7. März 2024 · 
Inneres

Agiert Niedersachsens Polizei in Berlin „wie die Russen in Prag“? Brockmann widerspricht

Erst vor wenigen Tagen hat Innenministerin Daniela Behrens ihre Behörde für einen „großen Fahndungserfolg“ überschwänglich gelobt. Unter Leitung des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA) und mit Unterstützung der Berliner Polizei war es gelungen, die 30 Jahre lang untergetauchte RAF-Terroristin Daniela Klette in einer Berliner Wohnung zu fassen. Zwei ihrer Komplizen sind noch auf der Flucht.

Am gestrigen Donnerstag hat Landespolizeipräsident Axel Brockmann im Innenausschuss des niedersächsischen Landtags den Einsatz noch einmal geschildert und anschließend die Dankesworte mehrerer Abgeordneter entgegengenommen. Allerdings wird die Diskussion über die laufende RAF-Fahndung in Berlin mittlerweile von heftiger Kritik überschattet. Mehrere Berliner Zeitungen berichten, es gebe Verstimmungen zwischen dem LKA Niedersachsen, das federführend agiert, und der Berliner Polizei, die vor Ort als Partner des LKA auftritt.

Landespolizeipräsident Axel Brockmann | Foto: Landespolizeipräsidium Niedersachsen

Auf eine Nachfrage des CDU-Abgeordneten André Bock erläuterte Brockmann, dass er die in Berliner Medien veröffentlichten Einschätzungen nicht bestätigen könne. „Es gab ein Gespräch zwischen dem Landeskriminalamt und der Berliner Polizeipräsidentin. Die Berliner Vertreter haben versichert, dass es keinen Grund zur Kritik gibt.“ Ein Verbindungsbeamter aus Berlin sei in den LKA-Führungsstab integriert worden, zudem sei ein LKA-Beamter in die Pressestelle der Berliner Polizei entsandt worden. Die Zusammenarbeit laufe gut. Dass es mit der Stimmung innerhalb der gemischten Ermittlungsgruppe in Berlin womöglich doch nicht zum Besten steht, wurde vor allem über den Berliner „Tagesspiegel“ transportiert. Die Zeitung zitierte einen Berliner Polizisten, der anonym blieb, mit den Worten: „Die Niedersachsen führen sich hier auf wie die Russen in Prag“. Das ist eine historische Anspielung auf den Einmarsch der Sowjetunion in die tschechoslowakische Hauptstadt 1968 mit dem Ziel, den „Prager Frühling“ mit Panzern und Waffen niederzuwalzen.

Übersetzt auf die gegenwärtige Situation sollte die derbe Ausdrucksweise wohl andeuten, dass das LKA zu unsensibel gearbeitet habe. In Berliner Medien sind dazu noch ergänzende Hinweise veröffentlicht worden: Das LKA habe offen über die Durchsuchung weiterer Wohnungen des RAF-Trios gesprochen und auf eine „Gefahr“ hingewiesen – obwohl eine solche Warnung doch Sache der Berliner Polizei gewesen wäre. Man habe Wohnungstüren aufgesprengt, den Bauwagen öffentlichkeitswirksam abgeschleppt und sei als LKA Niedersachsen mit Panzerwagen in Berlin unterwegs gewesen. Das geschieht offenbar bewusst martialisch – um die noch flüchtigen Klette-Kollegen Garweg und Staub einzuschüchtern und sie zum Aufgeben zu animieren. Die verdeckt geäußerte Kritik aus Berliner Polizeikreisen deutet darauf hin, dass dort zumindest einige eine andere, zurückhaltendere Einsatzstrategie für sinnvoller erachten und den Erfolg des LKA-Vorgehens bezweifeln.

Immerhin sind Garweg und Staub auch eine Woche nach Klettes Verhaftung noch nicht gefasst, und Brockmann räumte am Donnerstag im niedersächsischen Innenausschuss ein, dass es in Berlin und auch in Niedersachsen Solidarisierungen mit den Gesuchten gibt – im linksextremistischen Milieu. Unterstützer der RAF-Leute würden Polizeiwagen identifizieren, die Kennzeichen verbreiten und damit ihre Anhängerschaft warnen. Keine Gesichtserkennung beim LKA: Der AfD-Abgeordnete Stephan Bothe erkundigte sich, warum ein Journalist mit Hilfe künstlicher Intelligenz Daniela Klette auf aktuellen Fotos identifizieren konnte – während dem LKA das jahrelang nicht gelungen war.

Brockmann erklärte dazu: „Das LKA verfügt über die technisch erlaubten Möglichkeiten zum Abgleich von Lichtbildern“. Indirekt sagte der Landespolizeipräsident damit, dass die Ermittler bei der KI-Nutzung für Fahndungen an datenschutzrechtliche Grenzen stoßen. „Wir würden uns an dieser Stelle für unsere Arbeit eindeutigere Rechtsgrundlagen wünschen“, ergänzte Brockmann.

Dieser Artikel erschien am 8.3.2024 in Ausgabe #045.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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