1. Apr. 2020 · 
Bildung

Akademisierung der Gesundheitsberufe wird Niedersachsen Millionen kosten

Von Martin Brüning Bei der Akademisierung zahlreicher Gesundheitsberufe zeichnet sich ein heftiger Streit zwischen Bund und Ländern ab. Dabei geht es um Millionen. Die Länderminister haben sich laut niedersächsischem Wissenschaftsministerium mit der dringenden Bitte an die Ministerpräsidentenkonferenz gewandt, mit dem Bund über eine Kostenübernahme zu sprechen. „Der Bund bestellt in diesen Bereichen die Musik und ist berufsrechtlich zuständig. Die Kosten bleiben dann allerdings bei den Ländern und hier vor allem bei der Wissenschaft“, erklärte Christof Schiene, Leiter des Referats für Hochschulentwicklung im Wissenschaftsministerium, kürzlich im zuständigen Landtagsausschuss.
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Laut Schiene liegt inzwischen eine Kostenschätzung der Kultusministerkonferenz für die bisherigen Reformvorhaben vor. Demnach könnten durch die Änderungen auf die Länder dauerhaft jährliche Kosten von bis zu 1,1 Milliarden Euro zukommen. Hinzu kämen sogenannte Transitionskosten, die einmalig bei der Umstellung entstehen, von bis zu 280 Millionen Euro. „Zieht man den Königsteiner Schlüssel heran, so werden auf das Land Niedersachsen auf Dauer jedes Jahr 100 Millionen Euro und zudem einmalig 25 bis 28 Millionen entstehen“, erläuterte Schiene. Es seien auch schon weitere Gesetzesnovellierungen in der Vorbereitung, diese beträfen zum Beispiel die Ergo-, Logo- und Physiotherapie. Diese erzeugten dann weitere Kosten. Bisher sind beim Bund folgende Änderungen geplant: Zahnärzteausbildung wird nach 55 Jahren angepasst: Eigentlich ist es sinnvoll, gerade die Approbationsordnung der Zahnärzte zu reformieren, weil hier schon seit 1955 nahezu nichts geändert wurde. Die Novellierung liege auf der Hand, allein schon aufgrund der fachlichen Weiterentwicklung, sagte Thomas Horn, Leiter des Referats Heilberufe im Sozialministerium. Durch die Änderungen werde die zahnmedizinische mit der humanmedizinischen Prüfung vergleichbar. Allerdings steigen dadurch natürlich die Kosten. Christof Schiene zufolge kostet ein Studienplatz in der Zahnmedizin aktuell 196.000 Euro. Durch die Änderungen könnten die Kosten auf 223.000 Euro steigen. Bleibt es bei 162 Studienanfängern im Land, ergebe sich ein Mehrbedarf von mehr als sieben Millionen Euro pro Jahr. Heute könnten bei der Stiftung für Hochschulzulassung Entscheidungen zur Zahnärzteausbildung fallen. In der Humanmedizin seien die entstehenden Kosten im Moment noch schwieriger abzuschätzen. Man könne derzeit von insgesamt rund 26 bis 33 Millionen Euro pro Jahr ausgehen. Noch nicht berechnet sind derweil die Kosten für die baulichen Anforderungen. Weil mehr Studenten in kleinen Gruppen arbeiten werden, ändert sich die Betreuungsrelation. Es wird mehr Übungen in kleineren Räumen geben, die es weder in Hannover noch in Göttingen bisher in der nötigen Anzahl gibt. https://www.youtube.com/watch?v=ZFSdW79PwYQ Akademische Ausbildung in der Pflege: Hier wurden bereits Gesetze und Verordnungen novelliert. Für die Pflege haben Bundestag und Bundesrat unter anderem bereits beschlossen, einen gesonderten Weg der akademischen Ausbildung zu eröffnen. Von Bund und Ländern werde nun der Ausbau erwartet, sagte Schiene. In Anlehnung an die Empfehlung des Wissenschaftsrates müsste Niedersachsen dann 345 Bachelor-Studiengänge in der Pflege zu schaffen, wobei bisher noch von keiner Hochschule dazu Planungen vorlägen. Klar sei, dass das Ziel ohnehin nur schrittweise nur über mehrere Jahre erreicht werden könne, wenn die Mittel zur Verfügung stünden. Fachlich halte man zunächst einmal die Einrichtung von 70 Studienanfängerplätzen in den kommenden Jahren für sinnvoll. Dies würde laut dem Experten des Wissenschaftsministeriums vier Millionen Euro pro Jahr kosten, zusätzlich müsste man mit der einmaligen Aufbausumme von 1,4 Millionen Euro rechnen. Hinzu kämen die nötigen Veränderungen bei der Pflegepädagogik. Hier gebe es inzwischen höhere Anforderungen für die Qualifikation der Lehrkräfte und die Leitungen der Pflegeschulen. Zudem könne die Nachfrage nach Lehrkräften und Pflegepädagogen derzeit durch das Angebot nicht gedeckt werden. Deshalb sollte es nach Meinung des Wissenschaftsministeriums zügig mehr Studienplätze in der Pflegepädagogik geben. Der Ausbau würde laut Schiene 1,8 Millionen Euro pro Jahr kosten, einmal kämen Kosten in Höhe von einer Million Euro hinzu. Vollakademisierung im Hebammenwesen: Der Bund hat entschieden, dass sämtliche Ausbildungsplätze an den Hebammenschulen künftig wie Studiengänge an den Hochschulen sein sollen. Hinzu kommt der hohe Bedarf an Fachkräften in der Pflege. Das Ministerium habe daher beschlossen, die Zahl der Plätze aufzustocken und kommt damit nun auf 140 Studienplätze, die in Göttingen, Oldenburg, Osnabrück und Hannover angeboten werden sollen. Zusätzlich gebe es ein Angebot an der Hochschule Osnabrück. „Damit kommen wir auf bis zu 185 Studienplätze in der Hebammenwissenschaft“, erklärte Schiene. Hierbei kämen auf das Land jährliche Kosten von 8,2 Millionen Euro und einmalige Kosten von 2,8 Millionen Euro zu. Zusätzliche Masterstudienplätze, um die Disziplin zu entwickeln, schlagen mit 1,6 Millionen Euro pro Jahr zu Buche. Unmut über schnelle Änderungen bei der Psychotherapeutenausbildung: Zum Ärger der Wissenschaftsminister treten schon zum 1. September neue Regeln für die Ausbildung der Psychotherapeuten in Kraft. Sie werden das Land jährlich nicht nur 11,5 Millionen Euro kosten, es sei für die Hochschulen zudem fast unmöglich, die Änderungen so schnell umzusetzen. Vorgesehen ist unter anderem ein komplett neuer Masterstudiengang und eine staatliche Prüfung, die sich dann direkt an das Masterstudium anschließt. Die Verbesserung der Qualität steht auf der einen Seite, die Kosten für die Länder auf der anderen. Auch Abgeordnete äußerten Unmut über die Summen, die durch Entscheidungen des Bundes auf die Länder zukommen. CDU-Sozialexperte Volker Meyer pocht auf eine Beteiligung des Bundes und verweist dabei auf das Konnexitätsprinzip zwischen Land und Kommunen. Hier müssten die Länder gemeinsam politisch initiativ werden, forderte Meyer.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #064.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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