
Die Vorwürfe des Flüchtlingsrates Niedersachsen wirken schwer: Wucher und sittenwidrige Gebührenforderungen wirft der Verein einigen niedersächsischen Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen vor – das Politikjournal Rundblick berichtete darüber. Konkret echauffierte sich der Flüchtlingsrat in der vergangenen Woche über einen Fall aus der Samtgemeinde Apensen (Kreis Stade), der bereits einige Monate zurückliegt. „Das ist alles kalter Kaffee“, sagt nun Edgar Rot, Allgemeiner Vertreter der Samtgemeindebürgermeisterin und zuständig für den Fachbereich Sicherheit und Ordnung in Apensen. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick behauptet er, dass der Flüchtlingsrat mit Unwahrheiten argumentiert habe. So wurde geschrieben, dass von zwei Frauen, die aus der Ukraine geflüchtet waren, für ein 20-Quadratmeter-Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft Gebühren von jeweils 511 Euro gefordert würden. Diese Beträge seien aber nicht festgesetzt gewesen, sagt Rot. Stattdessen habe man Nutzungsgebühren in Höhe von 316,35 Euro angesetzt, wie es die aktuell noch gültige Gebührensatzung vorgegeben habe. Eine Überarbeitung dieser Satzung ist derzeit in der Vorbereitung. Der Samtgemeinderat werde im April darüber beschließen, erläutert Rot. Rückwirkend werde eine mögliche Differenz aber nicht nachgefordert, weil der Landkreis Stade diese ausgleiche. Ferner zeigt sich Rot irritiert darüber, dass der Flüchtlingsrat nicht den Dialog mit der Verwaltung gesucht habe. Da er selbst in persönlichem Austausch mit betroffenen Frauen aus der Ukraine stehe, könne er versichern, dass diese die Aufregung nicht verstünden.
Die Gebühren von 316,35 Euro verteidigt Rot derweil. Die Summe sei das Ergebnis einer „normalen Gebührenkalkulation“, wie sie bei Obdachlosen- und anderen kommunalen Einrichtungen üblich sei. Er betont, dass es sich nicht um eine Miete handele, sondern um eine Nutzungsgebühr, die viele andere Aspekte berücksichtige. So seien die Räume möbliert, es gebe eine durchgängige Betreuung durch den Betriebshof und auch eine soziale Betreuung für die Bewohner. Von der kaputten Glühbirne bis zur Gartenpflege werde alles von der Samtgemeinde übernommen. Die Menschen, die in der Unterkunft wohnen, müssten nur selbst kochen und putzen. Wenn die Bewohner kein Einkommen beziehen, werden die Kosten ohnehin vom Sozialamt gezahlt. Bei den Ukraine-Flüchtlingen stellt sich die Situation nur insofern anders dar, als dass sie eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben und deshalb ihren Wohnsitz frei wählen und Geld verdienen dürften. Auf die Forderung des Flüchtlingsrates, die Gebühren für spezielle Gruppen, wie etwa Ukraine-Flüchtlinge, gezielt niedriger anzusetzen, reagiert Rot mit einem Verweis auf das Kommunalabgabegesetz: Natürlich könne man das machen, aber die Gemeinden sind vom Gesetzgeber angehalten, zunächst die Verursacher von Kosten zur Kasse zu bitten, bevor Steuergelder bezahlt werden. Einer Forderung des Flüchtlingsrates würde sich Rot aber persönlich durchaus anschließen: Das Land Niedersachsen könne ruhig beschließen, die Gebühren für die Unterbringung von Flüchtlingen zu deckeln. In diesem Fall müsste das Land den Kommunen aber die Differenz zur ursprünglich ermittelten Höhe der Gebühren ersetzen – denn die kommunalen Kassen seien klamm.
Dass sich das Land Niedersachsen auf diese Forderung einlassen wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Auf Nachfrage verweist das niedersächsische Innenministerium auf einen Appell des früheren Innenministers Boris Pistorius (SPD). Dieser habe bereits im März 2021 mit einem Schreiben die kommunalen Träger von derartigen Unterkünften darauf hingewiesen, dass es eine „enorme Spannbreite“ bei den Nutzungsgebühren gebe. Dabei habe er zudem angeregt, dass die Bemessung besonders hoher Nutzungsgebühren doch noch einmal neu betrachtet und bewertet werden könnte. Grundsätzlich unterliegen die Erhebung und Bemessung von Nutzungsgebühren für kommunale Einrichtungen und Unterkünfte aber der Eigenverantwortung der Kommunen. Das Land möchte dort also nicht reinregieren. Eine Bindung oder Gleichsetzung an ortsübliche Mietpreise, wie der Flüchtlingsrat es anregte, verböten sich allerdings, erläutert eine Sprecherin des Innenministeriums. Nutzungsgebühren für eine öffentlich-rechtliche Unterbringung seien vom Wesen her etwas anderes als eine Wohnungsmiete, stellt sie klar.