
Die Baukosten steigen so steil an, dass Susanne Schmitt, Verbandsdirektorin des Verbandes der Wohnungswirtschaft Niedersachsen (vdw), das Schlimmste befürchtet. „Wenn wir nicht gegensteuern, können wir unser gemeinsames Ziel, mehr preisgünstigen Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen zu schaffen, nicht erreichen“, sagte Schmitt dem Politikjournal Rundblick. Sie fordert von der Landesregierung eine Politik mit Augenmaß und Entschlossenheit. „Es wäre sinnvoll, jetzt in einem Gipfeltreffen die Situation zu erörtern und mögliche Erleichterungen auf den Weg zu bringen.“ Schon mit der Corona-Krise waren Lieferengpässe für Rohstoffe häufiger geworden, der Abbruch von Lieferketten wurde zum Problem. Diese Situation hat sich inzwischen mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch verschärft. „Ich habe Sorge, dass die Energiepreise nun noch weiter durch die Decke gehen und wir nicht mehr in der Lage sein werden, erschwingliche Angebote für Gering- oder Durchschnittsverdiener sicherzustellen“, betont Schmitt.
Was die Unterbringung der Flüchtlinge aus der Ukraine angeht, hat der Verband der Wohnungswirtschaft dem Land 500 Wohnungen gemeldet – landesweit von den kommunalen Wohnungsgesellschaften und gemeinnützigen Genossenschaften. Das war nur möglich, indem alle Kräfte gebündelt werden, da nämlich eigentlich kaum Leerstand in den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften besteht. Schmitt richtet darüber hinaus einige Wünsche an die Landesregierung, die im Ergebnis eine Verbesserung der Wohnraumsituation bewirken sollen:
Kritik am Stopp der Bundesförderung: Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Januar die Zuschüsse für den Bau energiegünstiger Gebäude nach dem Standard KfW 55 gestoppt – und damit bei den Wohnungsunternehmen Verunsicherung ausgelöst. „Im vdw sind davon 1000 Wohnungen betroffen – 750 Neubauten und 250 Sanierungen. Da wir in diesen Fällen ohne die erwartete, nun aber nicht mehr mögliche Förderung keine Quadratmetermiete von 6,50 Euro mehr gewährleisten können, können die Bauvorhaben nicht starten“, erklärt Schmitt. Die Projekte lägen auf Eis, da die Finanzierung zusammengebrochen sei. Betroffen seien landesweit etwa 50 Wohnungsunternehmen, die im vdw organisiert sind.
Ruf nach einem „Baukostengipfel“: Schmitt hält ein Gipfeltreffen von Landesregierung, Wohnungswirtschaft und Fachverbänden für unumgänglich: „Dabei geht es um die Frage, wie die Umstellung auf Erneuerbare Energien beschleunigt werden kann. Außerdem müssen wir klären, ob die Rohstoffsicherung in Niedersachsen – etwa durch Vorgaben im Landesraumordnungsprogramm – verbessert werden kann.“ Mit Rohstoffsicherung meint sie die Vorrangflächen für Kies-, Sand- und Gipsabbau. Dies sei nötig, wenn man auf der anderen Seite unabhängiger von ausländischen Lieferungen werden wolle.
Förderprogramm für Solardächer: Die Verständigung der Koalitionsfraktionen SPD und CDU auf verpflichtende Solaranlagen auf allen Neubauten ist nach den Worten von Schmitt „sinnvoll“. Man stoße aber auf das Problem, dass sowohl das Material knapp werden könnte als auch das Personal im Handwerk, das diese Anlagen einbauen kann. Dies könnte sich kostentreibend auswirken. „Wir brauchen dafür eine Förderung durch das Land oder den Bund“, betont die vdw-Verbandsdirektorin.
Hilfsfonds für sozial Schwache: Der vdw hält die bereits angekündigten, aber in der konkreten Ausgestaltung noch nicht festgelegten Schritte zur Unterstützung einkommensschwacher Mieter für dringlich. „Es ist wichtig, dass die Bewohner mit schmalem Geldbeutel nicht die Wohnungen verlassen müssen, wenn die Gaspreise, die Lebensmittelpreise und die Benzinpreise noch weiter in die Höhe schnellen. Daher muss der Heizkostenzuschuss für das Wohngeld erhöht werden. Im Gespräch sind derzeit 135 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt, 175 Euro für zwei Personen und jeweils 35 Euro für jede weitere Person im Haushalt. Das reicht nicht aus.“