
Der in Hannover lebende Jurist Peter Blum, einst Direktor des Berliner Abgeordnetenhauses, schlägt eine Änderung der Geschäftsordnung des Landtags vor. Nur auf diesem Wege könnte verhindert werden, dass im Fall eines überragenden Wahlsieges der AfD diese Partei auch die Position des Landtagspräsidenten für sich beanspruchen kann. Blum, der vor seiner Berliner Zeit auch im juristischen Team der niedersächsischen Landtagsverwaltung eine führende Rolle hatte, äußert sich in einem Beitrag für die Niedersächsischen Verwaltungsblätter.
Zunächst beschreibt Blum die bestehende Rechtslage, wie sie in der aktuellen Geschäftsordnung des Landtags festgeschrieben ist. Demnach steht der stärksten Fraktion im Parlament das Recht zu, einen Bewerber für das Amt des Landtagspräsidenten zu benennen. Diese Position kam in den vergangenen fast 79-jährigen Geschichte Niedersachsens stets der SPD oder der CDU zu. Wie Blum feststellt, ist das Recht der stärksten Fraktion nicht begrenzt. Sollte also ein von ihr benannter Kandidat für das Landtagspräsidentenamt im ersten Wahlgang nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten, darf die stärkste Fraktion einen weiteren Vorschlag unterbreiten. Auch dieser hätte nur Erfolg, wenn die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten sich für ihn aussprechen würde. Bisher war das nie ein Problem, denn die jeweiligen Bewerber von Sozial- und Christdemokraten waren stets mehrheitsfähig und fanden diese Mehrheit auch. Künftig könnte das aber zum Problem werden, wenn die AfD nach einer Landtagswahl die Landtagsfraktion mit den meisten Mitgliedern stellen würde. Nach der derzeit geltenden Geschäftsordnung stünde dann der AfD, und nur ihr, das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten zu. Würde aber jeder AfD-Kandidat in den Wahlgängen keine Mehrheit finden, weil sich alle anderen Fraktionen gegen ihn aussprechen, so wäre die Handlungsfähigkeit des Landtags über längere Zeit, womöglich über Wochen, blockiert. Da sich die Konstituierung des Parlaments nach der Landtagswahl verzögern würde, könnte auch eine Ministerpräsidentenwahl kaum stattfinden.
Blum regt daher an, schon bald – also noch vor der nächsten Landtagswahl – die Geschäftsordnung zu ändern. Man könne festlegen, dass für den zweiten Wahlgang alle Fraktionen vorschlagsberechtigt wären. Würde also ein AfD-Bewerber durchfallen, so könnten sich die anderen Fraktionen, wenn sie eine Mehrheit im Landtag haben, gemeinsam auf einen Landtagspräsidenten aus ihren Reihen verständigen und diesen dann wählen. Sachsen hat diese Regelung eingeführt, Blum empfiehlt sie nun auch für Niedersachsen.
Eine andere Frage betrifft den Alterspräsidenten, der die erste Parlamentssitzung eröffnet und dort eine Rede halten darf. In Niedersachsen gilt bisher die alte Regel, wonach der lebensälteste Abgeordnete Alterspräsident sein darf. Im Bundestag war die Vorgabe geändert worden, um eine Ansprache des niedersächsischen AfD-Abgeordneten Wilhelm von Gottberg zu verhindern – dort ist jetzt der dienstälteste Abgeordnete am Zuge, das war in diesem Jahr Gregor Gysi (Linkspartei). Was den Landtag in Niedersachsen angeht, regt Blum an, die bisherige Vorgabe zu belassen. Die Landtagsarbeit in Hannover sei „von einem moderaten Stil geprägt“ und auch ein Alterspräsident von einer extremen Partei habe das respektiert. Damit meint Blum die 2022 gehaltene Rede des Alterspräsidenten Jozef Rakicky, der damals noch AfD-Mitglied war und in seiner Ansprache maßvoll blieb. Blum regt jedoch an, dass man mit einer Änderung der Geschäftsordnung des Landtags die Eröffnungsrede des Alterspräsidenten ganz streichen könne. In diesem Fall hätte dieser nur noch die Aufgabe, die Sitzung bis zur Wahl eines Landtagspräsidenten den Formalien gemäß zu leiten.