2. Mai 2024 · 
Inneres

AfD-Abgeordneter verliert: Vornamen von Verdächtigen dürfen geheim bleiben

Wie weit geht das Auskunftsrecht von Landtagsabgeordneten – und wo endet es, weil die schutzwürdigen Interessen Dritter berührt werden? Zu dieser Frage hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof am Donnerstag ein wegweisendes Urteil gesprochen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe hatte eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet und wollte wissen, wie die Vornamen der 19 Tatverdächtigen lauten, die in der Silvesternacht 2022 auf 2023 nach Polizeiermittlungen in einigen von 22 Städten ermittelt worden waren. Das Innenministerium hatte die Antworten mit Hinweis auf die Rechte der Betroffenen verweigert. Bei der relativ kleinen Zahl von Verdächtigen könne anhand der Vornamen eine Identifizierbarkeit jedes einzelnen möglich sein – und das greife zu stark ins Persönlichkeitsrecht ein. Dieser Argumentation folgte der Staatsgerichtshof nun. Die Richter bezeichneten die Klage von Bothe für zulässig, aber unbegründet. Das Interesse des Abgeordneten, die Täter nach Kenntnis von Vornamen einem „Milieu“ zuzuordnen, sei nicht überwiegend gegenüber dem Persönlichkeitsinteresse der Tatverdächtigen.

Der Kern der Debatte war in der Verhandlung Anfang März gar nicht ausführlich angesprochen worden. Bothe wollte mit einer Auskunft darüber, welche Vornamen die Tatverdächtigen haben, einen Hinweis auf den Migrationshintergrund klären. Die überwiegende Zahl der Betroffenen hat die deutsche Staatsangehörigkeit, anhand von Vornamen ließe sich aber vermutlich ablesen, dass viele von ihnen aus Familien stammen, die keine deutschen Wurzeln haben. Das Gericht urteilte nun, dass Bothes Interesse an der Klärung dieser Frage wohl berechtigt sein mag, die Antwort sei aber schon gegeben. Denn der Migrationshintergrund vieler Tatverdächtiger sei bereits in der Antwort auf eine frühere Anfrage einer CDU-Landtagsabgeordneten eingeräumt worden. Damit ziele die Anfrage des AfD-Abgeordneten auf die Klärung eines Sachverhalts, der von der Landesregierung gegenüber dem Parlament schon erklärt worden sei. In Artikel 24 der Landesregierung ist festgelegt, dass die Landesregierung Anfragen von Abgeordneten „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ beantworten muss. Abweichen darf sie nur, wenn es um geheime Informationen geht, die dem Wohl des Landes schaden – oder wenn „schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden“. Auf diesen Passus hatte sich die Landesregierung in ihrer Antwort-Weigerung bezogen. Der Staatsgerichtshof entschied, dass in der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse eines Abgeordneten und den Persönlichkeitsrechten der Tatverdächtigen das letztere überwiege.

  • Landkreise unterliegen: Der Staatsgerichtshof urteilte noch in zwei anderen Verfahren. Der Niedersächsische Landkreistag (NLT) und acht ausgewählte Landkreise wandten sich dagegen, dass der Landtag kurz vor der Landtagswahl 2022 im Schnellverfahren die Kommunalverfassung geändert und die Verschuldungs-Vorschriften massiv gelockert hatte. Das geschah damals auf Drängen des Niedersächsischen Städtetages (NST). Der NLT habe nur fünf Tage Zeit für eine Stellungnahme zu den Plänen der damaligen Großen Koalition gehabt. Das sei viel zu kurz für eine fundierte Positionsbestimmung. Der Rechtsvertreter des Landtags hatte widersprochen: Der NLT, meinte er, sei kein eigenes Organ mit „Parteifähigkeit“ in einem Organstreitverfahren vor dem Staatsgerichtshof. Das sieht der Staatsgerichtshof nun ähnlich. Die Kommunalverfassungsbeschwerde, die von acht Kreisen vorgetragen wurde, hatte in Bückeburg ebenfalls keinen Erfolg. Der Staatsgerichtshof entschied, mit der Neuregelung der Verschuldungsregeln sei das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen nicht eingeschränkt worden – denn die Kreditaufnahme werde ja erleichtert und nicht erschwert. Eine Pflicht zur Verschuldung folge daraus im Übrigen nicht.
Dieser Artikel erschien am 3.5.2024 in Ausgabe #082.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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