Manches an Bernd Althusmann, den Vorsitzenden der niedersächsischen CDU und Vize-Ministerpräsidenten, erinnert an einen anderen einst führenden Christdemokraten dieses Landesverbandes, an Christian Wulff. Beide können aus dem Stand heraus gute Reden halten, sogar mitreißend sein. Beide sind aber nicht unbedingt die Lieblinge der Partei, gelten als Einzelgänger und eher distanziert. Große Teamarbeiter sind sie nicht. Bei Wulff hat es lange gedauert, bis er sicher sein konnte, eine große Mehrheit der Partei hinter sich versammelt zu haben, eigentlich war das erst nach seinem Sieg bei der Landtagswahl 2003. Bei Althusmann ist die Frage, wie geschlossen die CDU zu ihm steht, noch nicht beantwortet. Am 7. September steht die Wiederwahl zum Parteichef beim Landesparteitag an. Das könnte dann ein Gradmesser werden.

„Keiner, der die einen gegen die anderen ausspielen will“: Bernd Althusmann – Foto: kw

Die Lage der CDU ist nicht rosig, denn am 15. Oktober 2017 geschah, was viele vorher für undenkbar gehalten hatten – bei der Landtagswahl lagen die Christdemokraten erstmals seit 1998 wieder hinter den Sozialdemokraten, für Althusmann blieb in der Großen Koalition nur der ungeliebte zweite Platz zwei übrig. Ist das aufgearbeitet? Wohl eher nicht. Öffentlich nahm der Parteichef anschließend viel von der Verantwortung für Fehler im Wahlkampf auf die eigene Schulter, das führte dazu, dass eine offene Debatte darüber gar nicht mehr entstand. Intern soll er auch Kritik am angeblich zu scharfen Auftreten der Landtagsfraktion zwischen 2013 und 2017 geübt haben, ein Verhalten, das viele Althusmann anschließend übel nahmen. Umso mehr, als er selbst doch erst 2016 nach mehreren Jahren Afrika-Aufenthalt nach Niedersachsen zurückgekehrt war, also quasi in den bitteren Oppositionsjahren eine Auszeit genommen hatte.

Viel von dem Ärger über das Landtagswahlergebnis verschwand wieder, weil die CDU zurückkehrte an die Macht. In vielen Ministerien geben heute wieder CDU-Leute den Ton an, in vielen Sachfragen ist sie zur Mitgestaltung aufgerufen – unter ihrem emsigen Fraktionschef Dirk Toepffer treten die Christdemokraten im Landtag agiler und zupackender auf als die Sozialdemokraten, die sich sehr stark auf die Popularität von Ministerpräsident Stephan Weil verlassen. Althusmann ist fleißig im Land unterwegs, nimmt eher zu viele als zu wenige Termine an und verspätet sich oft zwangsläufig, worunter der Ruf seiner Zuverlässigkeit leidet. Ob er, der oft erkennbar zögert und zaudert, manchmal den Blick für das Wesentliche verliert?

Es häufen sich die ungelösten Probleme

Derweil häufen sich in der CDU ungelöste Probleme. Gerade erst am Wochenende hat die Frauen-Union gefordert, endlich jeden zweiten Listenplatz mit weiblichen Bewerbern zu besetzen. Die Erfolgsaussichten sind derzeit bescheiden, aber ein Signal wäre es immerhin, wenn man für die Europawahl zwei Frauen auf aussichtsreiche Positionen der Landesliste bringen könnte. Es sieht aber nicht danach aus. Dass die in CDU-Kreisen erwogene Aufwertung von Justizministerin Barbara Havliza im Vorstand der Niedersachsen-CDU die Kritikerinnen wird besänftigen können, ist trotz Havlizas wachsender Beliebtheit wohl eher fraglich.

Im CDU-Landesverband Braunschweig gärt es, die eher ländlich-konservativen Kräfte um Landeschef Frank Oesterhelweg stehen den großstädtisch-liberalen um Goslars OB Oliver Junk fast feindlich gegenüber – verärgert über die „Rechten“ trat jüngst der Wolfenbütteler Bürgermeister aus der CDU aus. Dahinter steckt die ungeklärte Frage, ob sich die Niedersachsen-CDU eher linksliberal (wie in Schleswig-Holstein) oder konservativ (wie in Sachsen) positionieren soll.

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Bisher versucht Althusmann einen goldenen Mittelweg. Dass er es als Wirtschaftsminister mit den eher drögen Themen Wirtschaft und Digitalisierung irgendwann wird schaffen können, dem SPD-Mann Weil die Popularität streitig zu machen? In der CDU zweifeln daran viele – auch deshalb, weil mit Althusmann derzeit vor allem der Breitbandausbau verknüpft wird. Weil dieser nun aber schon seit Jahren stockt, ist die Unzufriedenheit groß und der Erwartungsdruck auf den Minister auch.

Denkzettel eher unwahrscheinlich

Und trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass der Parteitag dem Landesvorsitzenden knapp zwei Jahre nach seiner ersten Wahl im September 2016 einen Denkzettel für all die Mängel, Defizite und ungeklärten Konflikte verpassen wird. Denn so viel Ärger der CDU-Chef auch bei Mitstreitern immer wieder hinterlässt, weil vieles eher hastig entworfen als sorgfältig vorbereitet erscheint, so sehr billigen viele ihm doch den guten Willen und die besten Absichten zu. „Der Bernd“, heißt es aus CDU-Kreisen, „ist keiner, der die einen gegen die anderen ausspielen will“. Das ist schon viel in der Politik – und es garantiert ihm die Gefolgschaft. Bisher jedenfalls. (kw)