10. Okt. 2022 · Parteien

AfD ins Landtagspräsidium? Viel hängt von der neuen Geschäftsordnung ab

Foto: Wallbaum

Eine der spannendsten Fragen im Umgang der Parlamentsfraktionen miteinander wird gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode des Landtags entschieden – vermutlich in der ersten Sitzung am 8. November. Es geht um die Besetzung des Landtagspräsidiums und darum, wer die Vorsitze in den Fachausschüssen des Landtags stellen kann. Im neuen Landtag ist die AfD-Fraktion mit 18 Abgeordneten vertreten, das sind doppelt so viele wie zu Beginn der vergangenen Wahlperiode. Gleichzeitig befindet sich nun eine Fraktion weniger im Parlament als seinerzeit, und beides erhöht die Erwartungshaltung nicht allein der AfD, dass diese Fraktion an den parlamentarischen Ämtern beteiligt werden sollte. Nach der geltenden Geschäftsordnung wird für die Besetzung des Landtagspräsidiums (Präsident und Vizepräsidenten) zwar kein Proporz vorgegeben, wohl aber eine Berücksichtigung aller Kräfte erwartet. Das Höchstzählverfahren nach d’Hondt gilt nur für die 13 weiteren Schriftführer, die dem jeweiligen Tagungsleiter assistieren. 

Möglich wäre aber auch, in einer neuen Geschäftsordnung eine andere Regel festzulegen, nämlich die, jeder Fraktion einen Vizepräsidentenposten zuzuweisen. Vermutlich wird dieser Weg nicht eingeschlagen, denn dann müsste der AfD der Posten eines Landtagsvizepräsidenten angeboten werden, also eines Repräsentanten des Landtags. Dagegen aber sträuben sich die anderen Fraktionen. Im Bundestag führte eine ähnliche Konstellation stets dazu, dass die AfD einen Kandidaten benannte, dieser dann aber in der Wahl durch den Bundestag mehr Nein- als Ja-Stimmen erhielt und damit abgelehnt wurde. Über viele Monate zog sich das hin – begleitet stets von einer aufmerksamen medialen Öffentlichkeit. Da der neue Landtag frei ist, seine Arbeitsbedingungen neu zu regeln, könnte er das d’Hondt-Verfahren auch für verschiedene Personalentscheidungen festlegen. Schwierig könnte dies bei der Benennung der Vorsitzenden der Ausschüsse werden. Nach der bisherigen Geschäftsordnung wird auch hier d’Hondt angewandt. Bisher hat der Landtag 13 Ausschüsse, und wenn man das Höchstzählverfahren ernst nimmt, müsste die AfD auch den Vorsitz eines Ausschusses zugewiesen bekommen. In der geltenden Geschäftsordnung wird allerdings auch die Möglichkeit erwähnt, einen Ausschussvorsitzenden abwählen zu können – mit Zweidrittelmehrheit der Landtagsabgeordneten. Sollte es nun bei diesen Vorschriften der alten Geschäftsordnung bleiben, müsste sich der neue Landtag auch auf Ausschussvorsitzende aus den Reihen der AfD einstellen. Die Fraktionen, die sich jetzt neu bilden, könnten indes auch ein anderes Verfahren beschließen. Sollte jenes dann aber erkennbar das Ziel verfolgen, die AfD auszugrenzen, dürften AfD-Abgeordnete einen Ansatzpunkt finden, dagegen vor den Staatsgerichtshof zu ziehen.

SPD und Grüne stellen Fraktionen auf: Am Montag haben SPD und Grüne sich intensiv auf die heutigen Konstituierungen der neuen Landtagsfraktionen verständigt. Die Grünen-Landesvorsitzende Anne Kura erklärte, sie stünde bereit für ein Führungsamt in der Grünen-Landtagsfraktion. Denkbar ist aber, dass vorläufig – solange noch keine Koalitionsverhandlungen laufen – die bisherige Fraktionsspitze um Julia Hamburg und Christian Meyer weiter amtiert. Bei der SPD fällt heute die Entscheidung, wer neuer Fraktionschef im Landtag wird. Am späten gestrigen Abend hat Stephan Weil als SPD-Landesvorsitzender dazu einen Vorschlag im Landesvorstand unterbreitet. Im Vorfeld verdichteten sich Vermutungen, dass er für diese Position den bisherigen Kultusminister Grant Hendrik Tonne aus Nienburg vorschlägt. Ebenfalls genannt worden waren die bisherige SPD-Generalsekretärin Hanna Naber aus Oldenburg und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Wiard Siebels aus Aurich.

Dieser Artikel erschien am 11.10.2022 in Ausgabe #178.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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