Sitzen zu viele Vertreter von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Kirchen in den Rundfunkgremien, die den NDR kontrollieren sollen? Mit dieser Frage hat sich jetzt der Medienausschuss des Landtags beschäftigt, ohne allerdings in der Sache schon eine Diskussion zu führen. Das Gremium hatte in einer Anhörung mehrere Vertreter geladen, die sich zu der Frage der Zusammensetzung und Funktionsweise des Verwaltungs- und des Rundfunkrates beim NDR äußern sollten.

Auslöser ist ein Entschließungsantrag von SPD und Grünen unter der Überschrift: „Den Norddeutschen Rundfunk zukunftsorientiert aufstellen“, der im Juni vorgelegt worden war. In diesem Antrag, der derzeit in den Parlamentsgremien beraten wird, soll die Landesregierung aufgefordert werden, auf bestimmte Ziele hinzuwirken. Eines davon lautet: Die Landesregierung soll darauf hinwirken, dass „die Zusammensetzung des NDR-Rundfunkrates zukunftsorientiert und zeitgemäß die Pluralität und Diversität der Gesellschaft darstellt“. Ergänzend heißt es in dem Antrag, die Pluralität müsse sich „auch in der Zusammensetzung des NDR-Rundfunkrates widerspiegeln“. Den Mitgliedern müsse „der gesetzliche Auftrag deutlich sein, dass sie dort nicht nur die Interessen der entsendenden Gruppen vertreten, sondern dass sie sicherstellen, dass die gesamte gesellschaftliche Vielfalt und damit deren Interessen im Programm abgebildet werden“.
Der Verwaltungsrat des NDR ist der oberste wirtschaftliche Kontrolleur des Senders, Vorsitzender ist der frühere Verdi-Landesleiter Detlef Ahting. Vorsitzender des Landesrundfunkrates Niedersachsen ist der DGB-Vorsitzende Mehrdad Payandeh, seine Stellvertreterin ist Lisa Budde von den Unternehmerverbänden. Ahting und Budde erschienen zur Anhörung. Ahting sagte, eine professionellere Geschäftsstelle zur Beratung und Unterstützung der NDR-Gremien sei sinnvoll. Wichtig sei, dass man in den Gremien unterschiedlichen Sachverstand hat – wirtschaftlich (zur Prüfung von Bilanzen und Verträgen), juristisch und arbeitsrechtlich. Gegenwärtig sei das gewährleistet.

Budde sagte auf die Frage nach einer womöglich falschen Gewichtung der verschiedenen Gruppen in den Gremien, dass jedes Mitglied im Rundfunkrat nicht seinen eigenen Verband vertrete, sondern die Breite der Gesellschaft repräsentiere. Im Übrigen wolle sie sich zur Zusammensetzung nicht äußern, die Länder hätten die Chance, die Vorgaben zu ändern, wenn sie das wollten. Ahting meinte, man könne ja überlegen, ob es für die Auswahl von Bewerbern für die Gremien „einen objektivierbaren Weg“ geben könne. Für ihn sei wichtig, dass „Glaubensgemeinschaften und Sozialpartner angemessen vertreten sind“. Jens Nacke (CDU) hatte beide mit dem Vorwurf des Vereins „Neue deutsche Medienmacher“ konfrontiert, wonach Gewerkschafter und Kirchenvertreter „überrepräsentiert“ seien.

Das Vorstandsmitglied von „Neue deutsche Medienmacher“, Keywan Tonekaboni, erhob den Vorwurf der Überrepräsentanz von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Kirchen. Auch die Bauern hätten einen Sitz ebenso wie Migrantenorganisationen, wobei es sehr viel mehr Migranten als Bauern in der Gesellschaft gebe. Vertreter von Behindertenverbänden und Queer-Organisationen fehlten. Mit Losverfahren und rotierenden Plätzen könne man mehr Vielfalt sicherstellen – auch mit Auflagen an entsendende Organisationen, auf mehr Mischung bei Altersgruppen und Geschlechtern zu achten.
Nacke wies Tonekaboni darauf hin, dass er sich nicht vorstellen könne, wie solche Auflagen praktisch funktionieren sollen. Es gebe ja schon die Vorgabe, dass jede Organisation bei anstehenden Neubesetzungen abwechselnd einen Mann und eine Frau schicken müsse. Der Ruf nach „mehr Staatsferne“ gehe auch ins Leere, da es schon große Staatsferne gebe. Tonekaboni entgegnete, seine Positionen habe er auf alle Rundfunkgremien in Deutschland bezogen, nicht speziell auf die Regeln für den NDR.
