Durch deutlich mehr Neubauten sollen die teilweise horrenden Mieten wieder sinken – so lautet das Ziel. In der Praxis geht der Plan derzeit allerdings kaum auf. Der Effekt funktioniere nicht in dem Maße wie ursprünglich gewünscht, konstatierte Susanne Schmitt, Direktorin des Verbands der Wohnungswirtschaft (VDW) in Niedersachsen, am Donnerstag. Das liegt unter anderem an den drastisch gestiegenen Baukosten. Inzwischen würden die Baupreise in Angeboten nicht mehr wie früher garantiert, berichtete Schmitt, die Preise würden oft nach Tagespreis berechnet. „Den Unternehmen fehlt es dadurch an Kalkulationssicherheit. Es wird sehr viel schwieriger, ein Bauvorhaben durchzurechnen“, sagte die VDW-Chefin. Die Preise für Baumaterialen haben drastisch angezogen. Eine Umfrage des Verbands unter den Wohnungsunternehmen zeigt, dass die Preise für Bauholz „förmlich explodiert“ seien. Hier würden aktuell Preissteigerungen von bis zu 200 Prozent verzeichnet. Dämmmaterial sei inzwischen 150 Prozent, Baustahl 40 Prozent teurer. Und nicht nur die Preise machen den Unternehmen zu schaffen, viele Materialen sind auch teilweise nicht verfügbar. Schmitt berichtete von einer Baustelle in Hannover, an der die Entwässerungsrohre derzeit nicht geliefert werden können. Die Folge: 200 Wohnungen werden nicht fertig.
Aber nicht nur teure und fehlende Materialen machen das Bauen derzeit schwierig. Auch andere Probleme sorgen für Kostensteigerungen bei Neubauten. Laut VDW hakt es an vielen Stellen.
Bauland ist selten und teuer: „Bei den Baulandpreisen ist das Maß längst voll. Wir sehen nur eine Richtung: nach oben“, sagt Schmitt. Inzwischen läge man teilweise bei mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter. Dadurch lassen sich auf solchen Gebieten kaum mehr kostengünstige Wohnungen bauen. Eine kostendeckende Miete liege dann ganz schnell bei 12 oder 13 Euro pro Quadratmeter. Schmitt hat zwar Verständnis für die Finanznot der Kommunen, schließlich war sie selbst einmal Kämmerin in Celle, Dennoch appelliert sie an die Kommunen, an dieser Stelle Prioritäten zu setzen. „Hier muss es einen Ausgleich zwischen verschiedenen Zielen geben, beim Wohnungsbau geht es schließlich auch um Daseinsvorsorge.“
Fehlende Mitarbeiter an verschiedenen Stellen: Im Bauhandwerk gibt es gerade ein doppeltes Problem: Teilweise fehlen Fachkräfte und die, die es gibt, sind teilweise auch noch in Kurzarbeit. Weil es den Firmen an Baumaterial fehlt, können sie ihre Mitarbeiter nicht Vollzeit beschäftigen. „Das sehen wir zunehmend als Problem, deswegen hängen auch einige Baustellen“, erklärte Schmitt. Aber auch in den Baumämter fehle es teilweise an qualifizierte Fachkräfte, was häufig die Planung stark verzögere. Schmitt forderte, das Land müsse verstärkt in die Ausbildung von Planern und Architekten investieren.
Klimaschutz macht das Bauen teurer: „Wir brauchen eine bessere Förderung der Klimaschutzmaßnahmen“, sagte Schmitt. Außerdem schlägt der VDW vor, bei den Klimazielen nicht mehr das einzelne Gebäude, sondern ganze Quartiere zu betrachten. Dabei müssten dann die Energieversorgung und der Bereich Verkehr, zum Beispiel mögliche E-Mobilitätskonzepte, einbezogen werden. Häufig seien Energieversorger nicht in der Lage, die nötige erneuerbare Energie auch zu liefern. Schmitt plädiert dafür, die Versorger dazu gesetzlich zu verpflichten. Gerade kommunale Energieversorger könnten ihre Planungen entsprechen steuern. Zugleich mahnt der VDW angesichts hoher Kosten, beim Klimaschutz auf Sozialverträglichkeit zu achten. Es gebe aktuell „einen kleinen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und bezahlbarem Wohnraum, den müssen wir auflösen“, so Schmitt.
Schmitt machte am Donnerstag zwei Vorschläge, um der Lage wieder Herr zu werden. Zum einen plädierte sie für einen länderübergreifenden „Baukostengipfel“, auf dem Bauindustrie, Wohnungswirtschaft, Architekten, Handwerk und Politik gemeinsam nach Lösungen suchen sollten. „Die Politik kann den Markt nicht preislich diktieren, aber man kann den Weg so nicht weitergehen wie bisher“, meinte sie. Zum anderen hält sie eine Art Bau-Moratorium für eine sinnvolle Lösung. Das soll dazu führen, dass es bei den energetischen und bautechnischen Anforderungen vorerst keine weiteren Steigerungen gibt. „Je strengere Vorgaben man hat, desto teurer wird das Bauen“, mahnte Schmitt. Zumal die aktuelle Lage dazu führt, dass nicht so viele Wohnungen gebaut werden, wie Land und Kommunen sich das wünschen würden. Mehr als 630 Millionen Euro geben die rund 180 VDW-Mitgliedsunternehmen in diesem Geschäftsjahr für neue Mietwohnungen aus. Dadurch sollen 1500 Wohnungen entstehen, davon 430 mit öffentlicher Förderung. Auf der anderen Seite fallen aber nach wie vor zahlreiche Sozialwohnungen aus der Bindung heraus. Allein bei den VDW-Unternehmen betrifft das bis 2025 fast 5000 Wohnungen.