Die „afrikanische Schweinepest“ (ASP) hat Niedersachsen erreicht. Am Sonnabend gab Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) das Ergebnis einer Untersuchung des für Tierseuchen zuständigen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) bekannt. Demnach bestätigten die Experten einen Verdachtsfall, der am Freitag dem niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) gemeldet worden war. „Alle Experten haben seit Jahren davor gewarnt, nun ist es Realität: Die ASP ist in Niedersachsen angekommen. Allerdings nicht bei Wildschweinen, sondern in einem Hausschweinbestand“, erklärte Otte-Kinast auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Hannover.

Der betroffene Betrieb liegt in Emsbüren im Landkreis Emsland. Sämtliche Tiere dieses Betriebes, 280 Sauen und 1500 Ferkel, mussten am Sonntag tierschutzkonform getötet werden. Otte-Kinast sprach von einer „enormen Belastung“ für den Landwirt und seine Familie. Eine finanzielle Entschädigung wird es über die Tierseuchenkasse geben. In einem Radius von zehn Kilometern rund um den Betrieb wird nun eine Sperrzone eingerichtet, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Für den Menschen ist die ASP zwar ungefährlich, für infizierte Tiere endet der schmerzhafte Krankheitsverlauf aber in der Regel mit dem Tod. Innerhalb der Sperrzone befinden sich 296 schweinehaltende Betriebe mit rund 195.000 Tieren. Noch ist völlig unklar, wie das Virus in den Betrieb im Emsland gelangen konnte. Man sei auf der Suche, habe aber noch keine „heiße Spur“, hieß es am Sonnabend. Allerdings wurde ein Kontaktbetrieb identifiziert, von dem Tiere in den betroffenen Betrieb in Emsbüren transportiert worden sind. Dieser Kontaktbetrieb wird nun ebenfalls untersucht. Er befinde sich am Rande der Sperrzone, im Süden des Landkreises Emsland.
Für die Betriebe innerhalb der Sperrzone wird es verboten sein, Schweine zu veräußern. Auch die Gülle darf nicht verbracht werden. Details werden die Allgemeinverfügungen der Landkreise regeln. Wie lange die Sperrzone gelten wird, war am Sonnabend noch unklar. Prof. Michael Kühne, im Landesagrarministerium für Tierseuchen zuständig, berichtete, dass das EU-Recht eine Dauer von 30 Tagen vorsehe, das nationale Recht aber bislang 60 Tage vorgeschrieben habe. Man werde sich dabei nun eng mit der EU-Kommission abstimmen, sagte Kühne. Offiziell gilt die Sperrzone erst ab Dienstag, da die betroffenen Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim zunächst eine Allgemeinverfügung veröffentlichen müssen.
Agrarministerin Otte-Kinast appelliert allerdings an die Bevölkerung, von einem „Seuchen-Tourismus“ abzusehen, da das Virus äußerst stabil sei und an Kleidung, Fahrzeugen und anderem haften und so weiterverbreitet werden könne. Zudem sollten die Betriebe vor Ort nicht in „hektische Betriebsamkeit“ verfallen und beispielsweise noch schnell Tiere aus dem Gebiet wegbringen. „Der Punkteintrag darf sich nicht zu einem Flächenbrand entwickeln“, warnt die Ministerin. Die zuständigen Behörden im angrenzenden Nordrhein-Westfalen seien informiert worden. Auch zu den Niederlanden stehe man in Kontakt. Otte-Kinast sagte, für alle Beteiligten stehe nun eine Zeit voller „Arbeit, Sorgen und Mühen“ bevor.
Da der erste niedersächsische ASP-Fall nun wider Erwarten nicht in der Wildschweinpopulation aufgetreten ist, betreffen die Schutzvorkehrungen nur solche Betriebe, die mit Hausschweinen zu tun haben. Auswirkungen auf die Jagd oder die Getreideernte wird es hingegen nicht geben. „Die Landesjägerschaft ist sensibilisiert“, sagte Otte-Kinast, allerdings gebe es im Emsland ohnehin wenige Wildschweine. Sollten verendete Tiere gefunden werden, werde man die Kadaver genau untersuchen. Die technischen Schutzmaßnahmen, die bei einem ASP-Fall bei Wildschweinen vorgesehen wären, müssen nun auch nicht ergriffen werden. Dazu zählen beispielsweise das Definieren gewisser Schutzzonen, das großräumige Einzäunen und das gezielte Jagen der übrigen Tiere innerhalb dieses Gebietes.
Die „afrikanische Schweinepest“ tritt seit 2007 in Osteuropa auf, die ersten Fälle in Deutschland gab es 2020. Bislang waren Fälle zuerst bei Wildschweinen in Brandenburg, Baden-Württemberg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern festgestellt worden. Den ersten Fall in einem deutschen Schweinemastbetrieb gab es im Juli 2021. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) zählte bis Freitag insgesamt 4052 ASP-Fälle in Deutschland. Fünf Ausbrüche hat es bis dahin in Schweineställen gegeben, zuletzt in einer Freilandhaltung in Baden-Württemberg. Der Fall aus Niedersachsen ist nun Nummer sechs.
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„Für den Schweinemarkt insgesamt verändert sich die Ausgangslage durch die neuen ASP-Fälle nicht“, erklärte ISN-Geschäftsführer Torsten Staack. „Aber natürlich ist in der Vermarktung auch viel Psychologie dabei, deshalb wird es hier maßgeblich darauf ankommen, dass nun am Markt nicht überreagiert wird.“ In Richtung des Großhandels warnte Staack, man werde sich genau ansehen, wer nun versuche, aus der schwierigen Situation der Betriebe Profit zu schlagen.