere Vorstellung von dem Beruf gewinnen", sagte Olaf Brandes, Geschäftsführer der Stiftung. Er sprach von einem „verlorenen Jahr" für diese Generation. Ideenexpo-Erfinder Volker Schmidt sprach von einem emotionalen Thema. Seit Jahren bemühe man sich um die Sicherung von Fachkräften. „Es erfüllt uns mit großer Sorge, dass nach faktisch einem Jahr ohne regulären Unterricht die Kompetenzentwicklung in einer wichtigen Phase vielfach auf der Strecke bleibt oder beschädigt wird.“

In höheren und mittleren Schichten fällt es den Eltern leichter, für eine vernünftige, technische Ausstattung ihrer Kinder zu sorgen und sie beim Lernen zu unterstützen.

Schon jetzt versuchten 70 Prozent der Unternehmen, die entstandenen Defizite in der Ausbildung auszugleichen. Die Wirtschaft sieht aber auch die Bildungspolitik und die Schulen selbst am Zug, sie müssten die Kinder mehr und besser fördern. Dazu gehören für Schmidt Unterricht am Sonnabend oder Lernangebote in den Ferien. Außerdem müssten Schüler gezielter und individueller in kleinen Gruppen oder Einzelbetreuung unterstützt werden. Er sieht vor allem Kinder im Nachteil, die mit der deutschen Sprache Schwierigkeiten haben. „In vielen Familien wird zuhause gar kein Deutsch gesprochen, der Kontakt erfolgt über die Schule und die Schulkameraden. Durch den Unterrichtsausfall gehen Kompetenzen zurück, die Lernlücke vergrößert sich gerade Tag für Tag." Auch Brandes mahnte, es komme zu einer größeren Spreizung zwischen den sozialen Schichten. „In höheren und mittleren Schichten fällt es den Eltern leichter, für eine vernünftige, technische Ausstattung ihrer Kinder zu sorgen und sie beim Lernen zu unterstützen." Schmidt verwies auf die schwierige Lage in vielen Familien nach einem Jahr Corona-Pandemie, die die Kinder häufig sogar in den Sportvereinen abgemeldet hätten. Die Politik blende die Realität in den Familien vielfach aus.

„Wir müssen jetzt eine Bildungsoffensive starten. Es darf keine Generation der Verlorenen geben", beschwor Schmidt die Politik. Um den Präsenzunterricht schnellstens möglich zu machen, müssen nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes alle Lehrkräfte in allen Schulformen schnellstmöglich geimpft werden.  Darüber hinaus müsse zusätzliches Personal angeworben werden, zum Beispiel Lehramtsstudierende oder auch pensionierte Lehrkräfte. Dazu braucht es Olaf Brandes zufolge sowohl Geld als auch eine Strategie. Die Wirtschaft wünscht sich darüber hinaus mehr personelle Unterstützung für die Verwaltung und ein Sonderbudget, das die jeweiligen Schulen für Investitionen selbst verwalten können sollten.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #070.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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