In die Debatte über eine Verlängerung der Amtszeiten von Bürgermeistern und Landräten kommt Bewegung. Mit der vor rund zehn Jahren von Rot-Grün durchgesetzten Reform wurden die damals achtjährigen Wahlperioden der Hauptverwaltungsbeamten auf fünf Jahre verkürzt, in der Regel sollen die Verwaltungschefs am Tag der Rats- und Kreistagswahlen gewählt werden und dann parallel zur Wahlperiode der Kommunalvertretung amtieren. Aus vielen Städten aber wächst der Druck, die Amtszeiten zu verlängern – denn es falle immer schwerer, für eine relativ kurze Periode von fünf Jahren geeignete Bewerber zu finden. Ministerpräsident Stephan Weil sagte im Juni 2022 erstmals seine „Gesprächsbereitschaft“ zu. Gestern, bei der diesjährigen Versammlung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) in Spelle (Kreis Emsland), erklärte er, man wolle „im zweiten Halbjahr 2023“ das Thema angehen und eine Entscheidung „bis Ende des Jahres treffen“.

Nun kursieren vor allem zwei Varianten, beide geprägt von dem Versuch, weiterhin Kommunalwahlen und Bürgermeister-Wahlen terminlich zu koppeln. Ein Weg wäre eine sechsjährige Amtszeit, man würde dann gleichzeitig die Kommunalwahlperiode von fünf auf sechs Jahre verlängern. NSGB-Präsident Marco Trips sagte jedoch gestern, dass nur sechs Jahre „eine herbe Enttäuschung wären“. Der zweite Weg sind 7,5 Jahre, und starten würde das für jene Verwaltungschefs, deren Amtszeit mit der nächsten Kommunalwahl im Herbst 2026 endet. Sie würden dann für 7,5 Jahre gewählt, und weil die Rats- und Kreistagsperioden bei fünf Jahren blieben, wäre zu jeder dritten Kommunalwahl (also nach 15 und nach 30 Jahren) wieder die Bürgermeisterwahl synchron mit der Kommunalwahl. Trips sagte dazu: „Das wäre gut und würde von uns akzeptiert“. Weil hingegen ging in Spelle auf Details nicht ein.

Die Veranstaltung des NSGB, die im Zeichen des 75. Geburtstages dieses Verbandes der kleinen und mittelgroßen Kommunen stand, wurde vor allem von einer sehr drastischen Rede des NSGB-Präsidenten Trips geprägt. Er beklagte, dass „Bund und Land Niedersachsen in zentralen Feldern eine Politik machen, die nur schwer mit der Wirklichkeit vor Ort übereinstimmt“. Diese Politik löse große Unzufriedenheit und Verunsicherung aus, auch in den Kommunen. Man überlege schon, ob man nicht das Rathaus „eine Woche lang demonstrativ schließen sollte“.
Ganztags-Grundschule: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Grundschulkinder, der laut Bundesgesetz ab 2026 gilt, sei „nicht umsetzbar“, sagte Trips. Es fehlten die Gebäude und das Personal. Das Land verweigere dazu seit mehr als anderthalb Jahren ein Gesetz, um nicht Finanzierungsansprüche der Kommunen erfüllen zu müssen. Schon jetzt werde das nötige Geld vom Land nicht weitergegeben. Das Kultusministerium überlege, ob die Kommunen für die Betreuung in den Ferien aufkommen solle. So wolle sich das Land aus der Verantwortung ziehen. Trips sagte, in dieser Frage prüfe der NSGB nun, ob man das Land vor dem Staatsgerichtshof verklagen soll. Weil entgegnete, Land und Kommunen sollten doch schauen, ob sich mehrere Grundschulen bei der Betreuung zusammenschließen könnten. Das könne womöglich eine günstigere Lösung sein.
Rüge für Zuwanderungs-Tabu: Trips stellte eine ironische Frage: „Darf ich sagen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung bei der Bereitstellung von privatem Wohnraum für eine ukrainische Mutter mit Kindern größer ist als für einen jungen männlichen Syrer oder Nordafrikaner?“ Es spiele eine Rolle, ob ein Schutzsuchender eine kulturelle Nähe zu Deutschland habe oder nicht. Allerdings habe der damalige Innenminister Boris Pistorius vor der Landtagswahl „das Wort Turnhalle nicht in den Mund nehmen wollen“, weil er in Sorge gewesen sei, das Thema könne die AfD fördern. Dabei habe man sich damals in der Hochphase der Unterbringungs-Probleme befunden. Trips rief dazu auf, diese von Pistorius vertretene Haltung zu ändern: „Man muss doch den Parteien am rechten und linken Rand, den Schwurblern und Reichsbürgern, die Themen wegnehmen.“ Die Wähler seien nicht so dumm, dass sie nicht erkennen würden, wenn Politiker den realen Schwierigkeiten ausweichen. Laut Trips solle das Land nach dem jüngsten EU-Asylkompromiss entsprechend handeln und all jene Zuwanderer ohne Bleibeperspektive zentral in Landeseinrichtungen unterbringen. Sie dürften nicht länger auf die Kommunen verteilt werden.