Antisemitismus? Hildesheimer Servicestelle gegen Radikalisierung gerät in den Fokus
Die Service- und Beratungsstelle gegen Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit in Hildesheim will gegen Islamfeindlichkeit und Antisemitismus vorgehen. Der Träger, die Caritas in Hildesheim, hat dafür einen Mitarbeiter eingestellt, der im Zusammenhang mit der Affäre an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) unter Antisemitismusverdacht geraten war. Hintergrund waren Bilder mit antisemitischen Inhalten auf seiner Facebook-Seite. Dabei wurde zum Beispiel der Davidstern mit dem Hakenkreuz in Zusammenhang gebracht oder auf Internetseiten verlinkt, die Israel Apartheid vorwerfen.
Bei der Caritas heißt es, die früheren Facebook-Aktivitäten des Mitarbeiters seien bislang nicht bekannt gewesen. Man sei erst durch Medienanfragen darauf aufmerksam geworden. Der Vorstand des Orts-Caritasverbandes Hildesheim bewerte die Durchmischung von Symbolen als „misslungene Politsatire und versuchte Dekonstruktion von Symbolen auf studentischem Niveau, jedoch nicht als antisemitisch intendierte Äußerungen“. Der Mitarbeiter selbst sehe diese Bilder inzwischen ebenso kritisch und habe sie längst gelöscht. Zugleich habe er in einem Gespräch erklärt, dass er selbst die Begriffe „kolonialer Siedlerstaat“ sowie „Apartheid-Regime“ nicht öffentlich vertreten oder geäußert habe. Allerdings geht aus den Bildschirmfotos der Facebook-Mitteilungen, die dem Politikjournal Rundblick vorlegen, durchaus hervor, dass er Links auf Internetseiten veröffentlichte, die zum Beispiel den Begriff der Apartheid benutzten. Dennoch kommt die Caritas in Hildesheim zum Ergebnis: Dem Mitarbeiter sei „zum damaligen Zeitpunkt sicher ein laxer Umgang mit Facebook vorzuwerfen, aber keine radikalen Ansichten“.
https://soundcloud.com/user-385595761/ausgerechnet-demokratie-beratungsstelle-in-hildesheim-unter-antisemitismus-verdacht
Der Mitarbeiter selbst schrieb in einer älteren Stellungnahme, er nutze Facebook weitestgehend dazu, verschiedene Positionen und Aspekte zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen in seinem privaten Umfeld zu teilen. „Die dabei geposteten Inhalte stellen nicht zwangsläufig meine Meinung dar und dienen dem Anstoß zu kritischem Denken.“ Viele der Inhalte und ein Großteil der Bilder befänden sich bereits seit Längerem nicht mehr auf der Seite. Die Bezugnahme zum südafrikanischen Apartheid-Regime und dem Israel-Boykott seien ihm diskussionswert erschienen. „Diese Position wurde jedoch an keiner Stelle von mir übernommen, vertreten oder kommentiert.“ An der HAWK war der Mitarbeiter, den wir gestern telefonisch nicht erreichen konnten, nach eigener Darstellung damals beurlaubt worden. Zuvor waren auch dort seine auf Facebook geteilten Inhalte öffentlich geworden. Bei dem Skandal an der Hochschule ging es um ein Seminar, in dem über mehrere Jahre hinweg nicht wissenschaftlich, in Teilen antisemitisch und extrem einseitig gearbeitet worden war – zu diesem Ergebnis kam das Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, dessen Experten das Seminar nachträglich unter die Lupe genommen hatten.
Dem Mitarbeiter ist zum damaligen Zeitpunkt sicher ein laxer Umgang mit Facebook vorzuwerfen, aber keine radikalen Ansichten – Caritas Hildesheim
In der Landespolitik sorgt die Personalie in der Service- und Beratungsstelle für Erstaunen. Die FDP im Landtag will deshalb eine Anfrage an die Landesregierung stellen. „Vor dem Hintergrund, dass der Mitarbeiter mit israelfeindlichen Facebook-Posts aufgefallen ist, ist die Leitung der Beratungsstelle gegen Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit durch ihn fragwürdig“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner dem Politikjournal Rundblick. Man wolle vom Justizministerium deshalb wissen, wie dieser Umstand bewertet werde und wie sichergestellt sei, „dass in der staatlich finanzierten Beratung keine antisemitischen Haltungen gefördert und geduldet werden“. Das Justizministerium fördert die Servicestelle über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ in diesem und im nächsten Jahr mit jeweils 55.000 Euro.
„Aus unserer Sicht muss gelten, dass Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in keine Richtung toleriert werden. Zugleich gilt, dass es stets einer Einzelfallprüfung bedarf, wenn entsprechende Vorwürfe im Raum stehen“, heißt es aus dem Ministerium. Die Personalentscheidungen oblägen den jeweiligen Trägern. Man erwarte dabei aber von den Kooperationspartnern und ihren jeweiligen Mitarbeitern, dass die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingehalten würden und die Arbeit für Demokratie und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit stets auch im Bewusstsein für das besondere Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel stattfinde. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer meinte, wer in einer Service- und Beratungsstelle eine leitende Funktion einnehme, müsse zur Versöhnung in der Lage sein und seine Position zum Staat Israel und seinem Existenzrecht eindeutig erklären. „Grundsätzlich müssen sich geförderte Einrichtungen und ihre Mitarbeiter im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegen“, so Toepffer.
Die Bilder auf Facebook sind indiskutabel. Hier wurden eindeutig Grenzen überschritten. – Ulf Prange, SPD-Abgeordneter
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ulf Prange, wünscht sich von der Hildesheimer Caritas eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Vorgang. „Gerade in diesem sensiblen Bereich, in dem die Servicestelle arbeitet, gibt es höhere Anforderungen. Deshalb sind die Veröffentlichungen auf Facebook hochproblematisch“, sagte Prange dem Rundblick. Eine „misslungene Politsatire“ sieht er in den Bildern nicht. „Sie sind indiskutabel. Hier wurden eindeutig Grenzen überschritten.“