Zur Büroleiter-Affäre von Ministerpräsident Stephan Weil haben am Donnerstag zwei Zeugen aus der Staatskanzlei im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) ausgesagt – der Leiter der Rechtsabteilung, Kolja Baxmann, und die Leiterin des Personalreferats. Besonders die Leiterin des Personalreferats stand im Fokus des Interesses, da sie an der Einstellung von Aynur C. zur neuen Büroleiterin von Weil im Februar 2023 unmittelbar beteiligt war.

Im PUA zur Büroleiter-Affäre haben am Donnerstag ein Abteilungsleiter und eine Referatsleiterin aus der Staatskanzlei ausgesagt. | Foto: Kleinwächter

Der von der CDU beauftragte Gutachter Ralph Heiermann hatte kritisiert, dass es in dieser Affäre vier Rechtsverstöße gegeben hatte – bei der erstmaligen Eingruppierung von C., bei der Zuordnung einer „Erfahrungsstufe“, bei der späteren Höherstufung der Mitarbeiterin und bei der Anwendung der neuen Regel, die keinen Zustimmungsvorbehalt des Finanzministeriums für AT-Verträge mehr vorsieht. Ein Heiermann-Vorwurf besagt, C. habe mit ihrem frischen Master-Abschluss im Steuerrecht gar nicht die nötige Qualifikation gehabt, in den „höheren Dienst“ des Landes eingestuft und in der allgemeinen Verwaltung eingesetzt zu werden – und das noch mit der „Erfahrungsstufe IV“. Dazu räumte die Referatsleiterin ein, die Eignung von C. im Frühjahr 2023 nicht näher geprüft zu haben, nur der Masterabschluss habe ihr vorgelegen. Die geforderten laufbahnrechtlichen Begründungen seien in der Staatskanzlei dann erstmals vor wenigen Wochen, als die Aufregung um C.s Qualifikation öffentlich wurde, untersucht worden.

Auf Nachfragen wollte die Personalchefin der Staatskanzlei nicht näher darlegen, auf welcher konkreten Rechtsbasis im Tarifvertrag der Länder (TVL) sie seinerzeit C. die hohe „Erfahrungsstufe IV“ zugeordnet hatte. Die von Jens Nacke (CDU) bei einem solchen Schritt als notwendig bezeichnete Vorbedingung, dass die Tätigkeiten von C. in Hamburg bis 2023 und dann in Niedersachsen „gleichwertig“ sein müssen, sei von ihr „nicht geprüft worden“, räumte die Referatsleiterin ein. Ein anderer Vorwurf von Heiermann besagt, die am 21. November 2023 festgelegte Rückwirkung der B2-Höherstufung von C. zum 1. August 2023 sei rechtswidrig. Dazu sagte die Referatsleiterin, sie sei auch gegen die Rückwirkung gewesen, doch der Chef der Staatskanzlei, Jörg Mielke, habe das so gewollt. Mielke habe in einer Mail vom 16. November 2023 auch mitgeteilt, dass das Finanzministerium die Zustimmung zur Rückwirkung gegeben habe – eine Behauptung, der Zeugen aus dem Finanzministerium im PUA schon widersprochen hatten. Mit dieser Aussage Mielkes sei für sie dann aber klar gewesen, dass sie dessen Linie umsetzen werde.

„Er hat sich seine eigene Rechtsauffassung gebildet, das war sein Umgang damit.“

Auch Abteilungsleiter Baxmann wurde zu diesem Vorgang befragt. Er berichtete, selbst „ein Störgefühl“ gehabt zu haben, da er von den Vorbehalten des Finanzministeriums gegen die Rückwirkung wusste. „Dann ist mir aber vom Chef der Staatskanzlei gesagt worden, dass diese Zustimmung des Finanzministeriums vorliege. Wenn mein Behördenleiter sagt, eine Einwilligung liegt vor, und wenn er das noch mal schriftlich bestätigt, dann ist die Sache für mich erledigt und ich forsche nicht weiter nach“, erklärte der Abteilungsleiter. Baxmann ging in seinen Ausführungen noch weiter. Mielke habe den Vorgang um Weils Büroleiterin „zur eigenverantwortlichen Bearbeitung an sich gezogen“. Auf die Frage, wie der Chef der Staatskanzlei mit Kritikern aus dem eigenen Haus und aus dem Finanzministerium umgegangen sei, meinte der Abteilungsleiter: „Er hat sich seine eigene Rechtsauffassung gebildet, das war sein Umgang damit.“ Derzeit laufen in der Büroleiter-Affäre Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue, die sich noch „gegen Unbekannt“ richten. Nun gerät immer stärker Mielke ins Rampenlicht dieser Sache.

„Ich hielt das für verfrüht.“

In der PUA-Sitzung wurden weitere Dissonanzen deutlich. So hatte sich Baxmann intern dagegen gewandt, den AT-Vertrag für C. schon am 21. November 2023 im Kabinett zu entscheiden, also neun Tage vor der offiziellen Verbreitung der neuen Verwaltungspraxis an die obersten Landesbehörden. „Ich hielt das für verfrüht“, sagte er jetzt als Zeuge. Mielke aber habe es so gewollt. Ein anderer Heiermann-Vorwurf besagt, diese neue Verwaltungspraxis könne im Fall C. gar nicht greifen, da in ihr gefordert werde, dass die Empfänger von AT-Verträgen „die beamtenrechtlichen Bildungsvoraussetzungen erfüllen“ müssten. Diese aber, so meint Heiermann, lägen bei C. nicht ausreichend vor. SPD und Grüne bestreiten diese Darstellung. Als Zeugin musste die Personalreferatsleiterin nun eingestehen, dass sie diese Bildungsvoraussetzungen im Fall der Büroleiterin gar nicht näher geprüft habe – auch deshalb, weil sich die von Mielke verbreitete Erwartungshaltung auch auf die Beförderung der Büroleiterin bezogen habe.



Proteste aus anderen Ministerien: Im Februar 2024 hat es, wie im PUA bekannt wurde, ein Treffen der Personalchefs der einzelnen Landesministerien gegeben. Von einigen, berichtete die Referatsleiterin der Staatskanzlei, sei Kritik an der neuen Verwaltungspraxis geübt worden, unter anderem aus dem Umweltministerium. Auch das Wissenschaftsministerium habe Klärungsbedarf gesehen. Der Personalchef des Finanzministeriums habe mitgeteilt, dass die Fachleute in seiner Behörde es am liebsten hätten, wenn es bei der Anwendung der alten Regelung bleiben würde.