10. Mai 2023 · Landwirtschaft

Agrarressort betrachtet CDU-Vorschläge zur Schweinepest-Vorsorge mit Skepsis

Jahrelang hat sich Niedersachsens Agrarministerium auf den Ernstfall vorbereitet. Es wurden Expertengremien eingerichtet, Zäune beschafft sowie zahlreiche Wildschweine gejagt und erlegt. Doch als die „afrikanische Schweinepest“ (ASP) dann Niedersachsen erreichte, gestaltete sich dieser Ausbruch ganz anders, als man zuvor angenommen hatte. Statt im Blut eines verendeten Wildschweins fand man den für die Tiere tödlichen Erreger bei eingestallten Hausschweinen. Mit Kritik am Krisenmanagement der früheren Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hielt sich die damalige Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte nicht zurück. Die Landesregierung habe sich zu sehr auf das Abschießen von Wildschweinen fokussiert und zu wenig dafür getan, die Schweinebranche auf die Notsituation zu rüsten, warf sie ihr vor.

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) bedroht die Tierbestände in Niedersachsen zwar nicht akut, doch die Gefahr bleibt. | Foto: Anant Kasetsinsombut

Inzwischen hat Staudte das Agrarressort in der Landesregierung übernommen und die CDU-Landtagsfraktion fragt nun, welche Lehren ihr Haus aus dem ASP-Ausbruch zieht und wie kann man sich darauf vorbereiten, dass ein erneuter Ausbruch die Schweinehalter im Land nicht wieder derart hart trifft, wie es im Emsland im vergangenen Jahr der Fall war. Zehn Handlungsvorschläge richten die Christdemokraten in einem Entschließungsantrag nun an die Landesregierung. In der gestrigen Sitzung des Agrarausschusses des Landtags gaben zwei Mitarbeiter des Agrarministeriums in einer Unterrichtung allerdings Wasser in den Wein. Die CDU-Punkte sieht man wahlweise skeptisch, bewertet sie als kurzfristig nicht umsetzbar oder sieht sich bereits auf dem richtigen Weg.

Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte | Foto: ML

Der CDU-Entschließungsantrag regt etwa an, dass die Landesregierung eine Versicherung für Ertragsschäden staatlich unterstützen und für die Betriebe zur Pflicht machen sollte sowie einen Entschädigungsfonds einrichten könnte. Dazu erklärte Heinrich Daseking, dass eine staatliche Unterstützung einer Ertragsschadenversicherung zwar grundsätzlich möglich sei, die Landesregierung diesem Vorhaben aber skeptisch gegenüberstehe. Man gehe im Ministerium davon aus, dass die Branche angesichts des Seuchengeschehens die Versicherungsbeiträge anheben werde. Zudem erwarte man Mitnahmeeffekte. Auch wenn man eine Versicherung prinzipiell für sinnvoll hält, und diese im vergangenen Jahr vielen Betrieben das Überleben gesichert hätte, zeigt sich das Ministerium bei einer Pflicht zurückhaltend. Das Grundrecht der Vertragsfreiheit würde dadurch eingeschränkt, und das müsste gut begründet sein, erläuterte Daseking die Haltung des Hauses.

Für die Einrichtung eines Entschädigungsfonds fühlt man sich derweil nicht zuständig. Weil weder der Schweinemarkt noch das ASP-Virus an Landesgrenzen Halt mache, sei die gerechte Umsetzung eines solchen Fonds äußerst schwierig. Vielmehr müsste ein solches Vorhaben auf die Ebene der EU-Mitgliedstaaten gehoben werden, argumentierte Daseking. Doch die „afrikanische Schweinepest“ werde derzeit nicht als europaweites Problem angesehen. Alternativ schlägt der Ministeriumsmitarbeiter vor, statt eines staatlich organisierten Fonds die Privatwirtschaft einzuspannen. Diese sei schließlich betroffen und habe ein Interesse daran. Ein solcher Schritt könnte auch Thema eines Branchengesprächs sein, das Ministerin Staudte am 19. Juni mit Schweinehaltern, Verarbeitern und dem Einzelhandel führen werde, sagte Daseking in Erwiderung auf den agrarpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Marco Mohrmann, der angemahnt hatte, das Signal der Landesregierung an die Schweinehalter sei dann ja, dass man nichts unternehmen möchte und Betriebe in ihrer Not alleinlasse.

Zu den Vorschlägen der CDU-Fraktion, Forschungsarbeiten zu ASP-Impfstoffen oder resistenten Züchtungen staatlicherseits fördern lassen, führte Dirk Willem Kleingeld aus, dass Impfungen derzeit von der EU noch nicht als Präventionsmaßnahme anerkannt würden. Zwar mache die Forschung erhebliche Fortschritte in diesem Bereich, doch bis bei den hier benötigten Lebendimpfstoffen Genehmigung und Marktreife erreicht sei, werde es noch Zeit brauchen, mahnte er. Allerdings fügte er an, dass sich Niedersachsen zu gegebener Zeit an Modellprojekten zur Erprobung sogenannter Köder-Impfungen für Wildschweine durchaus anbieten könnte.



Resistente Schweinerassen wurden derweil bis heute noch keine gezüchtet. Das größte Ärgernis verursachte im vergangenen Jahr die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission. Der CDU-Antrag fordert deshalb von der Landesregierung, sich mit den europarechtlichen Vorgaben auseinanderzusetzen und, wo nötig, auf Änderungen zu drängen. Das bezieht sich vor allem auf den rigorosen Restriktionsradius; hier wünschen sich die Abgeordneten mehr Möglichkeiten zur Unterscheidung je nach Betroffenheit.

Zu streng erscheint den CDU-Politikern auch die Vorgabe zur risikomindernden Behandlung des Fleisches aus den Restriktionszonen. Dieses muss nämlich vor Vermarktung erhitzt werden – es bleibt am Ende also nur weniger wertiges Dosenfleisch. Zu den EU-Vorgaben sei die Landesregierung in Gesprächen mit dem Bund und den Ländern, erklärte Kleingeld. Im Gespräch sei dabei insbesondere eine Verkürzung der dreimonatigen Sperrung für die Betriebe. Unter der Vorgabe eines strengen Monitorings und zusätzlicher Untersuchung sollte diese Frist verkürzt werden können, hofft man.

CDU und Agrarminister der Länder fordern Seuchenschlachthof

Seit kurzem gelte zudem eine neue EU-Verordnung, die eine Verarbeitung des nicht-kontaminierten Fleisches aus den Restriktionszonen möglich macht: entbeintes und entfettetes Fleisch könne 30 Minuten bei 70 Grad zu konventionellen Brüherzeugnissen weiterverarbeitet werden. Ein weiterer Vorschlag der CDU-Fraktion, um den sich bereits die vorherige Landesregierung bemüht hatte, werde derweil weiterverfolgt, erklärte Kleingeld: Die Agrarministerkonferenz wirbt beim Bund dafür, einen sogenannten Seuchenschlachthof einzurichten, der im Ernstfall die Tiere aus den betroffenen Regionen weiterverarbeiten muss. Kleingeld bittet allerdings darum, einen weniger stigmatisierenden Namen zu verwenden. Im Ministerium spreche man von einem Interventionsschlachthof.

Dieser Artikel erschien am 11.5.2023 in Ausgabe #086.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail