AfD-Politiker muss seine Wohnung aus ungewöhnlichem Grund räumen
Das Amtsgericht Göttingen hat mit einem Urteil in einem Mietrechtsfall hohes Interesse bei Politikern und Medien auf sich gezogen. Es geht um den 24-jährigen Lars Steinke, Landesvorsitzender der „Jungen Alternative“ (JA), des Jugendverbandes der AfD in Niedersachsen. Die Vermieterin in der Stadt Göttingen hatte ihm gekündigt, da er sie bei Abschluss des Mietvertrages vor anderthalb Jahren nicht über seine politische Rolle informiert habe. Steinke zog gegen die Kündigung vor das Amtsgericht Göttingen, das in seinem Urteil Ende Oktober die Kündigung bestätigte. Nach Ansicht des Richters hat Steinke gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. „Die Klägerin wurde arglistig über einen für den Abschluss des Mietvertrages bedeutsamen Umstand getäuscht“, heißt es in der Begründung.
Im Urteil wird ausgeführt, dass ein Mieter gegenüber dem Vermieter zwar nicht seine Ansichten, Einstellungen und politischen Auffassungen offenbaren müsse. Aber Steinke habe sein politisches Engagement erwähnen müssen, da er bisher schon „als Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt angesehen“ geworden sei und die Vermieterin ein Anrecht darauf gehabt habe, dies zu erfahren. Er sei als „Zielscheibe“ für Angriffe und Straftaten aus dem linken oder antifaschistischem Spektrum anzusehen.
Tatsächlich kam es nach dem Einzug von Steinke zu verschiedenen Vorkommnissen: Die Wände des Hauses wurden offensichtlich von Linksextremisten mit Parolen beschmiert, es gab Ruhestörungen und Lärmbelästigungen vor der Tür, Steinkes Auto wurde beschädigt. Nicht Steinke, sondern sein Vater hatte im Juni 2016 den Mietvertrag abgeschlossen – und aus Sicht des Amtsgerichts ist es spekulativ, ob dies vielleicht deshalb unterblieb, weil Steinke seine wahre Identität habe verschleiern wollen. Verwiesen wird in dem Urteil auf den vom Bundesgerichtshof wiederholt zitierten Grundsatz von Treu und Glauben im bürgerlichen Recht, aus dem elementare Pflichten des Mieters folgten, dem Vermieter Umstände von erheblicher Bedeutung mitzuteilen.
Steinke will in Berufung gehen
Der JA-Landesvorsitzende ist auch in der eigenen Partei umstritten, er gilt als Gegenspieler des bisherigen, selbst höchst umstrittenen AfD-Landesvorsitzenden Armin Paul Hampel. Steinke wird vorgehalten, zum rechten Flügel der Partei zu gehören, er war einst auch als Redner auf Veranstaltungen des „Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen“ aufgetreten. Gegenüber dem Rundblick hatte Steinke auf Nachfragen jedoch erklärt, dies sei in einer Frühphase dieser Organisation geschehen, als ihm die rechtsextreme Ausrichtung des Freundeskreises noch nicht bewusst gewesen sei. Später habe er sich dort zurückgezogen.
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Am Freitag sagte Steinke auf Rundblick-Anfrage, dass er in Berufung gehe und eine Entscheidung des Landgerichts Göttingen erwarte. Bis zu der juristischen Klärung werde er in der Wohnung bleiben. Aus der AfD Niedersachsen erfährt der JA-Landesvorsitzende Rückendeckung. Einige in der Partei meinen zwar, Steinke sei politisch umstritten. Doch wenn sich die diesem Urteil zugrundeliegende Rechtsauffassung durchsetze, müsse jeder Mieter künftig seine AfD-Mitgliedschaft offenlegen – und es dürfe ihm wegen dieser Mitgliedschaft ein Mietvertrag verweigert werden.