Üblicherweise läuft die Wahl eines NDR-Intendanten störungsfrei – doch in diesen Tagen entwickelt sich der Fall zu einem Krimi. Zur Vorgeschichte: Der Verwaltungsrat, sozusagen der „Aufsichtsrat“ des Senders, hatte gemäß NDR-Staatsvertrag einen Personalvorschlag entwickelt. Aus einem Kreis von zwei Männern und einer Frau, die es im Vorfeld bis in die Endrunde geschafft hatten, war die Frau ausgewählt worden – die frühere Bertelsmann-Managerin Sandra Harzer-Kux, die viel Schwung für eine moderne Medienpolitik mitbringt, aber bisher noch nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig war. Die 52-Jährige hatte daher nach Ansicht von Kritikern zu wenig „Stallgeruch“. Der Rundfunkrat des NDR, das größere Gremium, in dem gesellschaftliche Gruppen, Verbände, Kirchen und Parteien vertreten sind, votierte zwar mit großer Mehrheit für Harzer-Kux, aber die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt. Sie erhielt 30 Ja-Stimmen, 14 Rundfunkräte stimmten gegen sie, sechs enthielten sich.

Nun ist Harzer-Kux aus dem Rennen, sie fällt für künftige Wahlen aus. Spekuliert wird über die Gründe: War sie womöglich den NDR-Leuten zu fremd, zu sehr verdächtig, ein radikales Sparprogramm durchzusetzen? Es kursiert die These, dank guter Querverbindungen von NDR-Personalvertretern zu Rundfunkrat-Mitgliedern sei Harzer-Kux verhindert worden. Dabei hatte der Verwaltungsrat doch die frühere Bertelsmann-Topmanagerin mit vorzeigbarer Digitalisierungs-Erfahrung eine ganz andere Absicht – er wollte bewusst eine Außenstehende an die Spitze des NDR setzen und so zeigen, dass selbst jemand wie Harzer-Kux die von manchen geforderten radikalen Einsparungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ablehnt. Eine überzeugendere Werbung für Investitionen in den NDR hätte man nicht aufbieten können. Im Verwaltungsrat wurde Harzer-Kux einstimmig nominiert, dort sitzen auch mehrere eingefleischte Gewerkschafter.
Spannend ist, wie es nun weitergeht: Der Verwaltungsrat kann binnen eines Monats einen neuen Vorschlag unterbreiten – doch dieser hat dann den unschönen Beigeschmack, dass er nur „zweite Wahl“ für das wichtige Intendantenamt wäre. Das gilt jedenfalls dann, wenn einer der beiden Männer, die mit Harzer-Kux in der Endausscheidung waren, aufs Tablett gehoben würde. Es gibt daher auch Stimmen, die meinen, der Verwaltungsrat sei ja „völlig frei“ und könne angesichts der verfahrenen Situation einen ganz neuen Namen nennen. An die Ausschreibung, die es gab, sei er ebenso wenig gebunden wie an die Bewerbungen, die daraufhin eintrafen. Das sei der große Unterschied zu Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst. Ein Verwaltungsrat-Mitglied sagt: „Die meisten Kandidaten kamen nicht über die Ausschreibung, sondern es waren Leute, die gezielt angesprochen wurden.“ Die Zeit drängt, der Verwaltungsrat müsste bis zum 4. Mai einen Namen vorschlagen. Die nächste reguläre Sitzung des Rundfunkrates wäre dann am 16. Mai, dort könnte wieder eine Wahl stattfinden.
Was aber geschieht, wenn der nächste Verwaltungsrat-Vorschlag wieder nicht die nötige hohe Zweidrittel-Hürde überspringt? Im Staatsvertrag steht, der Verwaltungsrat könne „jeweils innerhalb eines weiteren Monats einen neuen Wahlvorschlag machen“ – damit könnte das Ping-Pong-Spiel ewig weitergehen. Es gibt aber Stimmen, die sagen, dass der Verwaltungsrat sich irgendwann zurückziehen sollte. Dann dürfte vermutlich der Rundfunkrat ohne konkreten Vorschlag einen Intendanten wählen. Regulär geht der bisherige Intendant Joachim Knuth Ende August 2025 in den Ruhestand. Sollte zu diesem Zeitpunkt noch kein Nachfolger gewählt sein, sieht der NDR-Staatsvertrag eine einfache Mehrheit statt der Zweidrittelmehrheit für die Wahl eines Intendanten vor.