Der Oberbürgermeister von Wolfsburg, Klaus Mohrs (SPD), und der Landrat von Helmstedt, Gerhard Radeck (CDU), haben überraschend eine gemeinsame Erklärung in ihren Gremien vorgetragen – und hinter vielen Worten ist darin eine versteckte Botschaft enthalten. Die „Fusionsverhandlungen“ zwischen dem Landkreis und der kreisfreien Stadt seien „unter den aktuellen Rahmenbedingungen bis zur Kommunalwahl 2021 unrealistisch“. Mit anderen Worten: Die Gespräche sind gescheitert.

Unterdessen regt sich nun im Rat der Stadt Wolfsburg Protest. Der Vorsitzende der Fraktion „Parteipolitisch unabhängige Gemeinschaft“ (PUG), Andreas Klaffehn, hegt große Zweifel, ob Mohrs und Radeck überhaupt ernsthaft über die Frage eines Zusammenschlusses verhandelt haben. „Wir fragen uns, ob das hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist“, sagte Klaffehn im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Wurden die angeblichen Verhandlungen vielleicht nur vorgetäuscht, damit der scheidende OB von Wolfsburg über den Ablauf seiner Amtszeit hinaus an der Spitze der Verwaltung bleiben konnte?

Verhandlungen gescheitert: Der Oberbürgermeister von Wolfsburg, Klaus Mohrs (SPD), und der Landrat von Helmstedt, Gerhard Radek (CDU) gaben eine Erklärung ab – Foto: querbeet/GettyImages, Stadt Wob., CDU Helmstedt

Schon einmal hatte es Bemühungen gegeben, die 2012 begonnen wurden – noch unter dem damaligen Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Damals agierte Mohrs in Wolfsburg, in Helmstedt war es der damalige Landrat Matthias Wunderling-Weilbier (SPD). Ein Rechtsgutachten der Juristen Lothar Hagebölling und Veith Mehde zeigte Wege auf, wie ein Zusammenschluss klappen könnte – weniger über eine kreisfreie Stadt Wolfsburg, die einfach um den Kreis Helmstedt erweitert wird, sondern eher über die Bildung einer Region Wolfsburg-Helmstedt, in der Wolfsburg als Stadt eine Sonderrolle einnehmen könnte.

Hagebölling und Mehde betonten den Handlungsbedarf, da gerade der arme und unter Bevölkerungsverlust leidende Kreis Helmstedt allein nicht überlebensfähig sei. Trotzdem wurden 2014, jetzt unter der rot-grünen Landesregierung, die Gespräche ergebnislos beendet. Gemutmaßt worden war seinerzeit, vor allem Akteure in Braunschweig hätten ein erstarktes Gebilde Wolfsburg-Helmstedt verhindern wollen. Als Mohrs sich dann vor fast genau zwei Jahren von seinem Rat beauftragen ließ, erneut Fusionsgespräche mit dem Kreis Helmstedt einzuleiten, keimte Hoffnung auf, womöglich könne doch etwas bewegt werden. Bis vor wenigen Tagen wahrten Mohrs und sein neuer Gesprächspartner Radeck dann Stillschweigen.

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Die jetzige Erklärung nun ist auf ganzer Linie enttäuschend: Zunächst führen die beiden Verwaltungschefs auf, dass die Fusion vorteilhaft wäre für die wirtschaftliche Entwicklung und die Ansiedlungen. Das politische Gewicht der Region könne erhöht werden. In 20 Gesprächen, davon die Hälfte telefonisch, sei auch über eine Sonderrolle Wolfsburgs in einem gemeinsamen Gebilde geredet worden, denn die Stadt solle als Sitz von VW unter Umständen sehr schnell mit bestimmten Schritten reagieren können.

Dann kommen Mohrs und Radeck zum Kern: Beide erklären, sie seien sich einig gewesen, dass man den Schritt nicht gegen die Interessen der Stadt Braunschweig durchsetzen könne und dass die Landesregierung „finanzielle und politische Unterstützung“ leisten müsse. In beiden Punkten sei „seit Mitte 2019 kein durchbrechender Erfolg erzielt“ worden. Hat es also das Signal aus Hannover gegeben, dass die Versuche sinnlos sind? Mohrs und Radeck erwähnen noch weitere Gründe für das Scheitern, nämlich die Corona-Krise, die Kraft gebunden habe, die schlechte Finanzlage von Wolfsburg und die stockende Gemeindefusion im Kreis Helmstedt.

Die Frage, die jetzt nicht nur PUG-Sprecher Klaffehn beschäftigt, ist die: Hat Mohrs, als er sich vor zwei Jahren zu den Fusionsgesprächen beauftragen ließ, die Aussichtslosigkeit des Vorhabens schon gekannt – auch wegen der mangelnden Bereitschaft der Landesregierung zu Veränderungen in dieser Frage? Wenn das so gewesen sein sollte, drängt sich der Verdacht des Missbrauchs der Kommunalverfassung auf. Dort steht geschrieben, dass eine eigentlich fällige Wahl des Oberbürgermeisters (die in Wolfsburg eigentlich 2019 hätte sein sollen) bis zu zwei Jahre verschoben werden kann, wenn ein Rat Verhandlungen über die Fusion mit einer anderen Kommune aufnimmt.

Genau das war in Wolfsburg geschehen, die Amtszeit von Mohrs wurde verlängert – der neue OB wird nun erst im September 2021 gewählt. Klaffehn sagt, es habe schon allein deshalb die im Gesetz geforderten „Verhandlungen“ nicht gegeben, da der Helmstedter Kreistag den Landrat nur zu „Gesprächen“ über „einen interkommunalen Zusammenschluss oder interkommunale Zusammenarbeit“ legitimiert habe. „Das aber sind keine Verhandlungen, und die hat es tatsächlich auch gar nicht gegeben.“ So besteht der Verdacht, die OB-Wahl sei verzögert worden unter einem fragwürdigen Vorwand.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Bernhard Zentgraf, sieht in den Abläufen in Wolfsburg und Helmstedt ein Versäumnis der Landespolitik. Das erneute Scheitern eines Fusionsplans zeige, wie notwendig die stärkere Begleitung eines solchen Prozesses durch die Landesregierung sei. Die Strategie der „vornehmen Zurückhaltung“ sei gescheitert.