Agrarminister streiten, ob Brachflächen doch bewirtschaftet werden sollten
Die Agrarminister der Länder beraten heute über weitere Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Lebensmittelsicherheit. Um eine globale Ernährungskrise in Folge des Kriegs in der Ukraine abzuwenden, hat die EU-Kommission Hilfen und Erleichterungen für die Landwirtschaft in Aussicht gestellt. Ob die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen, liegt allerdings im Ermessen der Nationalstaaten. In den kommenden Tagen werden in Deutschland die Weichen dafür gestellt – und die Zeit drängt, denn in den nächsten Wochen müssen die Landwirte ihre Felder bestellen und bis dahin wissen, welche Regeln nun für sie gelten sollen.
Knackpunkt in den derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sind Ausnahmeregelungen, die eine Bewirtschaftung von eigentlich vorgeschriebenen Brachflächen für einen begrenzten Zeitraum erlauben würden. Die EU-Kommission will den Landwirten damit die Möglichkeit geben, die größtmögliche Quadratmeterzahl an fruchtbaren Böden zu nutzen, um die Produktion von Lebensmitteln hochzufahren. Damit verbunden wäre auch die Genehmigung, Pflanzenschutzmittel und Dünger auf diesen Brachflächen einzusetzen. Das ist unter normalen Umständen nicht erlaubt, die EU-Kommission wäre aber bereit, trotz der Bewirtschaftung dieser ökologischen Vorrangflächen, die sogenannten Ökologisierungszahlungen an die Landwirte dennoch komplett auszuzahlen.
Bundesrat entscheidet in einer Woche
Wie sich nun zunächst die Agrarministerkonferenz in dieser Frage verständigen wird, ist derzeit nicht leicht einzuschätzen. Während die Landesagrarminister von CDU und CSU fordern, die Vorschläge der EU-Kommission in Gänze umzusetzen, möchte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) wohl die Bewirtschaftung der Brachflächen für deutsche Landwirte nicht erlauben – aus Gründen des Umweltschutzes. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) kündigte gegenüber dem Politikjournal Rundblick an, sich in der Agrarministerkonferenz für eine Ausschöpfung jeglicher der von der EU-Kommission eröffneten Spielräume einzusetzen. Die Union stellt bundesweit allerdings nur noch fünf Agrarminister, die Grünen inzwischen sieben, die SPD hat zwei Vertreter in der Agrarministerkonferenz, die FDP und die Linke jeweils einen.
„Viele Bäuerinnen und Bauern wären sofort bereit, ihre Arbeit anzupassen. Wenn zum Beispiel Ökologische Vorrangflächen für den Anbau von Eiweißpflanzen oder gar für mehr Weizen freigegeben würden, begrüße ich das.“
Holger Hennies
Allerdings formuliert das Gremium der Landesminister lediglich eine Absichtserklärung in Richtung des Bundes, relevant wird erst die Entscheidung des Bundesrates in der kommenden Woche. Voraussichtlich am 8. April wird die Länderkammer über eine entsprechende Durchführungsverordnung entscheiden, die aus den Vorschlägen der EU-Kommission schließlich verbindliche Regeln für die deutschen Bauern macht.
Im Vorfeld der Agrarministerkonferenz hat sich bereits das Bauern-Protestbündnis „Land schafft Verbindung“ mit einem Forderungskatalog zu Wort gemeldet. Die Agraraktivisten fordern etwa, dass die Vorgabe zur Flächenstilllegung in Höhe von vier Prozent gestrichen werden solle. Der Präsident des niedersächsischen Landesbauernverbands, Holger Hennies, erklärte gegenüber dem Politikjournal Rundblick: „Viele Bäuerinnen und Bauern wären sofort bereit, ihre Arbeit anzupassen. Wenn zum Beispiel Ökologische Vorrangflächen für den Anbau von Eiweißpflanzen oder gar für mehr Weizen freigegeben würden, begrüße ich das.“
EU legt 500 Millionen Euro schweres Hilfspaket auf
Zwar ist die Ernährungssicherheit innerhalb der EU derzeit nicht gefährdet, die Staatengemeinschaft möchte mit ihren Lebensmittelexporten aber kurzfristig der Ukraine selbst sowie arabischen und afrikanischen Staaten helfen, die bislang auf eine Versorgung aus der Ukraine gesetzt haben. Die weiteren Maßnahmen, die von der EU-Kommission zur Unterstützung des EU-Agrarsektors angestoßen wurden, werden derweil weniger kritisch betrachtet.
So hat die Kommission ein Hilfspaket in Höhe von 500 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Mit dieser Krisenreserve sollen die am stärksten von den Auswirkungen des Krieges betroffenen Erzeuger von Lebensmitteln unterstützt werden. Dabei geht es etwa um die gestiegenen Energie-, Dünger- oder Futtermittelpreise. Die Kommission appelliert allerdings, dass denjenigen Betrieben ein Vorrang bei der finanziellen Förderung eingeräumt werden soll, die nachhaltige Verfahren anwenden.
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Ab dem 16. Oktober sollen zudem höhere Vorschüsse für Direktzahlungen gewährt werden. Diese Regelung bezieht sich auf die Förderung über die erste Säule Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) und schließt auch flächen- und tierbezogene Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums mit ein, die sogenannte Eler-Förderung über die zweite Säule der GAP. Der Schweinefleischsektor, der etwa durch die afrikanische Schweinepest bereits besonders unter Druck steht, soll eine eigene Marktstütze bekommen, kündigte die EU-Kommission an. Außerdem sollen die Einfuhrvorschriften für den Import von Futtermittel vorübergehend flexibler gehandhabt werden. Mittelfristig will die EU-Kommission die europäische Landwirtschaft dahin führen, dass sie weniger abhängig ist von Importen von Energie oder energieintensiven Futtermitteleinfuhren. Die ökologische Entwicklung des Agrarsektors will die Kommission verstärkt durch Innovationen voranbringen, damit durch Umweltschutzmaßnahmen nicht die Produktivität beeinträchtigt wird.
Dieser Artikel erschien am 01.04.2022 in der Ausgabe #062.
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